Vier Fragen zur Bank der Zukunft

Szenarien für das Finanzsystem von morgen

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In der klassischen Science-Fiction-Literatur spielen Banken keine Rolle. Dennoch gibt es viele gute Gründe, über die Bank der Zukunft und deren Ausgestaltung nachzudenken. Vier zentrale Fragen spielen dabei eine wichtige Rolle.

Szenarien für das Finanzsystem von morgen

Szenarien für das Finanzsystem von morgen.

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Science Fiction-Autoren „erfinden“ die Zukunft der Menschheit, oft mit viel Liebe zum Detail. Doch Banking – wichtiger Aspekt unseres Lebens und der Zukunft – wird dabei systematisch vernachlässigt. Entweder fehlt den Autoren die Fantasie, das Finanzsystem der Zukunft zu erdenken, oder – und das halte ich für wahrscheinlicher – das Thema ist schlicht zu komplex für massentaugliche Unterhaltungsliteratur.

Das ist insofern bedauerlich, als das Finanzsystem dank Digitalisierung gerade jetzt einen Sprung in die Zukunft macht. In Ermangelung literarischer Anstöße müssen wir uns also selbst bemühen, ein paar Szenarien für die Bank der Zukunft zu entwickeln. Die folgenden vier Fragen sollen als Anregung für Diskussionen an den verschiedenen Finanzplätzen dienen:

  1. Gibt es in der Zukunft überhaupt noch Banken?
  2. Wenn ja, wie sieht die Bank der Zukunft aus?
  3. Was braucht sie zum Überleben?
  4. Wie regulieren wir die Bank der Zukunft?

1. Gibt es in der Zukunft überhaupt noch Banken?

Eine Welt ohne Banken liegt für manch einen durchaus im Bereich des zwar Künftigen, aber doch Möglichen – Science ohne Fiction sozusagen. Ausgangspunkt dieser Vision ist die Blockchain-Technologie. Darauf basierend basteln Entwickler schon seit ein paar Jahren an einem dezentralen Finanzsystem – Decentralised Finance, abgekürzt DeFi. Die Vision ist ein Finanzsystem, das ganz ohne Intermediäre auskommt – also auch ohne Banken.

Ein Finanzsystem ohne Banken wäre sicherlich revolutionär. Aber: Stand heute ist die DeFi-Welt von der Wirklichkeit der Kunden weitgehend abgekapselt; und damit fehlt ihr die Grundlage, um zum Finanzsystem der Zukunft zu werden. Das könnte sich dann ändern, wenn reale Vermögensgegenstände tokenisiert in dieses System eingespeist würden.

Aber kann DeFi überhaupt funktionieren? Hier fällt es schwer, eine seriöse Prognose abzugeben. Klar ist, dass es noch sehr viele offene Fragen gibt:

  • Technische Fragen: Können Blockchains skaliert werden?
  • Rechtliche Fragen: Wie handhaben wir auf Computercode basierende Verträge?
  • Regulatorische Fragen: Was sind eigentlich die Risiken und wer ist dafür zuständig, sie zu managen?
  • Politische Fragen: Wie können wir verhindern, dass ein dezentrales Finanzsystem zum Paradies für Kriminelle wird?

Und schließlich die Frage, die Agustín Carstens, der General Manager der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich kürzlich aufwarf: Wie demokratisch, liberal und dezentral wäre DeFi wirklich?

Die Banken mögen als Intermediäre wegfallen, aber es ist zu vermuten, dass auch DeFi nicht völlig dezentralisiert sein wird. Doch wer sitzt dann im Zentrum und steuert das Netzwerk?

Es ist also mehr als unsicher, ob sich das, was manche Aufseher im Moment noch als den „Wilden Westen“ bezeichnen, als eine sinnvolle Alternative zum traditionellen Finanzsystem etablieren kann. Wir haben es fraglos mit einer spannenden Reise zu tun, deren Richtung und Ziel aber noch recht offen scheinen.

2. Wer wird die Bank der Zukunft?

Aber selbst unter der Annahme, dass Intermediäre in der Zukunft weiterhin eine zentrale Rolle spielen werden, dürfen wir damit rechnen, dass sich der Finanzmarkt verändern wird. Die Digitalisierung hat das Tor zum Markt für neue Spieler geöffnet – und die Regulierung hat dabei ein wenig geholfen. PSD2 ist hierfür ein gutes Beispiel.

Gleichzeitig nutzen immer mehr Menschen digitale Finanzprodukte. Nach einer Umfrage des Bankenverbandes erledigt mittlerweile mehr als die Hälfte der Menschen ihre Bankgeschäfte hauptsächlich online. All das führt zur zweiten Frage: Welcher dieser Spieler wird die Bank der Zukunft?

