Der Bankensektor im Zeichen der Corona-Pandemie

Die Perspektive der Deutschen Bundesbank

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Covid-19 hat gravierende Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Banken in Deutschland. Gegenwärtig erscheint der Bankensektor gut gerüstet und die nach der Finanzkrise getroffenen Maßnahmen ermöglichen aufsichtliche Flexibilität. Das Stabilitätsziel muss jedoch im Blick bleiben.

Deutsche Banken scheinen gut gerüstet für die Folgen der Corona-Krise

Deutsche Banken scheinen derzeit gut gerüstet für die Folgen der Corona-Krise.

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Viele klammern sich an den Glauben, dass irgendwo da draußen jemand ist, der wissen muss, was derzeit eigentlich los ist und uns das alles erklären kann. Doch diesen einen gibt es in der aktuellen Corona-Krise nicht, auch nicht bei der Deutschen Bundesbank. Was es gibt, ist eine sachliche Einschätzung der aktuellen Lage, um – zumindest ein Stück weit – die Orientierung zu behalten.

Der Bankensektor in der Corona-Pandemie

Die deutsche Finanzbranche hält sich gut in der Pandemie. Die dringend benötigte Kreditversorgung funktioniert. Die Banken und Sparkassen übernehmen eine zentrale Aufgabe bei der Krisenarbeit und erfüllen sie mit Verantwortung und hohem persönlichen Einsatz. Und dies mit Erfolg!

Viele Kredite kommen aktuell jedoch nur mit staatlicher Unterstützung zustande. Allerdings können Politik und Wirtschaft auf eine leistungsfähige Finanzwirtschaft zurückgreifen. Das ist vor allem das Verdienst der Banken, aber auch die Bankenaufsicht hat dazu beigetragen.

Operativer Geschäftsbetrieb der Kreditinstitute funktioniert

Die Banken haben mit Telearbeit und Homeoffice, mit Split Teams und mit Filialschließungen auf die Herausforderungen durch den Coronavirus reagiert. Große Instituten haben zahlreiche Filialen geschlossen. Aber die Institute sind telefonisch und online für ihre Kunden erreichbar und auch Bargeld ist über die Automaten ausreichend verfügbar.

Wir sehen bisher keine wesentlichen Einschränkungen. Das operative Geschäft läuft weiter. Die Grundversorgung der Kunden mit Finanzdienstleistung wird aufrechterhalten.

Eine Sonderumfrage unter den Instituten kam zudem zum erfreulichen Ergebnis, dass kritische Prozesse auch bei hohen Mitarbeiterausfällen dauerhaft aufrechterhalten werden können.

Kreditversorgung in Corona-Zeiten

Nicht nur der operative Geschäftsbetrieb läuft, auch insgesamt können wir sagen: Die Banken sind aktuell stabil, es sind hohe Puffer für Kreditvergabe und gegebenenfalls auch Kreditausfälle vorhanden und nutzbar.

Aber es ist Wachsamkeit angesagt. Manche Institute haben hohe Exposures gegenüber besonders betroffenen Branchen der Realwirtschaft; das waren zunächst Gastronomie und Tourismus. Weitere Bereiche könnten bald ebenfalls betroffen sein. Hier wird es vermutlich zu Kreditausfällen kommen.

Die Kernfrage ist aus meiner Sicht: Was müssen alle Beteiligten jetzt tun, damit die Lage weiterhin stabil bleibt und die Kreditversorgung der Wirtschaft und der privaten Haushalte funktioniert?

Das „Corona-Regime“ in der Bankenaufsicht

Fiskal- und geldpolitisch wurden rasch Maßnahmen als Reaktion auf die Corona-Krise ergriffen. Auch für uns als Aufsicht war klar, dass wir gezielt und schnell handeln müssen – und das haben wir auch getan.

Die gemeinsamen Ziele wurden klar formuliert:

  • Der Finanzsektor soll stabil und
  • die Kreditvergabe soll gesichert bleiben.

Mein Leitbild bei allen getroffenen Maßnahmen war immer: Wir zeigen die nötige Flexibilität, verlieren aber unser Stabilitätsziel nicht aus den Augen.

Mittlerweile gibt es bereits eine lange Liste von Maßnahmen der Aufsicht in ganz unterschiedlichen Bereichen: von Kapital bis Liquidität, von Rechnungslegung bis MaRisk. In kurzer Frist wurden diese Maßnahmen auf globaler, europäischer und nationaler Ebene von uns entschieden. Auf den Internetseiten der Aufsicht sind sie in kompakter Form dargestellt.

Uns sind diese Lockerungen bei weitem nicht leichtgefallen. Stets mussten wir eine Balance zwischen den Erfordernissen der Krise und den Grundanforderungen für stabile Banken finden.

Einen Ruf nach „mehr“, nach weiteren Erleichterungen, halte ich daher nicht für angebracht. Insbesondere sollte davon Abstand genommen werden, lange diskutierte Vorschläge mit dem neuen Anstrich „Krisenmaßnahme“ wieder auf den Tisch zu legen.

Aus der Finanzkrise wurden die richtigen Lehren gezogen

Die aktuelle Krise zeigt im Übrigen eindrücklich, dass wir als Aufsicht richtige Lehren aus der Finanzkrise gezogen haben. Viele, auch von Banken kritisierte Maßnahmen erweisen sich jetzt als Gold wert. Ich denke hier vor allem an die Stärkung der Liquidität und der Kapitalbasis insgesamt, aber auch an die zusätzlichen Puffer als atmende aufsichtliche Anforderungen.

