Die fünf „Stufen des Leidens“ auf dem Weg zur Bank 2.0

Bankmanager auf ihrem Weg zum Verständnis sozialer Medien

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Stufen auf dem Weg zur Bank 2.0

Pixelio.de / Gerd Altmann

Facebook hat inzwischen mehr als eine halbe Milliarde aktive Nutzer, von denen die Hälfte jeden Tag aktiv ist. Eine bemerkenswerte Zahl. Erstens, betrachten wir die Kundenzahl als „Einwohner“, wäre Facebook das drittgrößte Land der Erde (hinter China und Indien). Zweitens sieht es nicht danach aus, als ob dieses Wachstum in absehbarer Zeit beendet sein könnte. Drittens, das weitere Wachstum wird nicht durch Liefer- oder Produktionsengpässe eingeschränkt. Facebook ist einfach überall dort, wo auch die Kunden sind.   

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Twitter berichtet inzwischen von 175 Millionen registrierten Nutzern und 95 Millionen Tweets pro Tag (im Juni waren es noch 65 Millionen Tweets pro Tag). Foursquare ist ein neuer Geolocation-Dienst, der schon 4 Millionen Nutzer hat und rd. 100.000 neue jede Woche hinzu gewinnt.   

Wann wird diese Entwicklung enden? Genauso gut könnte man fragen, wann es kein Internet oder keine Mobiltelefone mehr geben wird.   

Welche Auswirkungen ergeben sich für die Banken und Finanzwelt? Eine berechtigte Frage, zählen doch Banken nicht gerade zu den innovativen Branchen. So haben viele Bankmanager auch noch nicht realisiert, was Web 2.0 und soziale Medien konkret für sie bedeuten. Viele von ihnen befinden sich immer noch auf einer der folgenden fünf „Stufen des Leidens“:   

 Stufe 1: Totale Ignoranz   

Wenn eine neue Innovation herauskommt, ignorieren viele Bankmanager diese einfach. Warum auch nicht, „Banken gibt es ja schon seit Jahrhunderten und daran wird sich grundsätzlich auch nichts ändern …“   

 Stufe 2: „Es ist ja nur eine Modeerscheinung“   

„Visionäre sehen eine Zukunft für Telearbeit, interaktive Bibliotheken und Multimedia-Klassenzimmer… Wirtschaft und Handel werden von Büros und Einkaufszentren in Netzwerke und Modems verlagert… Unsinn. Haben unsere Computerexperten jeglichen gesunden Menschenverstand verloren? Die Wahrheit ist: keine Online-Datenbank wird Ihre Tageszeitung überflüssig machen, keine CD-ROM kann einen kompetenten Lehrer ersetzen und kein Computer-Netzwerk wird die Arbeit einer Regierung verändern… Doch Nicholas Negroponte, Direktor des MIT Media Lab, sagt voraus, dass wir bald Bücher und Zeitungen direkt über das Internet kaufen. Oh ja, sicher doch.“ (Clifford Stohl, Newsweek, 27. Februar 1995)   

Übersetzt für Bankmanager und Soziale Medien: “Ok, wir wissen, dass es Soziale Medien gibt, aber sie sind nur eine Modeerscheinung – die ganze Aufregung legt sich bald wieder“.   

 Stufe 3: „Wie soll man denn damit überhaupt Geld verdienen?“   

Infolge der Versäumnisse aus den Stufen 1 und 2 blicken Bankmanager ungläubig auf das enorme Wachstum von Facebook, Twitter und Co. und werfen dann einen Blick auf ihre Nachbarbanken. Da sich bei denen auch wenig tut, sagen sie sich: „Niemand verdient Geld damit, also lassen wir uns nicht weiter davon stören…“   

Wie Sie erkennen können, dass sich ihre Bank in dieser Stufe befindet? Sie ist in Facebook mit einer eigenen Seite vertreten, aber niemand managt diesen „Social-Media-Horchposten“ aktiv.   