FinTechs im Finanzsystem der Zukunft

Was vielen hier als erstes in den Sinn kommt, sind FinTechs. Und in der Tat wächst der Sektor wieder sehr schnell. Im vergangenen Jahr wurden mehr als drei Milliarden Euro in den deutschen FinTech-Sektor investiert – das ist doppelt so viel wie im bisherigen Rekordjahr 2019. Mittlerweile zählen wir mehr als 1.000 FinTech Start-Ups im deutschen Markt. Das ist beeindruckend!

Allerdings: Die These, dass FinTechs innerhalb kürzester Zeit die etablierten Banken verdrängen würden, hat sich bisher nicht bewahrheitet. Um es mit Mark Twain zu sagen: Berichte vom Tod der Banken sind stark übertrieben. Zudem sind FinTechs nicht mehr die einzigen neuen Spieler auf dem Markt. Daneben finden wir unter anderem hoch-digitalisierte traditionelle Banken, die so genannten Neobanken oder die allgegenwärtigen BigTechs.

Ein Netzwerk für das Finanzsystem der Zukunft

Das Finanzsystem der Zukunft wird sicherlich modularer. Zwar wird es vermutlich nicht zu dem Legobaukasten werden, den die DeFi-Enthusiasten sich erträumen, aber wir werden deutlich seltener sehen, dass ein einziges Unternehmen die komplette Wertschöpfungskette abdeckt. Insofern ist die Bank der Zukunft möglicherweise ein Netzwerk aus mehreren kleinen Unternehmen, die sich auf verschiedene Teile der Wertschöpfungskette spezialisieren. Im Ansatz sehen wir das ja schon jetzt.

BigTechs im Finanzsystem der Zukunft

Den unsicheren Faktor hier stellen die BigTechs dar. Denn die sind in einer guten Position, sehr schnell sehr groß zu werden – so sie denn einen Appetit für das im Moment eher margen-arme Bankgeschäft entwickeln. Und noch etwas trifft zu: BigTechs müssen Finanzdienstleistungen gar nicht als primäres Geschäftsmodell sehen. Das Finanzdienstleistungs-Geschäft dient dann nur dazu, Kunden zu binden und Daten zu generieren. Ihre Erträge erwirtschaften sie anderswo, und wären damit Banken gegenüber klar im Vorteil.

Plattformen im Finanzsystem der Zukunft

Das Finanzsystem könnte also nicht nur mit Blick auf die Wertschöpfungskette modularer werden. Die Bankprodukte selbst könnten einzeln aus der Bank herausgelöst und in andere Anwendungen oder Plattformen integriert werden: Embedded Finance. Für die Existenz von Banken wird es also entscheidend sein, ob Finanztransaktionen künftig auf diesen Plattformen und Anwendungen stattfinden oder weiterhin in der Bank verankert sind. Dieses Rennen ist aus meiner Sicht noch völlig offen.

3 Was braucht die Bank der Zukunft?

Wer über die Bank der Zukunft grübelt, denkt vermutlich vor allem an eine digitalisierte, möglicherweise sogar virtualisierte Bank. Als Beispiel mag die Vision des Metaverse gelten, einer vollständigen virtuellen Welt. Und in der Tat, Technologie ist die Ecke, aus der heraus sich das Bankgeschäft am stärksten verändert. Die neuen Spieler im Markt sind in der Regel hochtechnisierte Unternehmen – nicht selten sind IT-Spezialisten die treibende Kraft.

Dabei ist mit ganz neuen „Ermöglichungstechnologien“, mit Enablern zu rechnen. Clouds, APIs als Schnittstellen, Künstliche Intelligenz bis hin zu Quantencomputern – um alle Buzzwords einmal genannt zu haben – eröffnen völlig neue Möglichkeiten für Produkte, Prozesse und Analysen. Digitalisierung, kommend von der Customer Experience, erobert Schritt für Schritt den gesamten Maschinenraum der Bank – und im Übrigen auch die Bankenaufsicht.

Technologie ist nicht alles

Aber auch wenn Technologie wichtig ist, bedeutet sie nicht alles. Wer sich im Bankenmarkt behaupten will, muss auch etwas vom Bankgeschäft verstehen: von Betriebswirtschaft, von Risikomanagement und – nicht zuletzt – von Regulierung. Diese Dinge zugunsten technischer Expertise zu vernachlässigen, kann langfristig zu Problemen führen.

Auch FinTechs und Neobanken brauchen erfahrene Banker in ihren Reihen, vor allem dann, wenn sie ihr Sortiment erweitern wollen. Denn auch wenn die Bank der Zukunft digitaler sein dürfte, heißt das nicht, dass nur noch digitale Kompetenzen gefragt sind.

