Libra – Freiheit aus Silicon Valley?

Wie gewinnorientierte Unternehmen versuchen, die Welt zu retten

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Facebook plant Libra als eine digitale Währung, die Menschen in Schwellenländern einfache Bezahlmöglichkeiten bieten soll. Das Unternehmen wirbt mit einem Zusammenschluss der einflussreichsten Unternehmen der Welt und zwei Milliarden potenzielle Nutzern. Reicht das aus?

Die 21 Gründungsmitglieder der Libra Association sowie die kurz vor Gründung ausgestiegenen

Von den ursprünglich 29 Gründungsmitgliedern der Libra Association sind 21 übrig geblieben, die das Netzwerk betreiben und sichern werden.

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Nachdem Facebook das Vertrauen ihrer Nutzer mehrfach verspielt hat, ist es nicht verwunderlich, dass ihr neues Projekt auf eine Technologie setzt, die als trustless bezeichnet wird: Libra, eine globale Währung, die auf Blockchain basiert. Und damit gar keine Zweifel entstehen, verwaltet Facebook die Blockchain nicht selbst, sondern als Teil eines Zusammenschlusses von weltweit einflussreichen, vertrauensvollen und umsatzstarken Unternehmen (z.B. Ebay, Mastercard und Visa).

Da es sich jedoch um eine geschlossene (permissioned) Blockchain handelt, dürfen erstmal nur Unternehmen und Institutionen teilnehmen, die bestimmte Bedingungen erfüllen. Im Libra-Whitepaper heißt es, dass eine Umstellung auf eine offene Blockchain in den nächsten fünf Jahren vorgesehen ist, jedoch ist diese Umstellung nicht auf Code-Ebene festgehalten, sondern es müsste ein entsprechendes Update vom Libra-Rat initiiert werden.

Libra konkurriert nicht mit Bitcoin, sondern mit Banken

Der Bitcoin-Experte Andreas Antonopoulos hat fünf Kriterien für eine offene Blockchain definiert:

Sie muss

  1. öffentlich,
  2. offen,
  3. grenzenlos,
  4. zensurresistent und
  5. neutral sein.

Libra erfüllt keines dieser Kriterien. Nur Mitglieder der Libra Association dürfen Transaktionen validieren und um Teil der Association zu werden, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein, welche praktisch fast nur Fortune 500 Unternehmen erfüllen. Hinzu kommt, dass die Libra Association ihren Sitz in der Schweiz hat, womit sie nicht grenzenlos ist und sich an die lokalen Gesetze halten muss, weshalb sie weder zensurresistent noch offen respektive neutral sein kann.

Ein solcher Zusammenschluss von ausgewählten Unternehmen, welche sich gegenseitig nicht vollständig vertrauen, aber nach außen hin volles Vertrauen verlangen, ist nichts anderes als eine Bank und unterliegt damit auch allen nationalen und internationalen Regularien für Banken. Deswegen ist es richtig zu sagen, dass Libra keine Kryptowährung, sondern eine digitale Währung ist, beherrscht von einigen, wenigen Unternehmen.

Libra bietet keine Lösung für das Skalierungsproblem

Bitcoin ist für alle zugänglich. Jede/r kann sich die Bitcoin-Software kostenlos downloaden und am Netzwerk als sogenannte Node teilnehmen. Dieses System funktioniert, mittlerweile sehr zuverlässig, seit über zehn Jahren. Und doch gibt es regelmäßig neue Blockchains, die Bitcoin verbessern oder komplett ablösen möchten.

Die größte Neuerung, die 2015 mit Ethereum eingeführt wurde, war die Idee einer programmierbaren Blockchain. Eine Art weltweit verteilter Computer, der beliebige Programme (Smart Contracts) ausführen kann. Dieser erste Weltcomputer hat jedoch ein großes Problem: Er ist sehr langsam. Spätestens seitdem gilt die Skalierbarkeit von Blockchains als eines der Hauptprobleme, das noch kein Projekt vollständig gelöst hat.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Existenzberechtigung für die Libra-Blockchain, denn sie löst das Skalierungsproblem nicht. Im Whitepaper wird davon ausgegangen, dass anfangs ca. 1000 Transaktionen (Zahlungen) pro Sekunde möglich sind. Da die Libra-Blockchain aber auch Smart Contracts unterstützt, wird diese Geschwindigkeit im Live-Betrieb vermutlich nicht erreicht. Selbst wenn sie die Geschwindigkeit erreichen würde, ist sie noch immer langsamer als bereits bestehende Projekte (z.B. EOS) und nicht schnell genug, um Millionen Nutzer eine zuverlässige und günstige Infrastruktur zum Bezahlen anzubieten.

Warum benutzt Libra keine bestehende Blockchain?

