Bei der Digitalisierung ist es 5 vor 12

Deutschland vor dem digitalen Abstieg?

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Die Digitalisierung dringt in immer mehr Lebens- und Wirtschaftsbereiche vor. Deutschland spielt leider in den wenigsten Fällen in der ersten Liga. Während andere Länder bald die Mobilfunknetze der fünften Generation ausrollen, existieren bei uns Funklöcher.

Steht Deutschland vor dem digitalen Abstieg?

Deutschland hat akuten Nachholbedarf auf vielen Feldern der Digitalisierung.

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Sich Essen per App zu bestellen ist vor allem für jüngere Menschen bereits ganz normal. Nach einer Untersuchung der Schweizer Bank UBS ordern Frauen und Männer im Alter von 18 bis 34 Jahren mindestens einmal pro Woche auf diese Weise ein Gericht beim Lieferdienst – Tendenz steigend. Es ist klar, dass diese Entwicklung zulasten des Einzelhandels und der Restaurants geht, die nicht an einen Lieferdienst angeschlossen sind.

Der Lebensmittelhandel ist nur ein Bereich, der sich durch die fortschreitende Digitalisierung in den kommenden Jahren stark verändern wird. Hier ist mit der Marke „Lieferheld“ Deutschland zumindest mit einem starken Player vertreten.

Volle Fahrt voraus?

Autonomes Fahren ist ein weiteres Thema, das für enorme Umbrüche sorgen wird. Schon heute sind sogenannte Robo-Taxis im Testbetrieb vor allem in den USA unterwegs. Zwar geraten diese immer wieder durch Unfälle in die Schlagzeilen. Doch tatsächlich sind autonom fahrende Fahrzeuge wohl schon heute sicherer als Autos, die von Menschen gesteuert werden. Nur wird über die Unfälle mit herkömmlichen Fahrzeugen weniger berichtet.

Die Testflotte von Waymo, einer Tochter des Alphabet-Konzerns, hat schon sieben Millionen Meilen ohne Fahrer zurückgelegt. Das dürfte ein Vielfaches von dem sein, was die selbstfahrenden Fahrzeuge aller deutschen Autohersteller zusammen vorweisen können. Zumindest sind Audi, Mercedes & Co. an diesem Thema noch dran.

Abstieg in die zweite Liga

Bei Batteriezellen hat sich die deutsche Autoindustrie dagegen bereits aus dem internationalen Wettbewerb zurückgezogen. Hier dominieren Firmen aus China, Südkorea und der amerikanische Tesla-Konzern den Markt. Das ist bedenklich. Denn die Elektrifizierung der Fahrzeuge ist neben dem autonomen Fahren der zweite große Wandel, vor dem die Automobilindustrie steht.

Batteriezellen sind längst nicht der einzige Bereich, wo Firmen aus Deutschland keine oder nur noch eine unbedeutende Rolle spielen. Während es bei der internationalen Wettbewerbsfähigkeit beim Thema Industrie 4.0 noch ganz gut aussieht, sind Unternehmen aus der Bundesrepublik in anderen Sektoren schon weit zurückgefallen. Vor allem der Bereich der künstlichen Intelligenz wird maßgeblich von Konzernen aus den USA und China dominiert. Mit Siri (Apple) und Alexa (Amazon) hat diese Technik bereits Einzug in die Wohnzimmer erhalten. Deutsche Anbieter gibt es nicht.

Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland steht auf dem Spiel

Experten rechnen damit, dass sich die weltweiten Datenmengen nur in den kommenden fünf Jahren um 800 Prozent erhöhen werden. Deren Verarbeitung ist ohne intelligente Software, die nicht einfach programmiert ist, sondern auf die Umwelt reagiert und selbstständig lernt, also künstliche Intelligenz, kaum vorstellbar – zum Beispiel beim autonomen Fahren. Hier verarbeiten schon heute selbstlernende Algorithmen die enormen Datenmengen, die anfallen. Weitere Bereiche, die die künstliche Intelligenz voraussichtlich schon bald durchdringen wird, sind die Medizin, die Verwaltung und die Kommunikation.

Der Gründer und Chef von United Internet, Ralph Dommermuth, stellt die Frage: „Wollen wir noch Produzenten von Technologie und Plattformen sein, oder reicht uns die Rolle als Anwender und Kunde?“ Für den letzteren Fall prophezeit der Internetpionier „das Ende des Wirtschaftsstandortes Deutschland“.

Kommunikation ist entscheidend

Eine entscheidende Grundlage für Digitalisierung und künstliche Intelligenz sind hochleistungsfähige Kommunikationsnetze. Die Stichworte heißen Glasfasernetze und 5G. Während in Deutschland noch immer Funklöcher existieren, stehen andere Länder kurz davor, die Mobilfunknetze der fünften Generation auszurollen. Das ist mit umfangreichen Kosten verbunden. Timotheus Höttges, Chef der Deutschen Telekom, schätzt, dass allein der Roll-out von 5G in Europa 300 bis 500 Milliarden Euro kosten wird.