 Stufe 4: Der Überschall-Knall   

Internet-Banking, Mobile Banking, Social Media: Für viele Banker gibt es da keine wirklichen Unterschiede. Es ist, als ob sie einem Düsenjet beim langsamen Vorbeiflug zuzusehen und sich beim Hören des Überschall-Knalls anfangen zu wundern, wie schnell er davon fliegen kann. Dann ist es aber bereits zu spät. Wenn die aktiven Wettbewerber mit Mach 1 oder Mach 2 Fahrt aufgenommen haben, sind sie bereits weit, weit vor ihnen.  Spätestens dann ist Schluss mit der Ignoranz. Es hat „BOOM“ gemacht.   

Dies ist die Stufe, auf der die meisten Banken heute stehen.   

Woran Sie erkennen, dass Ihre Bank sich auf dieser Stufe befindet? Es wurde gerade eine neue Position „Leitung Soziale Medien“ geschaffen.   

Soziale Medien und der Überschnallknall

Soziale Medien treffen viele Banken wie ein Überschallknall

Stufe 5: Hektik und Betriebsamkeit breiten sich aus   

Jetzt ist es endlich soweit: Die Bankmanager erkennen ihre Versäumnisse der letzten vier Jahre. Ihre mangelhafte Vorbereitung auf die neuen Herausforderungen macht den Kunden und Mitarbeitern, ja der ganzen Welt wieder einmal deutlich, wie gering die Verbundenheit der Banken mit dem aktuellen Geschehen um sie herum manchmal ist.   

Zumindest das PR-Desaster soll nun so schnell wie möglich bereinigt werden. Überall in der Bank werden jetzt plötzlich Initiativen und Projekte aufgesetzt, mit denen das Versäumte schnell nachgeholt werden soll.   

Woran Sie erkennen, dass Ihre Bank sich in dieser Stufe befindet?  Der Vorstand hält Reden und Vorträge über Soziale Medien und erklärt, wie sehr sich die Bank bemüht, Kunden mit diesem Medium besser zu erreichen.   
 

Vorne dabei sein?!   

Wie aber kann meine Bank diese Stufen überspringen? Was kann meine Bank tun, um im Wettbewerb vorne dabei zu sein?   

Das Erste, was Banker tun müssen, ist, ihre Organisationsstrukturen und –prozesse rund um Kunden zu überdenken.  Soziale Medien sind Werkzeuge, um Kunden besser zu erreichen, vor allem aber, um sie zu beteiligen. Investitionen in soziale Medien sind genauso wichtig, wie Investitionen in Filialen oder in Call Center aber mehr als diese können sie helfen, das Geschäftssystem auch intern neu zu strukturieren. Um die Organisation dazu zu bringen, im Zeitalter von digitalen und sozialen Medien nah am Kunden zu sein, muss man losgelöst von  Vertriebskanälen denken.   

Es wird viel über Multikanal-Banking gesprochen, aber die neuen sozialen Medien eröffnen neue, schnell wachsende Möglichkeiten und Wege, mit Kunden ins Geschäft zu kommen. Was wird nach dem Web 2.0 kommen? Irgendetwas auf jeden Fall. Entscheidend ist, dass die Komplexität von Vertriebskanälen weiter ansteigt und zukünftig wird kein Kanal für sich genommen mehr eine herausgehobene Bedeutung haben. Aus Kundensicht werden Filialen nicht wichtiger sein als das Internet, Mobile Banking nicht wichtiger als soziale Medien und Call Center nicht wichtiger als Geldausgabeautomaten. Dies alles sind Zugangswege für die Kunden und Banken müssen lernen, immer dort zu sein, wo ihre Kunden gerade sind. Dazu gilt es, festgefahrene Strukturen und das Denken in Vertriebssilos aufzubrechen: „Denken mit dem Auge des Kunden“ lautet die Devise.  

„Total-Channel“ statt „Multi-Channel“ und das energische und schnelle Vorantreiben der Nutzung sozialer Medien sind konkrete Ansatzpunkte. Wer jetzt nicht schnell handelt, hört sonst vielleicht nur noch das „BOOM“ der Überschallgeschwindigkeit, mit der der Wettbewerb gerade enteilt.

