Wann kommt der digitale Euro?

Eine digitale Zentralbankwährung für Europa

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Seit zwei Jahren prüft die EZB, ob und wie ein digitaler Euro die bestehenden Zahlungsoptionen im Euroraum erweitern könnte und sollte. Nun geht das Projekt in die nächste wichtige Phase.

Projekt über die Einführung des digitalen Euro

Das Projekt zur möglichen Einführung des digitalen Euro geht in die nächste Runde.

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Für die europäische Integration spielt der Euro eine wichtige Rolle. Eine gemeinsame Währung senkt die Kosten für den Handel. Der Euro ist darüber hinaus ein Symbol für das Zusammenrücken in Europa, das im Alltag für jeden sichtbar und im Portemonnaie und auf Reisen konkret spürbar ist.

Verstärkt durch eine sich digitalisierende Wirtschaft und Gesellschaft werden die Grenzen noch weniger spürbar. Allerdings muss man feststellen, dass Euro-Banknoten und Euro-Münzen eine immer geringere Rolle im Zahlungsverkehr spielen. Elektronische, bargeldlose Zahlungen gewinnen an Bedeutung. Es ist deshalb nur folgerichtig, dass Zentralbanken in einer Welt im digitalen Wandel über digitales Geld nachdenken – für den Alltag und als Ergänzung zu Bargeld. Weltweit beschäftigen sich inzwischen 93 Prozent der Zentralbanken mit der Einführung von digitalem Zentralbankgeld

Europa und der digitale Euro

Auch das Eurosystem arbeitet mit Nachdruck an einem digitalen Euro. Seit Beginn des Projekts vor zwei Jahren hat man sich im Rahmen der Untersuchungsphase eingehend mit der möglichen Ausgestaltung befasst. Ganz konkret ging es darum, einige grundlegende Fragen zu beantworten. Zum Beispiel:

  • Wie kann das Eurosystem den Zahlungsverkehr in Europa zukunftssicher machen?
  • Wer könnte den digitalen Euro wie nutzen?
  • Wie würde ein digitaler Euro aussehen?

Inzwischen haben wir schon einiges erreicht: Motive geschärft, konzeptionelle Überlegungen konkretisiert, intensiv experimentiert. Dabei haben wir eine bessere Vorstellung über die technische Machbarkeit bekommen.

Aber natürlich sind bei weitem noch nicht alle Fragen beantwortet. Wir stehen beim digitalen Euro demnächst vor richtungsweisenden Entscheidungen. Es geht schließlich um eine völlig neue Form von Geld – die will wohlüberlegt sein. Vertrauenswürdige, effiziente und sichere Zahlungssysteme sind enorm wichtig, damit die Wirtschaft gut funktionieren kann. Dazu trägt auch das erfolgreiche Zusammenspiel von Zentralbankgeld und Geschäftsbankengeld bei.

Ein digitaler Euro als nächste Evolutionsstufe des Geldes

Wir beobachten seit einiger Zeit einen Trend zum digitalen Bezahlen. Mittlerweile werden 60 Prozent aller Umsätze an der Ladenkasse mit Karte beglichen. Auch das Konsumverhalten der Menschen wandelt sich zunehmend in Richtung des Onlinehandels. Die Zahlungsverhaltensstudie der Bundesbank zeigt, dass inzwischen jeder vierte Euro im Internet ausgegeben wird. Bargeld steht dort nicht als Bezahloption zur Verfügung.

Dadurch tut sich eine Lücke auf zwischen dem zunehmend digitalen Alltag der Menschen und dem bislang nur analog verfügbaren Zentralbankgeld. Der digitale Euro würde eine Brücke ins digitale Zeitalter schlagen. Unser Ziel ist es, die Vorteile des Zentralbankgeldes mit den Ansprüchen zu kombinieren, die Menschen heute an Geld haben.

Der digitale Euro wäre eine zusätzliche Option, kein Ersatz für heutige Zahlverfahren. Die Menschen sollen und werden auch weiterhin selbst entscheiden können, wie und womit sie gerne bezahlen möchten.

