Aufsicht und Regulierung in Zeiten der Corona-Krise

Vielfältige Herausforderungen in stürmischen Zeiten

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Die Corona-Pandemie hat zur schwersten Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik geführt. Für Banken und Sparkassen ergeben sich daraus vielfältige Herausforderungen. Und auch die Bankenaufsicht muss reagieren.

Die Bankenaufsicht muss auf die Corona-Krise reagieren

Auch für die Bankenaufsicht bringt die Corona-Krise vielfältige Herausforderungen mit sich.

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Die Leistung der deutschen Wirtschaft brach in nur einem Quartal um 10 Prozent ein! Inzwischen hat sich die Lage etwas beruhigt. Nach erfolgreicher Eindämmung der Pandemie wurde der „Lockdown“ gelockert, und die wirtschaftliche Erholung setzte ein. Im Sommer dürfte die Wirtschaft sogar kräftig gewachsen sein, allerdings von einem sehr niedrigen Niveau aus. Die endgültige Erholung unserer Wirtschaft und die Rückkehr auf einen Wachstumskurs werden noch dauern.

Gesicherte Kreditversorgung in der Krise

Der Blick auf die Banken und Sparkassen zeigt: Die Kreditvergabe war nie unterbrochen und wurde durch die Sonderprogramme der KfW zusätzlich unterstützt. Die jährliche Wachstumsrate der Kredite an inländische Unternehmen und Privatpersonen liegt im zweiten Quartal 2020 nahezu unverändert zum Vorjahr bei rund 5 Prozent. Bei den Vergabestandards sehen wir aber bereits Verschärfungen.

Bei den Wertberichtigungen kommen wir von einem sehr niedrigen Niveau – eine erfreuliche Folge der lang anhaltenden robusten wirtschaftlichen Verfassung Deutschlands in den Jahren vor der Pandemie. Auch wenn erste Anzeichen steigender Wertberichtigungen im zweiten Quartal erkennbar waren, ist das noch weit von einem beunruhigenden Ausmaß entfernt.  Die Wertberichtigungsquote im Bestand für Kredite an nichtfinanzielle Unternehmen liegt im zweiten Quartal 2020 auf dem Niveau des Vorjahresquartals.

Rezessionen kommen verzögert bei den Banken an

Die Kreditinstitute sind damit bislang wenig betroffen. Aber es ist klar: Die Wirtschaftskrise wirkt erst mit Zeitverzug auf die Institute. Eine Rezession kommt nicht direkt in den Bankbilanzen an. Daher ist es viel zu früh, aufzuatmen und in allgemeine Erleichterung zu verfallen.

Für Banken sind die Corona-Risiken beileibe nicht vom Tisch, sondern könnten sich gerade in der kommenden Zeit erst noch manifestieren. Und das sind sowohl kurzfristige Markt- und Kreditrisiken als auch mögliche mittel- und langfristige Schäden.

Herausforderungen am Horizont

Aktuell haben wir drei Faktoren, die Insolvenzen und Kreditausfälle verzögern – aber all diese Faktoren werden irgendwann, vermutlich zeitversetzt, auslaufen:

  • die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht,
  • Moratorien und
  • Staatshilfen.

In der Bankenaufsicht haben wir zudem die Anforderungen für die Einstufung von Krediten als notleidend konkretisiert. In der Regel ist spätestens nach 90 Tagen Zahlungsverzug eine Verbindlichkeit als ausgefallen zu klassifizieren.

Wenn Banken und deren Kunden aufgrund von Covid-19 und bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen eine Stundung vereinbaren, so werden die Verzugstage für den vereinbarten Stundungszeitraum nicht gezählt.

Wenn diese Faktoren auslaufen, wird es aber nicht zu vermeiden sein, dass es in kurzer Frist aufgrund von Insolvenzen zu Kreditausfällen und damit Wertberichtigungsbedarf bei den Banken kommen wird.

Vorbereitungen der Bankenaufsicht

Da wir zum jetzigen Zeitpunkt keine wasserdichte Prognose über die zukünftige Entwicklung abgeben können, beobachten wir als Bankenaufsicht die derzeitige Situation der deutschen Banken und Sparkassen sehr genau und bereiten uns – auch anhand von Stresstest-Analysen und Modellierungen – auf potenziell sehr widrige Entwicklungen vor.

Unsere Analysen für die kleinen und mittelgroßen Kreditinstitute in Deutschland zeigen, dass diese selbst bei einem extremen Einbruch des Bruttoinlandsprodukts von circa 11 Prozent im Jahr 2020 insgesamt weiterhin ausreichend kapitalisiert wären. In dieser Berechnung sind Maßnahmen, mit denen die Institute gegensteuern können, sowie die Effekte regulatorischer Maßnahmen und staatlicher Hilfsprogramme sogar noch nicht einmal berücksichtigt.

