Banken müssen mehr zusammenarbeiten

Interview mit Dr. Dirk Vater, Bain & Company (1/2)

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Der Wettbewerb für deutsche Kreditinstitute wird zunehmend intensiver. Schmale Margen und hohe Kosten belasten die GuV. Wie Banken und Sparkassen darauf reagieren sollten, erläutert Dr. Dirk Vater von Bain & Company in einem exklusiven Interview.

Strategische Zusammenarbeit im Banking

Zusammenarbeit und Kooperationen sind zunehmend wichtige strategische Themen für Banken und Sparkassen.

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Kürzlich berichtete die Unternehmensberatung Bain & Company in ihrer jährlichen Studie zur Loyalität von Privatkunden, dass große Technologieunternehmen die Marktstellung traditioneller Banken zunehmend bedrohen. Der Analyse zufolge sei die Hälfte der deutschen Bankkunden bereit, Finanzprodukte von BigTechs kaufen.

Noch allerdings würden die Deutschen ihrer Hausbank mehr als jedem Technologieanbieter vertrauen. Die Banken müssten nun dagegenhalten und vor allem in Qualität investieren. Darüber, was dies für die Institute konkret bedeutet und welche Optionen sie wahrnehmen sollten, habe ich mich mit Dr. Dirk Vater von Bain & Company unterhalten.

Interview mit Dr. Dirk Vater, Partner, Bain & Company

Schon vor einem Jahr war Dirk Vater mein Gesprächspartner. Seinerzeit habe ich mit ihm über Vertrauen und Omnikanal als Schlüssel zum Erfolg im Retail-Banking gesprochen. Vater verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Beratung von Finanzdienstleistungsinstituten, leitet als Partner bei Bain & Company die Praxisgruppe Banken in der DACH-Region und koordiniert weltweit die Aktivitäten im Retail-Banking.

Dr. Dirk Vater, Bain & Company

Dr. Dirk Vater ist Partner bei Bain & Company in Frankfurt und leitet das Retail-Banking auf weltweiter Ebene.

Der Bank Blog: Wenn Sie die letzten beiden Jahre anschauen, welche drei Themen dominieren Ihre Beratungsprojekte?

Dirk Vater: Das mit großem Abstand wichtigste Thema ist die Digitalisierung der Geschäftsmodelle. Und das gilt nicht nur für alle Bereiche des Bankings, also Retail-, Wholesale- und Private-Banking, sondern auch für die internen Abläufe. An zweiter Stelle steht die Frage, wie Banken über die klassischen Cost-Cutting-Programme hinaus strukturell Kosten senken können. Das dritte Thema ist die Regulatorik. Wir untersuchen, welche Auswirkungen regulatorische Bestimmungen auf Geschäftsstrategien und das Gesamtportfolio einer Bank haben.

In den USA wurden die Folgen der Finanzkrise konsequenter beseitigt

Der Bank Blog: Lassen Sie uns über das hochaktuelle Thema Bankenstruktur sprechen. Woran liegt es, dass mehr als zehn Jahre nach der Finanzkrise Banken in den USA wieder hochprofitabel arbeiten, während die Institute hierzulande immer noch mit Nachwirkungen zu kämpfen scheinen?

Dirk Vater: Das hat drei Gründe. Zum einen ist der Markt in den USA per se deutlich profitabler als der in Deutschland. Das gilt für Provisionen ebenso wie für Zinserträge, die dort in allen Geschäftsfeldern erheblich höher sind als bei uns. Auf dieser soliden Basis können US-Institute in andere Geschäftsfelder oder Regionen expandieren. Zum anderen hat die US-Regierung bereits während der Finanzkrise sehr viel härter und konsequenter bei den Banken durchgegriffen, als dies in Deutschland der Fall war. Die systemrelevanten Institute standen bereits nach kurzer Zeit unter staatlicher Aufsicht und wurden mit den erforderlichen finanziellen Mitteln ausgestattet. Sie sollten schnell entlastet werden, um sich zügig regenerieren zu können. Und drittens agieren US-amerikanische Manager im Vergleich zu den deutschen mit mehr betriebswirtschaftlicher Konsequenz. Das liegt daran, dass Marktwirtschaft in den USA anders gesehen und gelebt wird. Und auch die Ausbildung an den dortigen Business Schools ist eine andere. 

