Der Besuch

Flexibilität fördert die Karriere - manchmal

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Flexibilität und das Beherrschen von überraschenden Momenten ist eine wichtige Eigenschaft von Führungskräften. Manchmal führt dies allerdings statt zum Erfolg zu ungeahnten Erkenntnissen.

Besucher einer Bank

Der Besuch meldet sich an.

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„Sie sind da!“, zischelte ein nervöser Empfangschef ins Telefon und zwinkerte dennoch vertrauenserweckend in Richtung der Abordnung, die erwartungsfroh in der noblen Empfangshalle der International-Bank AG Aufstellung genommen hatte.

„Wer ist da?“, fragte Ines Brunner, ihres Zeichens Länderreferentin für Afrika, am anderen Ende der Leitung. Es war ein wunderbar ruhiger Sommertag und Frankfurt gab sich urlaubsbedingt etwas weniger hektisch als sonst.

„Wir erwarten keinen Besuch!“, protestierte die Kollegin.

„Aber sie stehen hier bei mir, die Damen und Herren aus Kamerun!“ Der routinierte Chef der Portiere behielt die Nerven und winkte optimistisch den Gästen zu, die sich anschickten, in den bequemen Sitzmöbeln Platz zu nehmen. Üblicherweise musste ein so offizieller Besuch eine Woche im Vorhinein angekündigt werden. Ein Info-Mail an die Sicherheitszentrale, in Kopie an die Portiere, die betroffenen Fachabteilungen, die IT-Experten und die Catering-Firma. Sonst könnte da ja jeder kommen.

Das musste er dann auch gleich loswerden: „Und ich habe wieder einmal keine Information bekommen!“ Das abschließende „Typisch“ verkniff er sich geflissentlich.

Besuch vom Partnerinstitut aus Kamerun

„Wenn ich ihnen aber doch sage, dass ich keinen Bankbesuch vorgemerkt habe. Von welchem Institut kommt denn die Delegation?“

„Trade Bank of Kamerun.“

„Aha?“

Ratlosigkeit. Man war zwar in losem Kontakt mit dem Kreditinstitut, aber das Engagement der International-Bank in diesem Teil des Zentralafrikas war eher wenig ausgeprägt. Es gab da ein paar höfliche E-Mails, die man ausgetauscht hatte, aber das war es auch schon.

Von wegen das Correspondent Banking ist am Ende!

„Einen Moment bitte.“ Die Referentin hatte da so ihren Verdacht. Das war wieder einmal typisch Chefin. Die hatte vermutlich den heutigen Termin durch persönliche Kontakte eingefädelt und vergessen, dies ihr, der für die Region Verantwortlichen, mitzuteilen. Wie gesagt: typisch!

Was konnte da besser passen, dass die Chefin, so wie viele aus dem Top-Management, gerade auf Urlaub weilte und nicht erreichbar war? Wenn schon Pech, dann aber ordentlich.

Als verantwortungsvolle Mitarbeiterin war der erste Gedanke: Vorgehen nach Vorschrift. Kein vorgemerkter Termin: kein Besuch! Man würde die Delegation, die vielleicht extra für diesen Termin den ganzen Weg von Jaunde, Kameruns blühender Hauptstadt, nach Frankfurt auf sich genommen hatte, auch ganz gut unverrichteter Dinge wieder heimschicken können. Aber so ist das Leben in der Bankenindustrie nun mal.

Andererseits konnte man ja nie wissen, ob sich vielleicht aus just diesem Treffen nicht doch das eine oder andere formidable Geschäft ergeben würde. Sollte sie das Risiko nehmen und der Gesandtschaft den roten Teppich ausrollen? Und wie sollte sie das in der kurzen Zeit schaffen?

„Geben Sie mir ein paar Minuten, ich lasse mir etwas einfallen.“

Spontane Organisation eines Besuchsprogramms

Wenn Frau Brunner eine Stärke hatte, dann waren es Nerven aus Stahl. Und eine Begabung für strukturiertes Vorgehen. Was brauchte sie für diese Delegation?