Auch für die großen europäischen Banken unterstreicht die von der EZB durchgeführte Covid-19 Vulnerability Analysis, dass die Institute insgesamt gut aufgestellt sind, um die Auswirkungen der aktuellen Krise abzufedern.

Bislang solide Kapitalausstattung der Banken

Unter dem Strich profitieren die Banken von ihrer bislang soliden Kapitalausstattung, zu der auch die regulatorischen Reformen der letzten Jahre entscheidend beigetragen haben.

Im Aggregat werden die Kreditausfälle – das zeigen unsere Analysen – also verkraftbar sein, aber die Wirkung auf die einzelnen Institute ist sehr unterschiedlich, je nach regionalem und sektoralem Exposure. Und selbst wenn die Ausfälle verkraftbar sein werden, drücken sie natürlich weiter auf die ohnehin schon schwache Profitabilität.

Ordnungspolitische Normalität

Auf die Banken kommt also definitiv etwas zu! Denn die mittel- bis langfristigen Herausforderungen durch die Corona-Pandemie werden nicht weniger.

Die Institute müssen mit dem Kapitalverzehr der Krise umgehen. Die niedrigen Leitzinsen werden durch die Krise wohl noch eine Weile andauern. Das macht die Ertragssituation und den Wiederaufbau von Kapital für die Banken noch schwieriger. Die Suche nach neuen Ertragsmöglichkeiten ist somit wichtiger als je zuvor. Das gilt auch mit Blick auf die zu erwartenden Abschreibungen, die mit steigenden Kreditrisiken einhergehen.

Aus meiner Sicht hilft es daher nicht, den „Moment der Wahrheit“ ad infinitum hinauszögern zu wollen. Die Sondermaßnahmen waren und sind richtig, aber sie müssen auch ein Ende finden – und zwar kein Ende mit Schrecken, sondern ein Ende mit Augenmaß.

Antworten auf die Herausforderungen finden

Wir müssen und sollten davon ausgehen, dass diese Krise einen langen Schatten werfen wird, in dem das Umfeld für Banken eher schwieriger als einfacher wird.

Um nur drei Beispiele zu nennen:

  • Durch den Digitalisierungs-Schub aufgrund der Corona-Pandemie geraten die Institute teils weiter unter Druck. Auch die Generation 60plus gewöhnt sich ans Online-Banking, und digitale Challenger der Banken haben nochmals Aufwind erhalten.
  • Digitalisierung bedeutet viel mehr als das Abhalten von Videokonferenzen: Es können ganz neue Produkte und Arbeitsabläufe entstehen. Nutzen wir diese Chance!
  • Auch Konsolidierung bleibt ein Dauerbrenner. So stellt sich die Filial-Frage nach der Pandemie aufs Neue.

Reaktion und Einschätzung der Aufsicht

Die Aufsicht hat früh und koordiniert auf die Corona-bedingten Herausforderungen für die Banken reagiert. Die bisherigen Sondermaßnahmen und Erleichterungen sind nicht leichtgefallen. Wir haben die Balance zwischen Krisen-Erfordernissen, damit die Banken sich auf die Kreditvergabe konzentrieren können, und sachgerechten Anforderungen für stabile Banken gesucht und meines Erachtens auch gefunden.

Gerade diese Krise hat gezeigt, dass strenge Regulierung wirkt und die Banken widerstandsfähig macht: Die komfortable Kapitalausstattung und die aufgebauten Puffer haben dafür gesorgt, dass die Banken weiterhin handlungsfähig sind.

Insofern sollten wir jetzt nicht leichtfertig Regulierungs-Erfolge über Bord werfen. Voreilige weitere Erleichterungen lehne ich daher entschieden ab.

Umsetzung von Basel III

Die Umsetzung von Basel III wird voraussichtlich Anfang nächsten Jahres auf EU-Ebene angegangen. Wir haben hier durchaus Gestaltungsmöglichkeiten und Ermessensspielräume. Diese sollten mit Augenmaß genutzt werden, um Besonderheiten der europäischen Finanzmärkte Rechnung zu tragen.

Wir werden uns vor allem dafür einsetzen, dass dem Gedanken der Proportionalität mehr Raum gegeben wird. Denn kleine bis mittelgroße Institute machen einen Großteil des deutschen Bankensektors aus und stehen nicht im Fokus des Baseler Ausschusses.

