Eine Bank wie Tinder?

Mit „Swipen“ zur Finanzberatung

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Stellen Sie sich eine Bank wie Tinder vor. Sie beantworten einfache Fragen, indem Sie nach rechts oder links wischen, um eine Finanzempfehlung zu erhalten. Eine Illusion? Wer weiß? Ansatzpunkte gäbe es.

Stellen Sie sich einen Finanzdienstleister wie Tinder vor

Stellen Sie sich einen Finanzdienstleister wie Tinder vor, bei der man durch „Swipen“ nach links oder rechts zu einer Finanzberatung gelangt.

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FinTech ist eher eine Evolution als eine Revolution. Bisher gab es eine Digitalisierung bestehender Prozesse, aber keine disruptive Veränderung der gesamten Branche wie bei Netflix oder Spotify. Auf meiner Suche nach einem echten Game Changer habe ich mich gefragt, was passieren würde, wenn eine Bank wie Amazon, Apple, Netflix oder Google arbeiten würde. Dieses Mal frage ich mich, wie eine Bank aussieht, die wie Tinder funktioniert.

Tinder hat die Partnervermittlung revolutioniert

Vor Tinder war die digitale Partnersuche nicht besonders sexy, zumindest die Nutzererfahrung vor der eigentlichen Partnersuche. Tinder hat das Matchmaking revolutioniert. Es war die erste Anwendung, die die Partnersuche zu einem einfachen und unterhaltsamen Erlebnis machte.

Sie funktioniert nach einem einfachen Mechanismus: Wenn ein Nutzer jemanden mag, wischt er nach rechts, um ihn zu mögen, oder nach links, um ihn abzulehnen. Das Ganze nennt sich „Swipen“. Das hat Tinder zur beliebtesten Dating-App gemacht.

Stellen Sie sich eine Bank wie Tinder vor

Stellen Sie sich eine Bank oder eine Versicherungsgesellschaft wie Tinder vor. Genauer gesagt, stellen Sie sich einen Beratungsprozess vor, der wie Tinder funktioniert. Sie beantworten Fragen mit Ja oder Nein, indem Sie nach rechts oder links wischen, genau wie bei Tinder.

Dies würde die digitale Finanzberatung zu einem einfachen und unterhaltsamen Erlebnis machen. Sie müssen keine langweiligen Online-Formulare mehr ausfüllen. Man muss keine langen Texte mehr eintippen. Man führt keine Pseudo-Konversationen mehr mit einem Chatbot.

Durchbruch für die digitale Finanzberatung?

Bislang hat sich die digitale Beratung noch nicht wirklich durchgesetzt. Bei einfachen und standardisierten Produkten wie dem täglichen Bankgeschäft oder Sachversicherungen ist die Digitalisierung weit fortgeschritten. Bei komplexeren Produkten steckt der Digitalisierungsgrad jedoch noch in den Kinderschuhen. Beratungs- und erklärungsbedürftige Produkte, wie Geldanlagen oder Lebensversicherungen, hinken in der Digitalisierung hinterher.

Ein Grund dafür ist die miserable User Experience (UX). Die UX der digitalen Finanzberatung orientiert sich zumeist am Offline-Beratungsprozess. Digitale Finanzberatung bedeutet daher in den meisten Fällen das Ausfüllen von langweiligen und unbequemen Fragebögen. Im besten Fall gibt es Schieberegler und einige grafische Elemente.

Auch die Versuche, die Finanzberatung mit Chatbots zu digitalisieren, haben den Durchbruch nicht geschafft. In den meisten Fällen sind die so genannten Chatbots nicht sehr intelligent und sind eigentlich nur ein getarnter Fragebogen. Aber auch Chatbots mit exzellentem UX-Design, wie z.B. das US-Versicherungsunternehmen Lemonade, wurden schon oft kopiert, haben aber die Offline-Beratung noch nicht ersetzt.

Offensichtlich muss man das Thema digitale Finanzberatung völlig neu denken. Die Anwendung der Logik von Tinder wäre ein solcher Out-of-the-Box-Ansatz. Allerdings ist dies zunächst eine Hypothese, die in Nutzertests im Detail validiert werden sollte. Wie könnte ein solcher Beratungsprozess in der Praxis aussehen?

Mit ein paar „Swipes“ zur Anlagestrategie

Nehmen wir das Beispiel einer Anlageberatung. Die Beratung besteht aus einer Reihe sehr einfacher Ja- oder Nein-Fragen. Sie wischen nach rechts, um zuzustimmen, oder nach links, um abzulehnen. In einer stark vereinfachten Version könnten die Fragen und Antworten zum Beispiel so aussehen:

  • Wollen Sie langfristig für fünf Jahre und länger investieren? Ja (nach rechts streichen)
  • Wollen Sie regelmäßig jeden Monat sparen? Nein (nach links wischen)
  • Möchten Sie einen einmaligen Betrag von 5.000 € und mehr anlegen? Ja (nach rechts wischen)
  • Möchten Sie die Aktien selbst auswählen und Ihr Portfolio verwalten? Nein (nach links wischen)
  • Wollen Sie Ihr Geld nachhaltig anlegen? Ja (nach rechts wischen)
  • Sind Sie bereit, für eine höhere Rendite vorübergehende Verluste von bis zu 30 Prozent in Kauf zu nehmen? Nein (nach links wischen)

Das Ergebnis ist schließlich eine Empfehlung. In diesem vereinfachten Beispiel wäre die Empfehlung wahrscheinlich ein Robo-Advisor-Portfolio mit moderatem Risiko und nachhaltiger Anlage. Dieses Beispiel dient als Demonstration. In einem realen Anwendungsfall bräuchte man wahrscheinlich ein paar mehr Fragen, um eine angemessene Anlageempfehlung geben zu können.

Hat die Tinder-Bank eine Chance?

Das Management von Banken und Versicherungen hatte bisher keine Veranlassung, etwas zu ändern oder über den Tellerrand zu schauen. Vor allem im Finanzsektor fehlt es den meisten Führungskräften an einem richtigen Verständnis für die Bedeutung von UX. Hinzu kommt der starke Widerstand der Vertriebsteams, mit denen es sich kein Vorstandsmitglied verscherzen möchte. Von den etablierten Unternehmen ist daher nicht viel zu erwarten.

Aber es gibt einen Business Case für einen digitalen Angreifer. Im Gegensatz zu Konten und Karten, auf die sich die Neobanken stützen, ist die Beratung hochprofitabel. Ein digitaler Angreifer könnte die Kosten radikal senken und sogar die Qualität der Beratung verbessern. Entweder hat noch niemand daran gedacht. Oder es wurde bereits getestet, ist aber in Benutzertests durchgefallen. Ich bin wirklich gespannt, ob wir in naher Zukunft eine Tinder-Bank oder -Versicherung sehen werden.

Über den Autor

Til Klein

Til Klein ist ein deutscher Unternehmer in der Schweiz, Gründer des Altersvorsorge FinTechs Vantik und Mitglied im Expertenrat für die Europarente PEPP bei der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA. Als Partner bei Boston Consulting Group (BCG) hat er Finanzdienstleister in der DACH Region, in Nordics und in Südostasien beraten. Bei der schweizer Grossbank UBS war er für die Vertriebsentwicklung von Privat- und Geschäftskunden verantwortlich. In seinem Blog „The Rebel Banker“ schreibt er über FinTech Innovation. Mit Identity Ventures hat er den ersten LGBTQ+ Impact Venture Capital Funds in Europa mitgegründet.

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