Langfristig geht es um eine tragfähige Symbiose aus neuen Technologien und klassischem Bankgeschäft. Und genau das beobachten wir auch jetzt schon: Sowohl in den bestehenden Banken wie auch in der Kooperation mit FinTechs. Letztere übernehmen typischerweise nur einen Ausschnitt des Bankgeschäfts; für alles Weitere kooperieren sie häufig mit etablierten Banken. Das Herz des Bankgeschäfts schlägt weiter in den Banken – Banken sind es, die Anbieter von Geld mit Nachfragern nach Geld zusammenbringen.

4. Wie regulieren wir die Bank der Zukunft?

Innovationen sind für Regulierer aus vielen Gründen eine Herausforderung:

  • Erstens müssen wir möglichst rasch Expertise aufbauen – in diesem Fall technologische Expertise.
  • Zweitens stellt sich bei Innovationen oft erst im Laufe der Zeit heraus, wohin sie führen.
  • Und drittens ist der Nutzen von Innovationen oft direkt erlebbar, während die Risiken sich erst über die Zeit aufbauen.

Die Aufgabe von Regulierern ist es also, Wasser in den Wein zu schütten, bevor alle betrunken sind – das gefällt natürlich nicht jeder und jedem.

Risiken von Innovationen begrenzen

Die Aufgabe ist nicht einfach, muss aber erledigt werden, und zwar möglichst frühzeitig. Wir sollten innovative Entwicklungen von Beginn an und Schritt für Schritt begleiten. Nur so können wir von vornherein die Risiken von Innovationen einhegen und künftige Krisen verhindern. Und nur so können wir von Anfang an einen regulatorischen Rahmen bauen, der auch wirklich passt. Dabei sind wir natürlich technologie-neutral – sofern die jeweiligen Risiken angemessen gesteuert werden. Und die Risiken hängen naturgemäß von der Technologie ab: Wenn ein Mensch Kredite prüft, birgt das andere Risiken, als wenn ein Algorithmus dasselbe tut. Das müssen wir berücksichtigen.

Regulierer weltweit haben in der Tat schon damit begonnen, sich der Digitalisierung zu widmen. Beispiele hierfür sind etwa  MiCA und DORA in Europa oder die jüngsten Arbeiten des Baseler Ausschusses zu Krypto-Assets. Es ist erfreulich, dass wir die relevanten Debatten wieder auf internationaler Ebene führen. Aber mit Blick auf die Digitalisierung gibt es noch eine weitere Dimension: Nachdem mit der Globalisierung Finanzsysteme über Ländergrenzen hinweg zusammengewachsen sind, verschmelzen sie jetzt mit anderen Sektoren – Stichworte sind BigTech, Social Media und „Embedded Finance“. Es wird also immer wichtiger, dass Regulierer nicht nur über Ländergrenzen hinweg zusammenarbeiten, sondern auch über Sektorgrenzen.

Aber bei aller Notwendigkeit, sich regulatorisch mit der Digitalisierung auseinanderzusetzen, profitieren wir Regulierer und Aufseher natürlich auch selbst davon. Auch wir können Big Data und Machine Learning nutzen, um Risiken früher zu erkennen und besser einzuhegen. Allerdings gilt auch hier: Technik allein ist kein Allheilmittel; sie ergänzt die Erfahrung und das Wissen von Menschen.

Realwirtschaft im Fokus des Finanzsystems

Das Finanzsystem, wie digital es auch immer sei, bildet das Rückgrat jeder Volkswirtschaft und ist damit wichtig für die ganze Gesellschaft. Das gilt nicht zuletzt für die nächsten 20 – 30 Jahre der digitalen und CO2-mindernden Transformation. Die Frage nach der Bank der Zukunft hat damit eine hochpolitische und gesellschaftliche Dimension, die wir immer mitdenken müssen – Banken ebenso wie Regulierer und Aufseher, und vielleicht ja sogar Science-Fiction-Autoren.

Denn egal ob Bank der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft, die Aufgabe ist immer dieselbe. Es geht darum, die Realwirtschaft zuverlässig zu finanzieren – und das möglichst ohne Schieflagen, Krisen oder operative Störungen. Daran wird sich auch in der Zukunft nichts ändern.

Was sich aber auftut sind gigantische technologische Potenziale, und wenn wir gemeinsam alles richtigmachen, liegt hier die große Chance, das Finanzsystem nicht nur erheblich effizienter zu machen, sondern auch fundamental stabiler. Darauf arbeiten wir als Bundesbank, von jeher der Stabilität verpflichtet, mit aller Kraft hin.

Über den Autor

Prof. Dr. Joachim Wuermeling

Prof. Dr. Joachim Wuermeling ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, zuständig für die Ressorts Banken und Finanzaufsicht, Informationstechnologie und Risiko-Controlling. Zuvor war er in verschiedenen leitenden Funktionen in der Finanz- und Versicherungswirtschaft sowie in der Politik tätig. Bis zu seinem Wechsel zur Bundesbank war der gelernte Jurist seit 2011 Vorsitzender des Vorstands des Verbands der Sparda-Banken.

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