Ein digitaler Euro wäre zusätzlich im Onlinehandel und im Übrigen auch für den Zahlungsverkehr mit öffentlichen Stellen nutzbar. Zwar gibt es heute schon digitale Bezahllösungen für viele Einsatzbereiche. Aber diese sind häufig nicht universell einsetzbar – vielleicht im Onlinehandel, aber nicht in stationären Geschäften. Oder es werden nicht alle privaten Bezahlverfahren überall von jedem Händler unterstützt. Und hier kommt die Idee des „digitalen Bargeldes“ ins Spiel: jederzeit, überall und in allen Bezahlsituationen mit einem Verfahren – dem digitalen Euro – zahlen zu können.

Der digitale Euro macht Europa resilienter

Die Einführung eines digitalen Euro hätte auch aus politisch-strategischer Sicht klare Vorteile. Alltägliche Zahlungen im europäischen Ausland oder Zahlungen von Deutschland dorthin sind heute meist nur mithilfe von internationalen Kartensystemen oder globalen Internetplattformen möglich. Das gilt sogar innerhalb des Euroraumes.

Europa ist im Zahlungsverkehr viel stärker von internationalen Anbietern abhängig als andere Regionen auf der Welt. Es gibt keine digitale, europaweite Lösung, die auf europäischer Infrastruktur aufbaut. Und das schafft Abhängigkeiten. Abhängigkeiten in einem Bereich, der für mich ganz eindeutig zur kritischen Infrastruktur zählt. Der Trend hin zur weiteren Digitalisierung und zum digitalem Bezahlen verstärkt diese Abhängigkeiten noch weiter.

Mit dem digitalen Euro würde das Eurosystem ein neues Zahlungsnetz knüpfen, über das alle Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen im Euroraum erreicht werden können. Dabei würden Banken und andere Zahlungsdienstleister – wie bisher – dafür sorgen, dass auf Basis gemeinsamer, EU-weiter Regeln einfache, bequeme und sichere Bezahlangebote entstehen, die auch den Schutz persönlicher Daten nach europäischen Datenschutzgesetzen sicherstellen.

Die Rolle der Intermediäre beim digitalen Euro

Von Anfang an bestand Einigkeit, dass Banken und andere Zahlungsdienstleister weiterhin den direkten Kontakt zu den Kunden haben. Wir setzen ganz bewusst auf ihre Erfahrung und Innovationskraft an der Kundenschnittstelle. Das Eurosystem möchte keine Geschäftsbank für 350 Millionen Menschen in Europa werden.

Für Banken und andere Zahlungsdienstleister wäre der digitale Euro eine echte Chance. Intermediäre könnten auf seiner Basis innovative und wertschöpfende Dienstleistungen entwickeln, die von Tag eins an eine europäische Reichweite hätten. Damit würden sie im Wettbewerb mit den großen internationalen Anbietern und Plattformen gestärkt.

Die Nutzung mit dem Smartphone steht zunächst im Vordergrund. Intermediäre könnten den digitalen Euro den Kunden mittels eigener Wallet-Lösungen zur Verfügung stellen, also nahtlos in ihr eigenes Angebot im Online oder Mobile Banking integrieren. Oder sie könnten eine eigenständige App, die vom Eurosystem entwickelt wird, nutzen und diese mit dem Bankkonto verknüpfen.

Andere Zugangswege wie physische Karten könnten später folgen. Schließlich müssen auch weniger digital-affine Menschen den digitalen Euro nutzen können.

Der digitale Euro ist ein Zahlungsmittel

Klar ist, dass der digitale Euro eine Zahlungslösung für den Alltag wäre. Er soll – anders als zum Beispiel das Bargeld – nicht zum Zweck der Wertaufbewahrung genutzt werden. Unter anderem sind Haltegrenzen für digitale Euro-Guthaben im Gespräch. Diese wären Schutzmechanismen, um unkontrollierte Abflüsse von Sichteinlagen bei Geschäftsbanken zu verhindern. Wie und in welcher Höhe ein solches Limit genau ausgestaltet wäre, steht noch nicht fest.

Doch nicht nur bei Bezahlvorgängen von Privatpersonen, sondern auch in der Industrie sollte ein digitaler Euro Innovationen fördern können. Denn in der Industrie 4.0 und im Internet-of-Things wird perspektivisch digitales Geld benötigt, das in vollständig automatisierte Prozesse eingebunden werden könnte und universell einsetzbar wäre. Der digitale Euro könnte auch hier einen Mehrwert schaffen, da er breite Akzeptanz garantieren und gleichzeitig wertstabil und sicher sein würde.

