Ein Rüsseltier als neues Einhorn

Ist die Aufregung um das neue soziale Netzwerk Mastodon gerechtfertigt?

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Dank Donald Trump ist Twitter in aller Munde. Im Guten wie im Schlechten findet sich eines der Urgesteine der Social Media Area in den Schlagzeilen wieder. Aktuell jedoch melden sich viele User bei der an Twitter angelehnten neuen Plattform Mastodon an. Hat sie eine Chance den Zustrom zu verstetigen oder wird sie sich in die Reihe der One-Hit-Wonder einreihen und wieder verschwinden?

Mastodon Social Media

Das neue soziale Netzwerk Mastodon

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In den letzten Wochen tauchen mehr und mehr Beiträge zu einem neuen Social Media Netzwerk auf. Die an Twitter angelehnte Plattform Mastodon verzeichnet eine wahren Run und hat deswegen vorübergehend sogar die Registrierung geschlossen. Doch was ist dran an dem neuen Social Media Angebot?

Wer oder was ist ist Mastodon?

Eine generelle Aussage ist etwas schwierig. Vom Ursprung her bezieht sich der Name auf ein ausgestorbenes Rüsseltier der Gattung Mammut. Das amerikanische Mastodon, welches bis vor 9.000 bis 12.000 Jahren in Nordamerika lebte, war ein sehr erfolgreicher Vertreter dieser alten Elefanten-Familie. Seit dem Jahre 2000 gibt es auch eine Metalband aus Altanta (Georgia) mit gleichem Namen. Wahrscheinlich gibt es noch viele andere Träger dieses kraftvollen Namens. Doch in diesem Artikel geht es um ein neues Social Media Netzwerk, welches aktuell gehypt wird. Das neue Netzwerk Mastodon wird bereits als der neue Twitter Herausforderer gehandelt. Und die mediale Aufmerksamkeit ist schon beachtlich.

Das folgende Video stellt das Nutzungserlebnis von Mastodon dar:

Was ist an Mastodon denn besonders?

Vor etwas mehr als einem halben Jahr startete der gerade einmal 24-jährige Eugen Rochko aus Deutschland sein eigenes Social Media Netzwerk, weil er genervt war von Twitter & Co. Hat er einen guten Job gemacht?

Mastodon ist werbefrei und soll es auch bleiben. Das macht den Nachrichtenstrom schon übersichtlicher. Auch sind 500 statt der 140 Zeichen bei Twitter für einen Toot, der etwas eigenwillig als Trööt ins Deutsche übersetzt wurde, schon eine komfortable Länge für einen Beitrag.

Positiv im Vergleich zu Twitter ist ferner, dass die Privatsphäre Regeln eher an den Einstellungen bei Facebook angelehnt sind. Damit lässt sich die Sichtbarkeit der eigenen Beiträge sehr gut steuern. Es gibt noch weitere Formatabweichungen zum gefiederten Vorbild, aber das geht mir etwas zu weit ins Detail.

Der wirklich große Schritt ist die Policy von Mastodon, die ganz bewusst und ohne Umschweife Nazis ausschließt. Das funktioniert auf Mastodon, da hier nicht die amerikanischen Verfassungsgarantie der freien Meinungsäußerung greift … denn hier spielen wir ja nach europäischen Spielregeln. In den Bann fallen ebenso rassistische, sexistische und sonst wie diskriminierende Äußerungen. Es bleibt abzuwarten, ob die neue Plattform dem Ansturm der tumben Horden standhalten kann. Auch bleibt natürlich die Frage der Abwägung eines diskriminierenden Beitrags im Vergleich zu einem Bericht über Diskriminierung. Wo allerdings die Grenze zum Schutz der Nutzer vor dem schlimmsten „Schmutz“ in einen Zensurwall übergeht, der eine Filterblase bewahrt, in welcher die Menschen sich nur noch mit Wattebäuschen bewerfen dürfen, bleibt unklar. In Anbetracht der „Welt da draußen“ finde ich eine heilere Welt, wie sie Mastodon schaffen möchte, überaus begrüßenswert. Aber wir sollten gucken, wie es läuft und was das auch mit uns – den Nutzern – macht.

In der Basis ist die Plattform mit dem Elefanten wie gesagt an der des kleinen blauen Vogels angelehnt. Doch von der Technik her ist Mastodon ganz anders aufgestellt. Statt bei einer zentralen App respektive Plattform melden sich die Nutzer auf der dezentralen Open-Source-Plattform über eine von vielen „Instanzen“ an. So geht das in der dezentralen Welt eben, wo die Instanzen die Tür zu den Welten des neuen Netzwerk sind. Aber immerhin gibt es Beschreibungen, die einem den Sprung in die neue Rüsseltierwelt ebnen. Dieses ist keine „Ein-Klick“ Anmeldung für Laien und erfordert ein wenig Geschick. Immerhin gibt es danach für einmal registrierte User auch Apps wie Amaroq – eine iOS App, welche im Anschluss den LogIn via Handy sowie die mobile Nutzung einfach macht. Aber man muss halt erstmal registrierter User sein.

Was soll das Geschrei?