Das sehen wir deutlich an den Kapitalpuffern im deutschen Bankensystem. Die Institute halten über die aufsichtlichen Anforderungen hinaus 136 Mrd. € an CET1-Kapital – wir nennen das Überschusskapital. Darüber hinaus verfügen die Banken über Kapitalpuffer in Höhe von 114 Mrd. €, die freigesetzt werden können.

Diese Mittel stehen zur Abfederung von Verlusten und zur Vergabe neuer Kredite zur Verfügung. Schätzungen der Europäischen Zentralbank (EZB) und Finanzanalysten zufolge beträgt die Kreditvergabekapazität das 12- bis 15-fache des verfügbaren Kapitals. Das zeigt eindrücklich: Weitere Erleichterungen sind aktuell nicht notwendig.

Wir achten allerdings sorgsam darauf, wie gut die ergriffenen Maßnahmen in der Praxis funktionieren und wie lange sie bestehen bleiben sollen. Denn klar ist auch: Es muss und wird zu gegebener Zeit einen Exit aus den aktuellen Sondermaßnahmen geben.

Was kommt auf den Finanzsektor zu?

Lassen Sie uns einen Blick darauf werfen, was wir heute wissen:

  • Die Krise wirkt über unterschiedliche Kanäle auf den Finanzsektor.
  • Die operationellen Risiken im allgemeinen Geschäftsbetrieb scheinen aktuell beherrschbar.
  • Liquiditäts- und Marktrisiken wirken unmittelbar in den Bankbilanzen.
  • Die Liquidität ist momentan ausreichend komfortabel, die geldpolitischen Maßnahmen wirken.
  • Die Marktrisiken scheinen nach den ersten größeren Kursschwankungen, trotz erhöhter Volatilität, ebenfalls beherrschbar.

Die größten Sorgen bereiten mir als Aufseher die Kreditrisiken, die voraussichtlich vermehrt ab dem dritten Quartal schlagend werden. Insbesondere Kredite an inländische Unternehmen und Selbstständige stehen dabei im Fokus. Sie machen etwa ein Viertel aller vergebenen Kredite aus. Diese Kredite laufen recht lange – mehr als zwei Drittel des Kreditvolumens hat eine Restlaufzeit von mehr als fünf Jahren.

Moratorien, Bilanzierungs- und Abschreibungsregeln führen hier zu einem Zeitgewinn – nicht mehr und nicht weniger. Außerdem helfen die KfW-Kredite und andere staatliche Maßnahmen dabei, Unternehmen solvent zu halten.

Der „Moment der Wahrheit“ wird aber kommen, wenn sich die Kreditrisiken materialisieren. Wir wissen nicht, wie sich der Wertberichtigungsbedarf entwickelt. Das verfügbare Kapital ist jedoch ausreichend, um Wertberichtigungsquoten, wie wir sie 2003 oder 2009 gesehen haben, im Aggregat zu decken.

Vorsichtsprinzip bei der Kreditvergabe

Auch wenn die Kreditvergabe aktuell schnell und effizient laufen muss, ist für uns als Aufsicht klar: Das Vorsichtsprinzip bei der Kreditvergabe muss weiterhin gelten. Blinde Kreditvergabe heute würde zu einer Flut von faulen Krediten morgen führen. Wir sollten heute keine „Altlasten“ schaffen, die uns alle womöglich weit in die Zukunft belasten.

Deshalb gilt: Die Prozesse in den Banken müssen risikoorientiert bleiben. Die höheren Risiken dürfen das Verlustabsorptionspotenzial der Banken nicht übersteigen.

Mit Blick auf diese Risiken wird der engere Austausch zwischen Instituten und Aufsicht, wie wir ihn in der Krise etabliert haben, daher zunächst bestehen bleiben.

Post-Corona: Wie sieht der Bankensektor nach der Krise aus?

Wir werden uns noch eine ganze Weile darüber austauschen müssen, wie der Bankensektor nach der Krise, also in der „Post-Corona-Zeit“, aussehen könnte. Aktuell ist die Lage im Bankensektor stabil, operatives Geschäft und Kreditvergabe laufen. Wir müssen alle weiter hart daran arbeiten, dass dies so bleibt. Besonders müssen wir die Kreditrisiken ernstnehmen, aber auch diese scheinen – zumindest im Aggregat – momentan beherrschbar.

Schon vor der Krise war die Lage nicht gerade einfach – ich denke an die Herausforderungen Profitabilität, Niedrigzinsen, Digitalisierung, Konsolidierung, aber auch an den Brexit. Jetzt kommt eine unerwartet harte Rezession dazu, zusammen mit dem in jüngerer Geschichte unbekannten Muster des „Shutdowns“. Gleichzeitig sammeln wir alle, auch die Kreditinstitute, gerade wichtige digitale Erfahrungen, die das Bankgeschäft auch mittel- und langfristig verändern können.

Klar ist: Nach Corona wird der Bankensektor ein anderer sein. Die Strukturen werden sich verändern – eventuell schneller, als vor der Krise angenommen.

Über den Autor

Prof. Dr. Joachim Wuermeling

Prof. Dr. Joachim Wuermeling ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, zuständig für die Ressorts Banken und Finanzaufsicht, Informationstechnologie und Risiko-Controlling. Zuvor war er in verschiedenen leitenden Funktionen in der Finanz- und Versicherungswirtschaft sowie in der Politik tätig. Bis zu seinem Wechsel zur Bundesbank war der gelernte Jurist seit 2011 Vorsitzender des Vorstands des Verbands der Sparda-Banken.

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