Der Bank Blog: Lässt sich diese Konsequenz in den USA auch besser ausleben als bei uns?

Dirk Vater: Hierzulande wird politisch wie gesellschaftlich intensiv gerungen, wenn schwierige wirtschaftliche Maßnahmen ergriffen werden müssen. In den USA hingegen ist die allgemeine Akzeptanz dafür deutlich höher. Ein Beispiel: In Deutschland finden bei jeder Schließung einer Bankfiliale, ist sie auch noch so klein, intensive Diskussionen mit allen Stakeholdern statt. In den USA wird dies schlicht als Notwendigkeit hingenommen.

Banken müssen mehr kooperieren

Der Bank Blog: Im Automobilbereich haben gerade BMW und Mercedes eine enge Zusammenarbeit bei Carsharing und autonomem Fahren angekündigt. Lässt sich das auf die Finanzbranche übertragen?

Dirk Vater: Durchaus. Wer hätte noch vor wenigen Jahren gedacht, dass die beiden größten Konkurrenten in der Automobilbranche einmal so zusammenfinden. Ich sehe keinen Grund, warum solche Überlegungen nicht auch im Banking angestellt werden sollten.

Der Bank Blog: Welche Felder für eine Zusammenarbeit würden sich anbieten?

Dirk Vater: Die zentrale Frage ist – und das unabhängig vom Produkt oder Kundensegment –, wo echte Differenzierung erfolgen kann. Klare Antwort: bei der Kundenansprache und den angebotenen Dienstleistungen. Dagegen tragen nachgelagerte Prozesse wie Backoffice, Marktfolge, Kreditbearbeitung, IT-Systeme oder die Umsetzung von regulatorischen Anforderungen wenig oder gar nicht zur Differenzierung bei. Deshalb bieten sich diese für Kooperationen an. In der Wertpapierabwicklung und -verwahrung gibt es schon verschiedene Formen der Zusammenarbeit, um Kosten zu senken.

Der Bank Blog: Sehen Sie das auch als instituts- oder säulenübergreifende Option?

Dirk Vater: Definitiv. In unserem deutschen Drei-Säulen-System muss man sich durchaus fragen, ob nur innerhalb einer Bankengruppe optimiert werden kann und soll. Angesichts des zunehmenden Wettbewerbs mit den großen globalen Plattformen, die Millionen Kunden haben, erscheint mir eine säulenübergreifende Zusammenarbeit durchaus sinnvoll, um notwendige Skaleneffekte zu realisieren. Gerade weil die Profitabilität im deutschen Banking so niedrig ist, müssen wir deutlich weitergehen, um strukturell Kosten aus dem System zu nehmen.

Kundenorientierung setzt Qualität voraus

Der Bank Blog: Sie haben vor kurzem in einer spannenden Studie Qualität als entscheidenden Erfolgsfaktor im Privatkundengeschäft identifiziert. Was bedeutet dies konkret?

Dirk Vater: Die Fragen, die uns interessiert haben, waren: Was bedeutet Qualität aus Kundensicht? Wie wird Qualität vom Kunden wahrgenommen? Für viele Kunden hängt die Qualität der Bankbeziehung von der Qualität der Beratung ab, sei es im Wertpapiergeschäft, in der Vermögensverwaltung oder bei Auslandsaktivitäten im Firmenkundengeschäft. Seit der Finanzkrise kommt es vor allem im Firmenkundengeschäft auf die Bereitschaft der Banken an, einen Kunden auch in konjunkturell schwächeren Zeiten zu begleiten. Fehlerfreie Prozesse sind aus Kundensicht kein Qualitätsmerkmal, sondern eine notwendige Voraussetzung. Kunden erwarten, dass ihre Bank schnell und einwandfrei arbeitet.

Der Bank Blog: Die angesprochenen Themen sind ja nicht wirklich neu. Wir reden aktuell viel vom Zeitalter der Kundenzentrierung im Bankgeschäft. Daran wird allerdings schon seit über 30 Jahren gearbeitet. Warum tun sich die Institute so schwer damit?