Wenn man sich die Gründungsmitglieder der Libra Association ansieht, u.a. PayPal und Visa, stellt sich zunächst die Frage, warum diese Unternehmen überhaupt an Blockchain interessiert sind. Der Einfluss des Einzelnen wird hier klar geschwächt. Aber der Zusammenschluss bietet auch neue Möglichkeiten, denn eine private Währung oder Infrastruktur, von einem einzelnen Unternehmen, für Nutzer aus der ganzen Welt würde kaum akzeptiert werden. Ein Zusammenschluss bringt hier das nötige Vertrauen. Zudem setzt der Netzwerkeffekt ein: Je mehr Teilnehmer dieselbe Plattform nutzen, desto schwerer ist es für Angreifer von außen Nutzer abzuziehen.

Aber einen neuen Stablecoin hätte man auch, wie Libra, auf einer anderen Blockchain, wie Ethereum, planen können. Bei genauerer Betrachtung des Libra-Projekts wird klar, dass es hier nicht nur darum geht eine neue Währung zu entwickeln (Libra), sondern besonders darum, eine neue Infrastruktur zu gestalten und deshalb wurde keine bestehende Blockchain gewählt.

Die teilnehmenden Unternehmen möchten diese neue Infrastruktur mitgestalten und das natürlich möglichst zu ihrem eigenen Vorteil. Frei nach dem Silicon Valley Motto: Wer die Zukunft kontrollieren will, muss sie bauen. Und das geht am Besten, wenn eine neue Blockchain gebaut wird, welche die eigenen Ziele optimal umsetzt.

Währung, Infrastruktur, Ökosystem und Technologie

Die Libra-Blockchain unterscheidet sich grundlegend von anderen Smart-Contract-Blockchains. Während Blockchains wie Ethereum  Coins (Ether) und Tokens (z.B. USDC) klar voneinander differenzieren, können bei Libra auf der Ebene der Programmiersprache (Move) Assets abgebildet werden. Das heißt, dass der Libra-Coin selbst technisch gesehen keine Sonderstellung einnimmt, sondern nur ein Asset unter anderen ist. Selbst, wenn der Libra-Coin keine weite Verbreitung findet, besteht also noch immer die Möglichkeit, dass andere Assets die Libra-Infrastruktur nutzen könnten (z.B. ein digitaler Euro). Länder, Institutionen, Unternehmen und sogar Privatpersonen können also ihre eigenen Währungen und Assets mit eigenen Regeln entwickeln und vom Libra-Ökosystem profitieren.

Und da der Libra-Core unter der Apache-Lizenz Version 2 veröffentlicht wurde, kann jeder den Libra-Core Code anpassen und für andere, kommerzielle, Projekte nutzen, ohne den Code erneut öffentlich machen zu müssen. Wenn Libra scheitern sollte, bleibt also immer noch der Source Code und damit die Technologie für diese Blockchain.

Massenadaption durch ausgezeichnete User Experience

Es bleibt die Frage, warum Unternehmen und private Nutzer anfangen sollten, Libra zu verwenden. Das Libra-Projekt nennt dazu drei beeindruckende Argumente, die in dieser Konstellation, bisher noch kein Projekt vorweisen kann:

  1. Fast zwei Milliarden potenzielle Nutzer,
  2. einen Zusammenschluss der einflussreichsten Unternehmen der Welt und
  3. die Integration in bestehende Dienste (WhatsApp/Facebook Messenger).

Besonders der letzte Punkt, die User Experience, gilt als ein weiterer Hauptgrund, warum Blockchain noch keine Massenadaption erfahren hat. Dienste wie PayPal haben sich unter Anderem deshalb durchgesetzt, weil sie eine einfache Benutzererfahrung bieten. Deshalb hat sich Calibra, ein neues Tochterunternehmen von Facebook, zur Aufgabe gemacht, eine App (Wallet) zu entwickeln, die das Verschicken von Geld so einfach wie das Verschicken einer Chatnachricht macht.

Calibra-Wallet ist eine einfache, intuitive App zum Geldversand

Die Calibra-Wallet ist eine einfache, intuitive App, um Geld zu verschicken und zu empfangen.

Erst ist es bequem und dann alternativlos

Selbst wenn sich Länder wie Deutschland und Frankreich Libra gegenüber ablehnend positionieren, wird sich am Ende das durchsetzen, was technisch möglich, legal und bequem ist. Für die Verbraucher zählt ein einfaches, nutzerfreundliches Bezahlsystem. Auf welcher Infrastruktur dieses am Ende basiert, ist für die meisten Verbraucher irrelevant. Es wird jedoch dann bedenklich, wenn es keine Alternative mehr gibt. Denn diese Infrastruktur wird ganz klar von einem Gewinninteresse geleitet. Und für manche Menschen aus Dritte-Welt-Ländern könnte es die einzige Infrastruktur sein, die ihnen überhaupt zur Verfügung steht.

Über den Autor

Albert Peci

Albert Peci ist CTO bei Blockchance. Er hat Kulturwissenschaften und Wirtschaftsinformatik studiert und beschäftigt sich in Vorträgen und als Entwickler mit den Schnittstellen von Gesellschaft, Kunst, Wirtschaft und Blockchain-Technologie. Parallel schreibt er an einem Roman über Satoshi Nakamoto, um die Möglichkeiten der Blockchain-Technologie in der Fiktion zu erforschen und für ein breites Publikum erfahrbar zu machen.

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