Über den Autor

Brett King

Brett King ist Autor, Gründer und CEO der amerikanischen Movenbank und ein gefragter internationaler Redner. 2012 wurde er zu Amerikas innovativstem Banker des Jahres gewählt. Seine Bücher stehen in den Bestsellerlisten bei Amazon.

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8 Kommentare

  1. Avatar

    Mit großem Interesse habe ich den Artikel „The 5 Stages of Social Media Grief“ auf dem Blog von Brett King gelesen. Dankenswerterweise hat mir der Autor erlaubt, hier eine deutsche Übersetzung zu publizieren.

    Das Original findet sich hier: http://bank2book.wordpress.com/2010/07/22/the-5-stages-of-social-media-grief/

    Ich finde Brett’s Analyse hervorragend und kann nur zustimmen, wenn er beschreibt, dass sich Banker und Innovationen wie zwei Antipoden verhalten.

    Besonders gut gefällt mir Stufe 5, wenn es zum vermeintlichen Handeln kommt. An der Uni haben wir dazu immer gesagt: „Operative Hektik ersetzt geistige Windstille“…

    Das Thema wird uns hier im Bank-Blog sicherlich noch weiter intensiv begleiten.

  2. Avatar

    Ich finde den Artikel auf den Punkt geschrieben – vor allem beschreibt er die Realität – leider. Banken können aus anderen Branchen noch sehr viel lernen…

  3. Avatar
    Sören Westphal am

    Erstaunlich, wie einfach die Welt doch zu sein scheint. Banken sind Traditionalisten und folgen Veränderungsprozessen nur schwerlich? Unfähig zu Innovationen ? Ich rufe dem Autor an dieser Stelle ein wohlgemeintes „Gut gebrüllt, Löwe!“ zu.

    Doch schauen wir einmal näher hin. Auf den ersten Blick erscheinen die beschriebenen, hier fünf, Stufen ähnlich einer Neuauflage der alten Weisheit „People can be divided into three classes, the few who make things happen, the many who watch things happen, and the overwhelming majority who have no idea what has happened“.
    Es scheint mir wissenschaftlich schwerlich haltbar, ganze Unternehmen – hier Banken – oder sogar ganze Branchen mit Millionen von Mitarbeitern der zitierten dritten Kategorie zuzuordnen. Es würde zu untersuchen sein, ob besondere Strukturen vorliegen, die ein hier beklagtes agieren zu stützen in der Lage sind.

    Die Geschichte lehrt uns, detaillierter zu analysieren. Denken wir nur an die unzähligen gescheiterten Projekte der new economy. Viele davon wurden viel später von der damals verspotteten old economy aufgegriffen und höchst erfolgreich umgesetzt. Disruptive Innovationen bedürfen oftmals des richtigen Zeitpunktes in gesellschaftlicher wie technologischer Hinsicht verbunden mit, nicht selten erforderlicher, enormer Kapital- und Umsetzungskraft des Innovators. Schon Clausewitz lehrt uns, zunächst eine umfassende und sorgfältige Analyse einem darauf folgenden beherztem Umsetzen voranzustellen.

    Eine aktive Anwendbarkeit der Tweeds für Kreditinstitute scheint zum heutigen Zeitpunkt noch weit entfernt:
    1. Nahezu alle Finanzdienstleiter sind heute noch nicht einmal ansatzweise in der Lage, die stark online-affinen User sozialer Netzwerke und deren Erwartungen zu bedienen. Die Versäumnisse vergangener Jahre stehen dem geforderten „schnellen Handeln“ massiv im Wege.
    2. Der gesellschaftliche Trend, zwar einerseits über soziale Netzwerke unglaubliche Mengen an Daten über sich preis zu geben verläuft diametral zur Entwicklung im Datenschutz und der gesellschaftlichen Erwartung an Unternehmen im Umgang mit persönlichen Daten.

