Produktentwicklung (oder so)

Wie neue Führungskräfte die Kreativität fördern wollen

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Der neue Leiter der Produktentwicklung in der Regionalbank AG hat ehrgeizige Ziele. Gleich im ersten Meeting schwört er seine Mitarbeiter auf ein sehr „agiles“ Vorgehen beim Brainstorming für neue Produktideen ein.

Meeting für das Brainstorming neuer Produktideen einer Bank

Viele Banken nutzen Brainstorming für die Entwicklung neuer Produktideen.

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„Super! Superdupa! Let´s go!“ Jens war ziemlich aufgeregt.

Der Jurist – mit Schwerpunktausbildung auf Internationales Zollrecht – trat mit Elan seinen neuen Job als Leiter der Produktentwicklung in der Regionalbank AG an. Sein altes Leben als juristischer Pfennigfuchser hatte er ebenso hinter sich gelassen wie seine biederen grauen Anzüge mit Weste.

Heute hatte er sich – passend zur topmodernen Frisur mit Undercut und Dreitagebart – für ein senfgelbes Beinkleid geschickt kombiniert mit einer lässigen Lederjacke im Biker-Look entschieden. Obwohl er keine Sehhilfe benötigte, trug er mit Stolz eine kirschrote Hornbrille – sozusagen als Hommage an seine neue, kreative Bestimmung. Er sah sich als das Idealbild eines Freigeistes, auch wenn beim Fine-Tuning seines intellektuellen Outfits bei Themen wie Körperbemalung und Piercings Schluss war.

Die Regel lautet: Break the Rules

Doch im Geiste war Jens ein Renegat, ein Freidenker, der nun, da er die Seiten gewechselt hatte, nur noch einer Regel folgen wollte: break the rules – Brich die Regeln!

Sein erstes Meeting mit seinem Team – alle nur fast halb so alt wie er selbst – sollte ein Furioso an Kreativität werden, weswegen Jens auch keine Kosten und Mühen gescheut hatte und für alle Teilnehmer elegante, in den Unternehmensfarben gehaltene Stressbälle besorgt hatte. Er wollte nichts dem Zufall überlassen.

„Let´s do it!“, rief Jens euphorisiert in die Runde und klatschte ermutigend in die Hände.

„Wer hat eine Idee für ein neues Produkt? Und bloß keine Scheu, es gibt keine falschen Fragen, nur dumme Antworten!“ Der Kurs für neuernannte Führungskräfte hatte sich schon in den ersten Minuten bezahlt gemacht!

„Und keine Sorge, ich habe genügend Zeit für den kreativen Prozess mit eingeplant.“, flötete Jens, während er sich eine Haartolle seiner Hippster-Frisur lässig hinter das rechte Ohr strich.

Eine Agenda für Kreativität

Kreativität brauchte Zeit.

Soviel wusste er schon mal. Tatsächlich würde er großzügig mit dem Ressourcenbudget seines Teams umgehen. Das hatte er sich fest vorgenommen.

Um dies zu unterstreichen, projizierte er auch gleich die Tagesordnung des Kreativmeetings an die Wand, sodass alle sehen konnten, dass er es ernst meinte.

9:15 Uhr – Begrüßung – las das Team zufrieden.

9:30 Uhr – Brainstorming neues Bankprodukt.

Soweit, so gut. Brainstorming war ein wichtiges Instrument der Ideenfindung. Und man konnte damit so gut wie nichts falsch machen.

9:45 Uhr – Kaffeepause.

Auch gut. Eine kleine Erfrischung konnte nie schaden. Einige Personen wollten spontan applaudieren, ließen sich aber vom sozialen Druck der Zurückhaltenden anstecken und hielten sich mit Beifallsbekundungen zurück.

10:00 Uhr – Wrap up. Zusammenfassung der Vorschläge und Auswahl der Top-Produktentwicklung des Tages.

Hier machte sich ein leises Murren breit. Hatte der neue Head of Product Development tatsächlich gerade mal 15 Minuten für den kreativen Prozess eingeplant? Konnte es sein, dass der neu ernannte Leiter der Produktentwicklung die Komplexität der Ideenfindung und die dafür benötigte Zeit etwa unterschätzt? Es schien so, denn als nächster Punkt auf der Agenda stand schwarz auf weiß:

10:10 Uhr – Fertigstellung des Protokolls zur Berichterstattung an den Vorstand.

„Nur damit ich das richtig verstehe: wir sollen in 15 Minuten ein neues Produkt kreieren?“ Liane, die Dienstälteste aus der Produktentwicklung wagte sich aus der Deckung, während ihr Stressball verzweifelt ob der rücksichtslosen Quetschung in ihrer Faust quietschte. „Das ist doch sicher ein Versehen! Oder nicht?“

„Ich weiß, das ist großzügig bemessen!“, konterte Jens. „Aber in unserer Einarbeitungsphase möchte ich die Dinge gerne lockerer angehen.“

Mit Druck zum Erfolg

Elegant schlug der Jurist die Beine übereinander und blickte erwartungsfroh in die Runde. Ein geringerer Geist als Jens hätte in den erstarrten Gesichtern seiner Mitarbeiter Entsetzen vermutet. Auch die Sprachlosigkeit hätte einfacheren Gemütern zu denken gegeben. Doch Jens war aus anderem Holz geschnitzt und wusste um die produktivitätsfördernde Kraft eines engen Zeitplans.

Würde man ihnen einen ganzen Tag zugestehen, so würden sie eben einen Tag brauchen. Und dann zwei Tage und dann eine ganze Woche.

Nicht mit ihm. Nicht mit Jens!

„9:30 Uhr, Ladies and Gentlemen. Lassen sie uns das Brainstorming beginnen! Denn am Nachmittag gestalten wir die Digitalisierung unserer Produkte neu. Aber keine Sorge.“, feixte Jens. „Dafür habe ich dann schon eine ganze Stunde eingeplant!“

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Über den Autor

Michel Lemont

Michel Lemont ist seit mehr als 35 Jahren in Bankenwesen tätig. Er war in verschiedenen Bereichen der Finanzindustrie tätig, unter anderem im Vertrieb, im Marketing und zuletzt im Umfeld des Zahlungsverkehrs. In seinen Aufgabenbereich fallen unter anderem regulatorische Themen, das Management von Zahlungsverkehrs-Infrastrukturen sowie die Arbeit in nationalen und internationalen Gremien im Bereich Payments. Ein besonderes Anliegen sind ihm Innovationen im Bankenbereich und das "Querdenken". Michel Lemont ist Autor des Buches „Bankers have more fun“ und betrachtet das Bankwesen gerne von der humoristischen Seite. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.

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