„Grüne“ Risiken erfolgreich steuern!

Herausforderungen von Nachhaltigkeit für Banken

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Nachhaltigkeit ist eine große Chance für die Kreditwirtschaft, denn Banken und Sparkassen sind die Finanzierer der Transformation hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft. Aber „grüne“ Risiken brauchen ein gutes Management.

Banken und Sparkassen müssen Nachhaltigkeitsrisiken steuern

Nachhaltigkeitsrisiken benötigen gutes Management.

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Geier Sturzflug landete als Band der Neuen Deutschen Welle 1983 einen Hit: „Besuchen Sie Europa (solange es noch steht)“. Damals waren militärische Konflikte und Aufrüstung die großen Sorgen der Menschen. Heute ist es der Klimawandel: Stürme, Überschwemmungen und Hitzewellen bedrohen uns Menschen und die Wirtschaft.

Wir haben bereits begonnen, uns in Richtung einer nachhaltigeren Wirtschaft zu bewegen. Aber wie finanzieren wir das? Im Bereich Sustainable Finance sind allein in diesem Jahr zwei politische Strategien verabschiedet worden – eine von der Bundesregierung und eine von der EU-Kommission. Banken sind dabei ausdrücklich gefragt. Ihre Rolle bei der grünen Transformation wird auch in den Strategien betont.

Klimarisiken sind komplex

Als Bankenaufseher freue ich mich über die Schritte in Richtung Nachhaltigkeit, dennoch schaue ich natürlich vor allem auf eines: die Risiken. Risiken ergeben sich nicht nur aus den Folgen des Klimawandels selbst, sondern auch aus dem Wandel hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft. Klimarisiken liegen eher außerhalb der Komfortzone der meisten Risikomanager in den Kreditinstituten – die Datengrundlage ist dürftig, die Risiken sind komplex und sehr langfristig. Das BaFin-Merkblatt vom Dezember 2019 und der EZB-Leitfaden vom Dezember 2020 helfen, den Weg für Risikomanager zu ebnen. Das geht nicht von heute auf morgen. Aber wir erwarten kontinuierliche Schritte.

Aufsicht und Risikomanagement

In unseren Aufsichtsgesprächen mit den Banken und Sparkassen sprechen wir Klimarisiken an und fragen, wie diese im Risikomanagement berücksichtigt werden. Im LSI-Stresstest 2022 werden wir als Bankenaufsicht den kleinen und mittleren Instituten qualitative Fragen zu klimabezogenen Risiken stellen. Zudem arbeiten wir an einem Klimarisikostresstest für deutsche Banken, der „top-down“ durchgeführt wird, also auf Grundlage von aufsichtlichen Meldedaten sowie öffentlich verfügbaren Informationen und damit ohne Mehraufwand für die Institute. Mittelfristiges Ziel sollte aber sein, Klimarisiken wie jeden anderen Risikotreiber in die internen Prozesse und in die gesamte Banksteuerung zu integrieren.

Grün bedeutet nicht frei von Risiken

Aber es muss sorgfältig differenziert werden. Nur weil eine Investition „grün“ ist, heißt das noch lange nicht, dass sie risikoarm oder gar risikofrei ist. Umgekehrt gilt das für „braune“ Investitionen – sie sind nicht automatisch am riskantesten. Wie so oft müssen wir genau hinschauen; die Entscheidung über Kredite und Investitionen liegt dabei natürlich weiterhin bei den Banken. Wir werden auf keinen Fall fordern, ab sofort nur noch Kredite für grüne Wirtschaftsaktivitäten zu gewähren. Das steigende Marktvolumen grüner Finanzierungen ist zwar erfreulich. Aber da nicht jeder Bereich der Wirtschaft gleichermaßen „grün“ werden kann, dürfen auch die Finanzquellen für andere Investitionen nicht austrocknen – etwa mit Blick auf das klassische Handwerk oder das Gewerbe.

Differenzierter Blick innerhalb der Sektoren

Es ist davon auszugehen, dass Branchen mit einem sehr klimaschädlichen Geschäftsmodell durchschnittlich stärker von Transitionsrisiken betroffen sind – Energie und Verkehr sind zwei prominente Beispiele. Denn politische Maßnahmen, beispielsweise zur Verteuerung des CO2-Ausstoßes, treffen diese Unternehmen besonders hart. Allerdings kann der Blick auf ganze Branchen trügen: Es gibt erhebliche Schwankungen zwischen den Emissionen einzelner Firmen eines Sektors. Selbst in karbonintensiven Branchen wie Stahl und Beton existieren grüne Geschäftsmodelle. Zudem könnte eine rein sektorale Analyse das tatsächliche Emissionsniveau in den Wertschöpfungsketten der Unternehmen unterschätzen.

Auch spielt nicht nur die aktuelle Nachhaltigkeitsbewertung eine Rolle. Es kommt vor allem auf die Transformationsfähigkeit an: Hat das Unternehmen eine glaubwürdige Perspektive bei einer Transformation der Wirtschaft? Sind dem Management die politischen und technologischen Risiken bewusst? Wie ist das Unternehmen im brancheninternen Quervergleich aufgestellt? Unternehmen bestimmter Branchen sollten nicht über einen Kamm geschoren werden.

Grüne Investitionen attraktiver machen

Das gilt natürlich auch für „grüne“ Firmen, die ebenfalls Risiken ausgesetzt sind, wenn sie beispielsweise auf falsche Technologien setzen. Solange nicht nachgewiesen ist, dass „grüne“ Aktiva generell ein besseres Risikoprofil haben als „braune“, lehne ich eine regulatorische Bevorzugung „grüner“ Aktiva ab. Das heißt nicht, dass es nicht auf anderen Wegen politische Anreize geben kann, „grüne“ Investitionen attraktiver zu machen. Aber hier sind nicht Bankenregulierer und -aufseher gefragt, sondern die Politik. Die EU-Taxonomie ist ein gutes Beispiel. Gleichzeitig muss sich die Realwirtschaft bewegen: Kreditnehmer sollen und müssen sich mit Klimarisiken beschäftigen und diese einschätzen können. Offenlegung ist dabei ein wichtiger Schritt.

Aber der bankaufsichtliche Risikoblick soll nicht den positiven Ausblick trüben: Auf dem Weg hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft liegen große Chancen für das Kreditgeschäft. Banken sollten diese Chancen ausloten, Trends in der Wirtschaft analysieren und neue Geschäftsfelder erschließen. In diesem Sinne wünsche ich der Finanzbranche ein „grünes“ Händchen für Differenzierungsvermögen, Risikomanagement und neues Kreditgeschäft! Um es mit Geier Sturzflug auszudrücken: „Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt!“


Der Beitrag erschien ursprünglich als Teil des Jahrbuchs 2021/22 des Vereins Finanzplatz Hamburg e.V.. Das Jahrbuch können Sie hier direkt herunterladen.

Über den Autor

Prof. Dr. Joachim Wuermeling

Prof. Dr. Joachim Wuermeling ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, zuständig für die Ressorts Banken und Finanzaufsicht, Informationstechnologie und Risiko-Controlling. Zuvor war er in verschiedenen leitenden Funktionen in der Finanz- und Versicherungswirtschaft sowie in der Politik tätig. Bis zu seinem Wechsel zur Bundesbank war der gelernte Jurist seit 2011 Vorsitzender des Vorstands des Verbands der Sparda-Banken.

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