    Trotzdem muss man konstatieren, dass unsere subjektiven Beobachtungen das oben skizzierte Bild der Veränderungsbereitschaft (siehe auch Kommentierung Leichsenring, H.) von Banken belegen wollen. Die Kausalität lässt sich beispielsweise durch Thesen Philip Kotlers (How to Create, Win and Dominate Markets) veranschaulichen. Win through better Service! Und genau hier gilt es dem Autor bei zu pflichten. Denken mit den Augen des Kunden. Viele Banken scheitern kläglich an dieser Herausforderung. Ein Problem nahezu aller Finanzdienstleister, bei denen sich Erlöse aus Beständen und Margen offenbar so herrlich voraussagen lassen. Beherzigt man die „Augen der Kunden“ weicht Multi-Channel tatsächlich dem Total-Channel ! Allerdings nicht ohne auch an Clausewitz zu denken: Analyse zuerst !

    Herzlichst
    Sören Westphal

  4. Avatar

    Lieber Herr Westphal

    Danke für den ausführlichen und kompetenten Kommentar, der es wert gewesen wäre, als eigener Artikel publiziert zu werden.

    Clausewitz hat natürlich recht, dass man erst mal analysieren soll, bevor man urteilt. Ohne hier beckmesserisch wirken zu wollen: Im Falle der Banken ist dies schon vor längerer Zeit geschehen, was nicht heißen soll, dass man von Zeit zu Zeit das gefundene Analyseergebnis überprüfen sollte. Schon 1985 hat Prof. Leo Schuster einen bemerkenswerten Aufsatz zum Thema „Produktinnovationen und Strategisches Management im Bankbetrieb“ geschrieben und darin nachgewiesen, dass die meisten Banken eher den Feldern Konservatoren, Imitatoren und Kollektivakteuren zuzuordnen sind und es nur ganz wenige Institute gibt, die den Namen Innovatoren verdienen.

    Vermutlich liegt dieses Verhalten darin begründet, dass eine klassische Aufgabe der Banken die Risikotransformation ist und damit typischerweise eine Risikovermeidungsstrategie einhergeht. Da Innovationen wiederum immer mit Risiken verbunden sind, widersprechen sie sozusagen der „Natur einer Bank“.

  5. Avatar

    Bei Bank 2.0 habe ich an diese US-Dienste gedachte, bei denen man seine Umsätze zentral von einem Server abrufen lassen kann und diese dann von überall per Internet verfügbar sind, Mint.com ist so ein Dienst. Wer mehrere Bankkonten hat wäre für sowas dankbar.Außerdem versteh ich auch nicht, warum die normalen Online-Banking Seiten zu grotten schlecht im Funktionsumfang sind. Ich meine, was bedarf es denn bitte für einen Aufwand, eine einfache Notz- und Kategoriefunktion einzubauen? Und trotzdem bietet sowas keine mir bekannte Bank.Bei uns und gibt es ja nichts anderes als elendige Offline-Bankingsoftware. Diese US-Dienste funktionieren nicht mit deutschen Banken.

  6. Avatar

    Hallo Herr Dr. Leichsenring,

    spannender Artikel. Ich glaube momentan konzentrieren sich viele der Banken auf die Nutzung sozialer Medien als Kommunikationskanal. Das ist richtig und wichtig (meine Meinung). Ich glaube aber auch, das Kommunikation nur eine Nutzungsform (wenn auch eine sehr wichtige) von vielen Möglichkeiten im Internet ist. Insbesondere in den letzten 2-3 Jahren sind viele neuen „Geschäftsmodelle“ entstanden. Neue Dienstleistungen werden angeboten oder bestimmte Tätigkeiten aus Sicht des Kunden – wie z.B. das Sparen – im Internet neu interpretiert (bobber, payoff etc.). Einen kleinen Überblick über einige dieser Dienste habe ich in einer Slideshare Präsentation zusammen getragen.
    http://blog.volksbank-buehl.de/2011/06/27/banking-2-0-ein-uberblick-uber-neue-geschaftsmodelle-im-internet/
    VG,
    Franz Welter

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