Was die technologische Ausgestaltung des digitalen Euro betrifft, ist noch vieles im Fluss. Ein zukunftsfähig ausgestalteter digitaler Euro würde jedoch echten Nutzen stiften können. Dafür braucht es ein Konzept, das flexibel auf zukünftige Anforderungen reagiert und auch neue Geschäftsfelder ermöglicht.

Rechtlicher Rahmen für den digitalen Euro

Ein weiterer wichtiger Baustein für einen digitalen Euro wird der Rechtsrahmen sein. Die Europäische Kommission hat Ende Juni ihre Legislativvorschläge zum digitalen Euro sowie zum Zugang zu Euro-Bargeld vorgelegt. Damit wird deutlich, dass auch die Europäische Kommission das Euro-Bargeld und den digitalen Euro als zwei Seiten einer Münze sieht.

Mit den Vorschlägen würde einerseits die Rolle des Bargelds gestärkt. Akzeptanz und Zugang zu Bargeld würden gesetzlich garantiert. Andererseits würde mit dem gesetzlichen Rahmen eine solide Grundlage für einen digitalen Euro im europäischen Zahlungsverkehr geschaffen.

Der Gesetzesentwurf sieht vor, den digitalen Euro mit dem Status als gesetzliches Zahlungsmittel zu versehen. Damit könnte die Rolle des Euro als öffentliches Geld gestärkt werden. Gleichzeitig würde mit dem gesetzlichen Rahmen sichergestellt, dass die Rolle der Banken und anderer Zahlungsdienstleister im Finanzsystem bestehen bleibt. Sie würden auch bei Zahlungen mit dem digitalen Euro angemessene Einnahmen generieren können.

Für Privatpersonen wäre seine Grundnutzung kostenfrei. Und durch die Unterstützung für sogenannte bedingte Zahlungen – also Zahlungen, die bei Erfüllung bestimmter Bedingungen weitgehend automatisiert ausgeführt werden – würde auch Innovationspotenzial in der Zukunft erschlossen.

Auch die Möglichkeit von Offline-Zahlungen soll gesetzlich festgeschrieben werden. Das würde einen echten Mehrwert schaffen. So könnte man auch ohne Internetverbindung an den entlegensten Stellen digital bezahlen – sei es beim Bergsteigen in den französischen Alpen, an der portugiesischen Atlantikküste oder an Bord eines Flugzeugs. Und all das unter der Wahrung eines höchstmöglichen Maßes an Privatsphäre für die Nutzerinnen und Nutzer.

Beginn der Vorbereitungsphase für den digitalen Euro

Mitte Oktober hat der EZB-Rat entschieden, ab 1. November 2023 eine zunächst auf zwei Jahre angelegte Vorbereitungsphase zu beginnen. In dieser sollen die Arbeiten an Konzept, Technik und Regelwerk fortgeführt und weiter konkretisiert werden. Auch sollen Anbieter ausgewählt werden, die eine Plattform und die Infrastruktur für einen digitalen Euro entwickeln könnten.

Der Übergang in die Vorbereitungsphase ist noch keine Entscheidung darüber, ob es einen digitalen Euro tatsächlich geben wird. Dieser Beschluss wird vom EZB-Rat erst in Betracht gezogen, wenn der Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union abgeschlossen ist. Dafür braucht es einen breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens und einen rechtlichen Rahmen, der diesen widerspiegelt.

Bis dahin wird es noch stärker auf eine gute Zusammenarbeit mit der Politik ankommen. Ich halte es – vorbehaltlich der dann noch zu treffenden Entscheidung über die wirkliche Ausgabe eines digitalen Euro – für realistisch, dass es von heute an gerechnet weitere vier bis fünf Jahre dauert, bis wir einen digitalen Euro in der Hand oder besser gesagt auf dem Smartphone haben werden.

Über den Autor

Burkhard Balz

Burkhard Balz ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, zuständig für die Bereiche Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme sowie Ökonomische Bildung, Hochschule und Internationaler Zentralbankdialog. Der gelernte Bankkaufmann und Jurist war lange Zeit im Firmenkundengeschäft der Commerzbank tätig und von 2009 bis 2018 Mitglied des Europäischen Parlaments.

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