Sparkassen wollen ihre Kundenbasis nicht nur halten, sondern wieder ausbauen. Dafür müssen sie ihre vertriebliche Reichweite vor allem medial erheblich steigern. Die heutigen Ansprache-Barrieren lassen sich mit gezielten Anreizen abbauen.
Die Sparkassen konnten sich in der rund 14 Jahre andauernden Niedrigzins-Misere in Summe sehr gut behaupten. Sie sind weiterhin der dominante Anbieter sowohl im Privat- als auch im Firmenkundengeschäft. Und sie wollen – wie es in der Presse verlautet – diese Stellung weiter ausbauen. Bereits in wenigen Jahren sollen wieder die Hälfte aller privaten Girokonten und fast die Hälfte aller gewerblichen Hausbankkunden bei einer Sparkasse sein. Das entspräche in etwa der Marktstärke wie zur Jahrtausendwende.
Vertrieblich ist der Zugewinn von Marktanteilen eine Mammutaufgabe. Denn soll die Mission gelingen, müssen die historisch hohen Marktanteile bei Älteren wieder in allen Generationen erreicht werden. Dies erfordert sowohl ein besonders tiefes Verständnis für diese Kundinnen und Kunden als auch einen optimalen vertrieblichen Zugang zu ihnen.
Den Kosten-Bogen nicht überspannen
Sicherlich auch aus der Zins-Not geboren, haben sich Sparkassen im letzten Jahrzehnt konsequent der Digitalisierung verschrieben. Privat wie gewerblich wurden die medialen Kanäle stark ausgebaut und viele Vertriebs- und Service-Prozesse digitalisiert. Das ist eine gute Ausgangsbasis. Zugleich wurde das Filialnetz zwar modernisiert, aber auch erheblich reduziert. Service findet vielerorts bestenfalls noch selbstbedient statt. Dabei belegen auch jüngste Befragungen, die Sparkassen durchgeführt haben, den immensen Stellenwert der Präsenz vor Ort. Das gilt gleichermaßen für die gewerblichen und privaten Kunden, auch für die Jüngeren und auch für diejenigen im Stadtgebiet.
Selbstverständlich muss sich die vertriebliche Betreuung an betriebswirtschaftlichen Kriterien orientieren. Aber auch wenn neuerdings statt von Effizienz-Strategie oft etwas vornehmer von Rentabilisierung gesprochen wird, spürt man noch überdeutlich den Geist der Negativzinsen. Da galt das Credo: Kundschaft, die außer Konto und Einlagen wenig zu bieten hat, rechnet sich nicht – und in deren Bindung zu investieren, lohnt sich folglich nicht. Bei konsequenter Umsetzung dieser Strategie müssten viele Sparkassen nochmals die Hälfte ihrer Standorte schließen und fast die Hälfte ihrer Kunden mehr oder weniger „reaktiv“ betreuen. Ist das noch die DNA der Sparkassen? Kann so die Mission „50 Prozent Giro-Marktanteil“ nachhaltig gelingen?
Die gesamte Kundenbasis mitnehmen
Weiterhin wird es notwendig sein, die ohnehin knappe Anzahl an Beratenden von Service-Tätigkeiten zu entlasten und auf vielversprechende Kunden zu fokussieren. Aber auch für die übrigen Kunden braucht es vertrieblich überzeugende Antworten. Durch die Zinswende haben diese einiges von ihrem früheren Gewicht zurückgewonnen. Gerade hier – in vom Wettbewerb wenig beachteten Segmenten – können Girokonten gewonnen sowie Einlagen gehalten werden. Das gilt auch für gewerbliche Kunden. Wenn die Geschäftsstrategie vorsieht, zeitgleich die CIR kräftig zu verbessern, dann können die Mehrerträge nicht nur aus den nach „Wachstumsstrategie“ bereits intensiv beackerten Feldern kommen. Die Kundenbasis muss viel breiter gehebelt werden. An leistungsstarken Produkten und Preisakzeptanz der Kunden mangelt es nicht. In jüngster Zeit verdeutlichten viele erfolgreiche Preisanpassungen an Privat- und Geschäftsgirokonten die hohe Bindung und Zahlungsbereitschaft in allen Segmenten.