Wenn Länder wie Deutschland im internationalen Vergleich nicht noch weiter zurückfallen wollen, müssen sie massiv in neue Technologien investieren. Und die Politik muss entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. Denn es reicht bei Weitem nicht, eine Digitalministerin im Bundeskanzleramt zu installieren, die kaum Entscheidungsbefugnisse hat. Und die 400 Millionen Euro Wagniskapital der bundeseigenen Förderbank, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, mit denen Start-ups gefördert werden, sind im internationalen Vergleich ein Klacks.

Die Zeit drängt

Wie schnell technologische Innovationen ganze Märkte dramatisch verändern, verdeutlicht wieder einmal die Kommunikation. Vor gerade einmal zehn Jahren kam das erste iPhone von Apple auf den Markt. Heute chattet fast jedes Schulkind mit einem Smartphone, statt damit zu telefonieren.

Angesichts der Finanzkraft vor allem der amerikanischen und chinesischen Technologiekonzerne gilt es Finanzkräfte zu bündeln und in innovative Technologien zu investieren.

Es muss also weiterhin in Politik und den Unternehmen ein Umdenken stattfinden und Milliardenetats wie es die Großen auf beiden Seiten tun in dementsprechende Forschung und Entwicklung investiert werden, wollen wir uns in Deutschland und Gesamteuropa nicht zukünftig bestimmen lassen wo die Reise hingeht und zwar nicht nur das wirtschaftliche sondern dadurch auch das gesellschaftliche Leben.


Der Beitrag erschien ursprünglich als Teil des Jahrbuchs 2018/19 des Vereins Finanzplatz Hamburg e.V.. Das Jahrbuch können Sie hier herunterladen oder als Hardcopy bestellen.

Über den Autor

Carsten Riehemann

Carsten Riehemann ist Geschäftsführender Gesellschafter bei Albrecht, Kitta & Co., einem unabhängigen Vermögensverwalter aus Hamburg, der vermögende Privatkunden, Unternehmerfamilien, Family Offices und Stiftungen in allen Belangen rund um ihr Vermögenbegleitet.

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2 Kommentare

  1. Avatar
    Hans Meier am

    Der „Testbtrieb“ sämtlicher sogenannter Robo-Taxis erfolgt immer mit einem Sicherheitsfahrer an Bord, aus dem Grund das diese Fahrzeuge eben nicht „wohl schon heute sicherer als Autos, die von Menschen gesteuert werden“ sind.

    Die Unfallstatistiken des Straßenverkehrs stellen auch gar kein Kriterium für die Sicherheit dar. Automatische Funktionen von Maschinen müssen aufgrund des Produkthaftungsrechts so sicher sein, das von ihnen keine Gefahr ausgehen kann, welche das natürliche Sterblichkeitsrisiko für die Altersgruppe von jungen Erwachsenen überschreitet. Dieses Risiko gilt als gesellschaftlich akzeptiert. Den Nachweis das diese Forderung eingehalten wird erbringt der Hersteller üblicherweise dadurch, dass er sich an den so genannten „Stand der Technilk“ hält, der in Normen und Richtlinien festgehalten ist.

    Ein Fahrzeug welches selbstständig ohne Fahrer fährt müsste für die Selbstfahr-Funktionen eine Sicherheitsanforderung von ASIL D erfüllen, entsprechend der Normen 26262 und zukünftig vielleicht ISO 21448, die beide auf der Norm 61508 des IEC basieren.

    ASIL D bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit eines gefährlichen Fehlers pro Stunde 10^-8 beträgt, oder andersrum gesagt 11000 Jahre Dauerbetrieb ohne Fehler.

    Unter Experten ist klar das es heute keine Technik gibt, die geeignet ist um die zahlreichen Hürden die diese Zuverlässigkeit verhindern zu überwinden.

    Wenn Experten Aussagen zur Autonomiestufe 5 treffen wie „frühestens in 30 bis 50 Jahren“, dann gehen sie davon aus das in der Zwischenzeit z.B. neue Grundlagen entdeckt werden die eine sichere Umgebungserkennung und Klassifizierung, sowie eine sichere Positionserkennung möglich machen, da das mit heutiger Technik unmöglich ist. („sicher“ dabei in Bezug auf funktionale Sicherheit, ein Begriff der in der Öffentlichkeit und auch bei fachfremden Ingenieuren unbekannt ist, und der erst durch das MCAS System von Boeing in letzter Zeit hin und wieder mal Erwähnung in den Medien gefunden hat).

    Ich denke sobald feststeht das es weder 2020, noch zu einem anderen Zeitpunkt z.B. einen Tesla „Autopilot“ mit Autonomiestufe 5 geben wird, dann wird auch die Darstellung in den Medien zu diesem Thema anders werden.

    Vielleicht hat die Politik in Deutschland Zugriff auf Expertenwissen, und ist daher zögerlich beim Verbrennen von Steuergeldern in Milliardenhöhe?

    Realistisch betrachtet macht es ja auch Sinn dieses Geld in die Felder zu investieren die unsere echten Probleme lösen können, wie z.B. eine völlige Neugestaltung der öffentlichen Verkehrsmittel, um den Verkehrskollaps in den Städten zu verhindern, und die weitere Erwärmung des Klimas auf der Erde einzugrenzen.

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