Dirk Vater: (lacht) Das ist in der Tat eine sehr spannende Frage. Banken dürfen Kundenorientierung nicht nur in ihre Geschäftsberichte schreiben, sie müssen sie in ihre Geschäftsprozesse integrieren. Vor der Finanzkrise bedeutete Banking vor allem eine große Bilanz und transaktionale IT-Systeme. Damit konnten die Institute Geschäfte mit ihren Kunden machen, aber auch mit dem Kapitalmarkt und anderen Banken. Der Kunde stand nicht wirklich im Mittelpunkt. Er ist erst in den letzten Jahren ins Zentrum der Dienstleistung gerückt, angeschoben durch die Digitalisierung. Digitale Unternehmen haben den Banken vorgemacht, wie sie aus Kundensicht denken und handeln. Seitdem investieren die etablierten Institute enorme Summen in die Digitalisierung und versuchen, neue digitale Angebote zu entwickeln, die echten Kundennutzen haben. Noch tun sie sich aber schwer, in puncto Kundenorientierung und Nutzerfreundlichkeit mit den digitalen Angeboten der Fintechs mitzuhalten. Hinzu kommt, dass nur in wenigen Bankfilialen eine Offensive hin zu mehr Kundenorientierung stattfindet, trotz des neuen Wettbewerbs. Es gibt Ausnahmen, aber die meisten Filialen sind heute nicht kundenfreundlicher als früher. In der Branche ist ein Kulturwandel in Gang gekommen, doch große Veränderungen brauchen Zeit.

Der Bank Blog: Werden dafür denn die richtigen Steuerungsimpulse gesetzt?

Dirk Vater: Nicht in ausreichendem Maße. Bain ist Verfechter des Net Promoter Score (NPS) als Messgröße für Kundenloyalität und Kundenorientierung. In den USA dient der NPS vielen Banken als wichtige Standardsteuerungsgröße. Doch in Deutschland nutzen dieses System bisher nur wenige Institute konsequent.

Differenzierung setzt Positionierung voraus

Der Bank Blog: In einer gemeinsamen Untersuchung mit YouGov hat der Bank Blog vor kurzem festgestellt, dass für die Hälfte der Kunden kein erkennbarer Unterschied ihrer Hauptbank zu anderen Instituten besteht. Wie beurteilen Sie dies und was wäre Ihre Empfehlung für die Banken?

Dirk Vater: Das habe ich gelesen und kann die Ergebnisse nur bestätigen. Zu wenige Banken differenzieren sich deutlich im Markt, ihre Botschaften sind austauschbar. Es ist ein Fehler, es jedem Kundensegment recht machen zu wollen. Nur mit einer klaren Positionierung und der Fokussierung auf spezifische Kundensegmente sowie Leistungsangebote werden die deutschen Banken langfristig wieder wachsen können.

Der Bank Blog: Könnten Sie das an einem Beispiel verdeutlichen?

Dirk Vater: Viele Banken stellen den Preis in den Vordergrund. Es werden Versprechungen gemacht und Prämien ausgelobt. Kaum jemand wirbt jedoch mit herausragender Beratung in der Vermögensverwaltung oder Baufinanzierung. Für einen pointierteren Marktauftritt braucht es den Mut des Managements, neue Wege zu gehen.


Lesen Sie kommende Woche im zweiten Teil des Interviews u.a., was Dirk Vater zu digitalen Technologiewetten und zur Zukunft der Bankfiliale zu sagen hat.

Bank Blog Premium Leser können Sie das PDF mit dem kompletten Interview hier direkt herunterladen.

 

Über den Autor

Dr. Hansjörg Leichsenring

Dr. Hansjörg Leichsenring ist Herausgeber des Bank Blogs und der Finanzbranche seit über 30 Jahren beruflich verbunden. Nach Banklehre und Studium arbeitete er in verschiedenen Positionen, u.a. als Direktor bei der Deutschen Bank, als Vorstand einer Sparkasse und als Geschäftsführer eines Online Brokers. Als Experte für Strategien in den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Vertrieb ist er gefragter Referent und Moderator bei internen und externen Veranstaltungen im In- und Ausland.

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