Schläft der Chef schon?

Präsenzkultur im digitalen Zeitalter

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Zeitunglesen zwischen 18:00 und 20:00 Uhr, falls der Chef doch noch mal am Büro verbeikommt. Präsenzkultur galt einigen lange Zeit als Schlüssel zur Karriere. Doch wie sieht das im digitalen Zeitalter bei einer 7/24 Erreichbarkeit aus?

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Albert wurde vom Piepsen des Weckers unsanft aus dem besten aller Träume gerissen. Dort, im Schlaf des Gerechten sozusagen, dort hatte er es schon geschafft. Da lag ihm der ganze Vorstand zu Füßen. Ihm, dem Unersetzbaren, dem Fleißigen, dem Trickreichen. Seine Karriere war auf Schiene, seine Feinde mieden furchtsam seinen harten Blick und er verdiente, das wurde er auch Traum nicht müde zu betonen, endlich eine Mörderkohle. Das ist das gute an den REM-Schlafphasen: man erinnert sich an jede Kleinigkeit des Traumes.

23:47 Uhr: Zeit für eine Demonstration von Arbeitseifer

Noch etwas tapsig griff er nach seinem Smartphone und stellte die Weckfunktion ab. Seine Frau wollte er wegen der Nebensächlichkeit, die gleich folgen sollte, ja doch nicht wecken.

Das partnerfreundlich gedimmte Display zeigte 23:47 Uhr. Die ideale Zeit, um aktiv zu werden. Er hatte es auch schon einmal um 0:53 Uhr probiert, aber das wirkte dann doch etwas protzig. Vielleicht sogar unglaubwürdig. Und das wollte er auf jeden Fall vermeiden. Ein paar Minuten vor Mitternacht, das war die perfekte Zeit.

Mit einem Schmunzeln erinnerte er sich an seine Anfänge. Damals, im prä-digitalen Zeitalter, als man noch Aktenvermerke schrieb und der eine oder andere Herrenwitz die anwesenden Damen der Abteilung erröten ließ, ohne dass sich jemand darüber mokierte. Ja, damals war das Karrieremachen noch viel komplizierter. Mühsam musste er sich das Vertrauen der Chefsekretärinnen erschleichen, um von ihnen den einen oder anderen wertvollen Tipp zu bekommen.

Spät am Abend im Büro

Wann war der Boss spätabends noch im Büro? Wann würde dessen voller Terminkalender ein paar freie Minuten aufweisen, um einer jungen, aufstrebenden Führungskraft das Ohr zu leihen? Wann würde der Chef seine legendären Runden spätabends durch die Bank drehen, und die noch anwesenden fleißigen Arbeitsbienen zu einem jovialen Gläschen aus seiner Bürobar einladen?

Präsenzkultur = Karriere dank später Anwesenheit im Büro

Zur Präsenzkultur in vielen Unternehmen gehörte es, dank später Anwesenheit im Büro die Karriere zu fördern.

Albert wusste die Antworten und war immer zur Stelle. Des nächtens, wenn die meisten Kolleginnen und Kollegen schon gegangen waren, saß er in seinem Kämmerchen, die Türe zum Gang weit und einladend geöffnet und bereit, vom Top-Management entdeckt zu werden.

Mit Schaudern dachte er an diese mühsamen Tage (beziehungsweise Nächte) zurück, in denen er nicht auf Knopfdruck zeigen konnte, wie hart er für die Bank arbeitete. Wie oft hatte er damals die Nacht über das Licht in seinem Büro brennen lassen müssen, um allen zu beweisen, dass er – und nur er – die Stellung hielt? Natürlich rief seine umfassende physische Präsenz auch Neider auf den Plan. Missgünstige setzten das Gerücht in Umlauf, dass er unglaublich langsam arbeiten würde. Deswegen würde er bis spät abends brauchen, um das Tagessoll zu erfüllen. Diese Kleingeister.

Digitale Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit

Aber jetzt: jetzt gab es E-Mails und Handys und die Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit. Es war großartig. Man musste nur ein paar Buchstaben eintippen, den geeigneten Verteiler wählen, auf „Senden“ drücken und schon konnte man eine Rundmail an das Top-Management schicken.

Egal von wo, egal wann.

Albert wählte mit Bedacht aus dem Entwürfe-Ordner ein wohlformuliertes, fast an ein Essay gemahnendes Memo, welches er am Nachmittag zu einem brandaktuellen Thema verfasst hatte. Zwei oder drei kunstvoll eingefügte Rechtschreibfehler sollten den Empfängern zeigen, dass er, trotzdem er offensichtlich schon fast die Leistungs- und Aufmerksamkeitsgrenze erreicht hatte, nicht müde wurde, sich für die Bank aufzuopfern. Alberts Schreibstil war fordernd, ja vielleicht ein klein wenig zu aggressiv, aber wer sich so spät abends noch abrackerte, der konnte wohl auch erwarten, dass man ihm die eine oder andere Spitze nachsehen würde.

Es war 23:48 Uhr, als er auf „Senden“ drückte. Albert legte das Smartphone beiseite und kuschelte sich zurück ins warme Bett. Zwar würde es ein paar Minuten dauern, bis er endlich wieder schlafen könnte, doch das musste einem die wohlverdiente Karriere schon wert sein.

Schön, wenn sich harte Arbeit auch lohnt.

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Über den Autor

Michel Lemont

Michel Lemont ist seit mehr als 35 Jahren in Bankenwesen tätig. Er war in verschiedenen Bereichen der Finanzindustrie tätig, unter anderem im Vertrieb, im Marketing und zuletzt im Umfeld des Zahlungsverkehrs. In seinen Aufgabenbereich fallen unter anderem regulatorische Themen, das Management von Zahlungsverkehrs-Infrastrukturen sowie die Arbeit in nationalen und internationalen Gremien im Bereich Payments. Ein besonderes Anliegen sind ihm Innovationen im Bankenbereich und das "Querdenken". Michel Lemont ist Autor des Buches „Bankers have more fun“ und betrachtet das Bankwesen gerne von der humoristischen Seite. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.

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