Kundenansprache deutlich intensivieren
Breite Kundenschichten haben viel zu lange vertrieblich nichts mehr von ihrer Sparkasse gehört. Online-Angebote und mediale Ansprachen sind der einzig sinnvolle Weg, die Kundschaft in voller Breite zu durchdringen. Daher ist es zwingend erforderlich, Kunden-Servicecenter und Direkt-Beratungscenter viel stärker verkäuferisch zu aktivieren. Wirklich neu ist dieser Gedanke zwar für viele Häuser nicht, wird aber bislang noch nicht überall so gelebt. Wer es dabei mit der Kundenzentrierung ernst meint, hat auch im Blick, welche Kunden tatsächlich affin für mediale Beratung sind – und Mitarbeitende, die diese Affinität durchgängig vorleben.
An Ansprache-Anlässen mangelt es sicherlich nicht. Die technischen Möglichkeiten, die im Standard zur Verfügung stehen, sind bereits heute mächtig und wachsen weiter. Das sogenannte Integrierte Ansprache-Management (IAM) ist der bessere Weg als eine Fülle von Einzelkampagnen. Die automatisierten Scores, die heute schon einfließen können, liefern bereits gute Selektionen. Je weiter Data Analytics – auch unterstützt von künstlicher Intelligenz – hier voranschreiten, desto passgenauer und damit durchschlagskräftiger werden die Kundenansprachen.
Vertriebliche Hemmnisse wirksam abbauen
Diese schöne neue Vertriebswelt stößt aktuell noch zu oft an Grenzen. Das beginnt schon bei den Online-Banking-Vereinbarungen. Jede Schlange am Service-Schalter und jeder AGB-Zustimmungsprozess führen einem drastisch vor Augen, wie viel einfacher die Zusammenarbeit mit online-fähiger Kundschaft ist. Und das liegt nicht nur am Alter. Auch bei jüngeren Kunden, gerade bei den weniger stark betreuten, ist die Online-Quote deutlich zu niedrig. Das zeigt sich noch stärker bei den sogenannten Werbeeinwilligungen. Hier ist die Quote bei den Älteren sogar oftmals höher, bleibt jedoch über alle Kunden betrachtet derzeit noch viel zu niedrig.
Das neue Ansprache-Management lebt aber von medialen Kontakten und personalisierten Angeboten. Hier müssen Sparkassen vorankommen und Flaschenhälse abbauen. Anderenfalls arbeitet man erzwungenermaßen erneut vor allem mit den heute bereits gut Betreuten. An der Bereitschaft der Kunden mangelt es nicht. Eigene BLC-Kundenbefragungen zum Einführungszeitpunkt der DSGVO zeigten bereits eine hohe Offenheit zur Einwilligung – bei klaren Spielregeln und auch einer gewissen Gegenleistung. EU-DSGVO: Von der Pflicht zum „Daten-Pakt“ mit dem Kunden. Einzelne Sparkassen praktizieren schon ein solches Geben und Nehmen in Form besserer Konditionen, wenn Kunden dafür zumindest Online-Banking einrichten und eine Online-Ansprache ermöglichen.
Vertrieblich noch mutiger werden
Wie so oft können Vergleiche hinken. Das gilt insbesondere beim häufig gelesenen Abgleich mit Giganten wie Amazon, Google oder auch Microsoft. Aber warum kann zum Beispiel ein ADAC seine große Kundenreichweite hebeln und sein kommerzielles Leistungsspektrum fast beliebig erweitern, eine Sparkasse jedoch nicht? Warum können sich öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten werbefinanzieren, Sparkassen aber nicht einmal ein Werbe-Banner in der Internet-Filiale platzieren? Warum bietet der eigene Sparkassen-Chatbot Linda einem an, gerne ein paar Fragen zu stellen, anstatt selbst einen vertrieblichen Dialog zu starten? Schnell sind viele Gründe für die aktuelle Zurückhaltung aufgezählt. Aber wer digitalen Vertrieb und Beyond Banking wirklich voranbringen will, findet auch gute Gründe, dem eine angemessene Chance zu geben. Anwendungsfelder gibt es sowohl bei Privat- als auch Firmenkunden reichlich.
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