Die Deutsche Bundesbank setzt sich nach wie vor dafür ein, das Basel-III-Reformpaket in der EU streng nach den Empfehlungen des Baseler Ausschusses umzusetzen. Wir sollten die Ermessensspielräume nutzen, aber keine als Corona-Maßnahme getarnte Aufweichung der Inhalte betreiben.

Auslaufen der Sondermaßnahmen

Das „Sonder“ in „Sondermaßnahme“ besagt: Wir haben damit auf besondere Zeiten reagiert und werden in alltäglichen Zeiten zu den „normalen“ Maßnahmen zurückkehren. Hier gilt für die bankaufsichtlichen Maßnahmen nichts anderes als für die politischen Maßnahmen wie bei der Insolvenzpflicht.

Wir werden dazu genau analysieren und diskutieren, wie wir möglichst störungsfrei aus den Sondermaßnahmen wieder herauskommen. Es wird genügend Zeit geben, die Puffer wieder aufzufüllen. Und auch für die Rückkehr zu altbekannten Arbeitsweisen wird es ausreichend Vorlauf geben.

Wichtig ist Planungssicherheit für alle Beteiligten: Die EZB hat bereits angekündigt, dass die Banken erst Ende 2022, also in mehr als zwei Jahren, die Puffer wieder aufgefüllt haben müssen. Auch für den weiteren Umgang mit notleidenden Krediten oder die Einhaltung der Liquidity Coverage Ratio hat die Aufsicht einen konkreten Zeitplan vorgelegt.

Kreditinstitute stecken in einem Trilemma

Kurzfristig sehe ich die Institute in einem Trilemma:

  1. Die Banken und Sparkassen müssen mit dem Kapitalverzehr der Krise umgehen und Kapital sichern. Dieser Logik folgt auch unsere Empfehlung, bis Ende des Jahres keine Dividenden auszuzahlen. Zum Teil wurden sogar auch in der Krise Puffer ausgebaut, teils als „Cash-Hording“. Es ist definitiv nicht verkehrt, aktuell schonend mit Kapital umzugehen und Möglichkeiten zur Neuaufnahme zu nutzen.
  2. Die Banken sollen natürlich ihrem Auftrag der Kreditvergabe gerecht werden und dafür durchaus auch bei Bedarf die Puffer nutzen. Das ist geradezu eine gesamtwirtschaftliche Verantwortung.
  3. Gleichzeitig ist es notwendig, dass weiterhin angemessene Kreditvergabestandards Anwendung finden, damit das Kreditbuch nicht mit unüberschaubaren Risiken für die Zukunft aufgeladen wird. Banken sollten – bei aller Aufforderung zur Kreditvergabe – die Bonität ihrer Kreditnehmer weiter genau prüfen und überwachen.

Es geht hier auch darum, sektorale Besonderheiten in den Blick zu nehmen, besonders die Möglichkeiten für Nachholeffekte je nach Branche.

Mit diesem Trilemma – Kapitalverzehr, Kreditvergabe und Kreditvergabestandards – müssen sich Banken auf kurze Sicht auseinandersetzen. Mittel- und langfristig wird strategisches Denken wichtiger denn je. Denn dieses kurzfristige Trilemma verstärkt viele der bekannten Herausforderungen.

Geschäftsmodelle weiterhin auf dem Prüfstand

Es bleibt die Haupt-Herausforderung, die Profitabilität langfristig zu stärken. Die Geschäftsmodelle der Banken und Sparkassen bedürfen daher weiterhin einer Anpassung. Die aktuelle Krise kann hier vielleicht auch eine Chance bringen, Digitalisierungs- und Konsolidierungsmaßnahmen beschleunigt umzusetzen. Chancen für Banken sehe ich zudem im Finanzierungsbedarf der Unternehmen, im Bereich Nachhaltigkeit und digitale Transformation.

Unabhängig von den aktuellen Sondermaßnahmen werden wir als Aufsicht daher weiterhin darauf drängen, dass die Institute die erwähnten Herausforderungen angehen und kontinuierlich ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellen.

Über den Autor

Prof. Dr. Joachim Wuermeling

Prof. Dr. Joachim Wuermeling ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, zuständig für die Ressorts Banken und Finanzaufsicht, Informationstechnologie und Risiko-Controlling. Zuvor war er in verschiedenen leitenden Funktionen in der Finanz- und Versicherungswirtschaft sowie in der Politik tätig. Bis zu seinem Wechsel zur Bundesbank war der gelernte Jurist seit 2011 Vorsitzender des Vorstands des Verbands der Sparda-Banken.

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