  1. Einen geeigneten Besprechungsraum, der dem Anlass der Begegnung gerecht wurde. Es kamen da nur die Sitzungsräumlichkeiten der Chefetage ernsthaft in Frage.
  2. Natürlich musste ein angemessenes fachliches Programm her. Expertenvorträge, Leute aus der Produktentwicklung vielleicht, und ein kurzes Referat über Sustainability. Nachhaltigkeit war jetzt ein heißes Thema.
  3. Eine Vertretung aus dem Top-Management, welche gerade nicht auf Urlaub war und kurzfristig Zeit erübrigen könnte. Man würde die Delegation begrüßen und in ein paar salbungsvollen Worte über die ach so erfolgreiche Zusammenarbeit – oder zumindest die potentiellen Möglichkeiten – referieren.
  4. Als gediegener Abschluss des Bankbesuches kam nur eine Einladung zum Lunch in Frage. Besonders hier mussten die Qualität und die ethnische Feinabstimmung passen.
  5. Das technische Rundherum, von der IT-Ausstattung bis hin zum Personal der PR-Abteilung, das für die fotografische Dokumentation der denkwürdigen Zusammenkunft verantwortlich sein würde.
  6. Die entsprechende Dokumentation, in der alles festgehalten wurde für die Nachwelt. Denn sonst könnte da ja jeder kommen.

Frankfurt, 9:30 morgens. Frau Brunner hatte als langjährige Mitarbeiterin der Bank hervorragende Kontakte und forderte nun auch den einen oder anderen Gefallen ein. Und nach kürzester Zeit stand ihr Programm für den Besuch der Trade Bank of Kamerun. Da soll noch einer sagen, Banker wären nicht flexibel!

Um es vorweg klarzustellen: das Meeting war ein ausnehmender Erfolg. Die Delegation war sichtlich angetan vom Engagement der Gastgeber, die keine Kosten und Mühen scheuten, ihren Gästen etwas zu bieten.

Allein der Blick über Frankfurt aus dem Sitzungszimmer der Chefetage sorgte für bewundernde „Ahs!“ und „Ohs!“. Das moderne, gediegene Mobiliar und die historisch streng von den Gemälden blickenden ehemaligen Vorstandsvorsitzenden, die da in Öl an den Wänden der International Bank AG hingen, taten ihr Übriges.

Ein Top-Manager, der aus einem der vielen Merger der letzten Zeit ohne eigenes Portfolio hervorgegangen war, hatte zufällig Zeit, und richtete ergreifende Worte an die Besucher, wobei in der Grußadresse mehrmals die Ungerechtigkeit bei der Vergabe von Vorstandsposten bei Mergern und die Undankbarkeit von ehemaligen Seilschaften eine nicht unwesentliche Rolle spielten. Die Delegation aus Kamerun lauschte ergriffen den Ausführungen, was vermutlich auch der nicht ganz wortwörtlichen Übersetzung des Dolmetschers geschuldet war.

Die Fachabteilungen hatten kurzfristig aus ein paar Standardpräsentationen einen mitreißenden Vortrag über mögliche Kooperationsbereiche mit der Trade Bank of Kamerun zusammengestellt, welcher von den Gästen mit wohlwollendem, aber durchaus nachdenklichem Applaus quittiert wurde.

Zum Abschied der Geschäftsabschluss?

Frau Brunner war zufrieden! Vielleicht war dieses offensichtlich bahnbrechend erfolgreiche Meeting der lang ersehnte Anstoß für einen weiteren Karriereschritt? Beim Lunch, dem krönenden Abschluss, würde sie dann den Sack zumachen.

Man hob die Sektgläser, prostete sich gegenseitig zu und der Delegationsleiter der Trade Bank of Kamerun hatte sich für eine kleine Dankesnote erhoben, die er, den Gastgebern zur Ehre, in brüchigem Deutsch von einem kleinen Zettelchen ablas:

„… herzlichen Dank für Ihre Gastfreundschaft und auf eine weitere gute Zusammenarbeit zwischen der Landesbank AG und der Trade Bank of Kamerun“.

Wie zum Hohn blinkte der Schriftzug des härtesten Mitbewerbers der International Bank vom Büroturm auf der anderen Seite der Straße auf Ines Brunner herüber.

Das mit dem nächsten Karriereschritt würde wohl noch etwas warten müssen. Denn sonst könnte da ja jeder kommen.

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Über den Autor

Michel Lemont

Michel Lemont ist seit mehr als 35 Jahren in Bankenwesen tätig. Er war in verschiedenen Bereichen der Finanzindustrie tätig, unter anderem im Vertrieb, im Marketing und zuletzt im Umfeld des Zahlungsverkehrs. In seinen Aufgabenbereich fallen unter anderem regulatorische Themen, das Management von Zahlungsverkehrs-Infrastrukturen sowie die Arbeit in nationalen und internationalen Gremien im Bereich Payments. Ein besonderes Anliegen sind ihm Innovationen im Bankenbereich und das "Querdenken". Michel Lemont ist Autor des Buches „Bankers have more fun“ und betrachtet das Bankwesen gerne von der humoristischen Seite. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.

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