In der Anfangszeit von Social Media wurden die Plattformen mit Aufmerksamkeit bedacht, die innerhalb sehr kurzer Zeit eine zwei- oder dreistelligen Millionen Anzahl an Nutzern an sich binden konnten. Doch neben einem Schwergewicht im Ring wie Facebook mit seinen Außenstellen Instagram und WhatsApp ist die Luft über die Jahre für Neuankömmlinge dünn geworden. Twitter kommt seit Jahren nicht wirklich vom Fleck, Google+ ist defacto implodiert und LinkedIn wurde von Mircosoft geschluckt. Der neue Facebook-Herausforderer Snapchat hat mit seinem holprigen Börsengang und dem mittlerweile als ernst zunehmendem Widersacher aufgestellten Instagram etwas an Glanz verloren. Da scheint es fast, dass die Netz- und Mediengemeinde sich einen neuen Star herbeiwünscht.

Doch in den vergangenen Jahren waren da schon viele, sehr viele neue Plattformen am Start, die alle irgendetwas besonders gut konnten. Und teilweise auch besser als Facebook, Twitter und Co. Doch das Geschrei verstummte bei Amen, Ello, Peach, Wishbone, Yo und einigen anderen meist sehr schnell wieder. Eine besondere Kleinigkeit macht halt noch kein überzeugendes Gesamtpaket. So stürmten üblicherweise die Social Media Spezialisten mit fliegenden Fahnen in die neue Plattform. Man will es ja mit eigenen Augen gesehen haben und für sich einordnen. Und wahrscheinlich sehnen sich einige auch nach was anderem als Facebook – irgendetwas, Hauptsache anders.

Neue LogIn Daten eingegeben, zack drin … und dann war man meistens mit anderen Social Media Menschen alleine: „Kuckuck, ist hier schon wer?“ Wir erzählten uns dieselben Geschichten, wie wir sie bereits auf Facebook, Twitter und Co. verbreitet haben. Zugegeben sahen die neuen Plattformen meist ein wenig schicker und aufgeräumter aus. Auch waren sie nicht so furchtbar voll mit Werbung. Aber sonst?! Die großen Nutzerströme mochten in den vergangenen Jahren leider nicht nicht folgen. Auch wenn die „alten Plattformen“ ohne Zweifel Verbesserungspotentiale haben, die immer wieder zu Kritik führen, blieben die User dort. Denn dort sind alle anderen und „Social“ ohne andere macht auch nicht wirklich Spaß.

Und so erlahmte in den letzten Jahren das Interesse bei den medialen Experten nach einiger Zeit wieder. Und zurück bleiben Geisterstädte der Social Media Area. Nun also Maston.

Erstmal beobachten

Auf der Habenseite hat die neue Plattform definitiv die längeren Texte und strikten Antidiskriminierungs-Hausregeln. Das eine Plattform mal keine „dunkle Seite“ der Meinungsäußerung zulässt, ist doch mal ein Hoffnungsschimmer im Vergleich zu der Hatespeech Welle der letzten Jahre, die sich wie ein klebriger Überzug in den s.g. sozialen Netzwerken breitgemacht hat.

Werbefrei zu sein, mag für die Leser ebenfalls ein Vorteil sein. Doch am Ende des Tages wollen Server oder in der Zukunft vielleicht mal Personal auch bezahlt werden. Ob die Plattform sich bei weiterhin regem Zulauf nur über Spenden finanzieren lässt, bezweifele ich stark. So musste die „zentrale“ der dezentralen Instanzen von Mastodon dem Ansturm der User erstmal eine Schranke vorschieben. So sind Anmeldungen zzt. nur noch über andere Instanzen möglich.

Die dezentrale Aufstellung des Netzwerkes macht es aber vor allem weniger technikaffinen Usern eher schwer die Plattform zu betreten, da hier der Ehrgeiz, sich beim sozialen Rüsseltier anzumelden, gelegentlich nicht bis zum LogIn trägt. Mit dieser Einschätzung stehe ich nicht alleine. Aber da kann ja noch einiges an Apps und anderen Weiterentwicklungen hinzukommen.

Es ist ein zartes Pflänzchen von zZt. weit unter einer Million User. Die meisten in Veröffentlichungen genannten Zahlen waren sogar erst im zweistelligen tausender Bereich, doch die Artikel sind ja schon ein paar Tage alt. Aber es gab auch größere Zahlen in den Artikeln. Nun sind unscharfe Nutzerzählungen wahrscheinlich eine Folge der Dezentralität von Mastodon. Mal sehen, ob das besser wird in der nächsten Zeit.

Die Metalband gleichen Namens hat zumindest Spaß das Netzwerk zu trollen. Dass sie gerade ein neues Album herausgebracht haben, dürfte eine „glückliche Fügung“ sein. Obwohl die Suchergebnisseiten zu Mastodon im Moment vor allem viel Nichtmusikalisches zu Tage fördern.

Ob es nun ins Konzert oder in den Strom der Trööts geht, das muss jeder für sich entscheiden.

Über den Autor

Nils Papendorf

Nils Papendorf befasst sich seit rund 16 Jahren mit den verschiedenen Facetten der Online-Medien. Als Sparkassenkaufmann und über sein Studium der Volkswirtschaft mit Schwerpunkt Bankbetriebslehre zog es ihm aus Göttingen nach Hamburg zu Deutschlands größter Sparkasse. Dort war er über acht Jahre verantwortlich für Website, Online-Marketing und Social Media. Beruflich wie privat ist er eng den sozialen Medien verbunden und bietet seit einigen Jahren auch Beratung oder Vorträge für Unternehmen und Organisationen an, die sich diesem Feld öffnen wollen.

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