Ein neues Geschäftsmodell für Deutschland

Fünf Bereiche im Fokus der Veränderung

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Eine aktuelle Studie konstatiert der deutschen Wirtschaft strukturelle Defizite und das Wegbrechen wesentlicher Säulen der wirtschaftlichen Stärke. Um erfolgreich zu bleiben bedarf es einer Neuausrichtung. Fünf Bereiche müssten dabei im Fokus stehen.

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Eine Vielzahl an Krisen – von Corona, gestörten Lieferketten, Arbeitskräftemangel und geopolitischen Veränderungen bis hin zum Ukraine-Krieg, steigender Preise und einer drohenden Rezession – hat Deutschlands Wirtschaft zuletzt stark zugesetzt. Im Gegensatz zu früheren Störungen erhöhen strukturelle Defizite das Risiko, nach Ende der konjunkturellen Talfahrt nicht mehr zügig zu alter Stärke zurückzukehren.

Wichtige Säulen des Wohlstands wie Sicherheit und Verteidigung aus den USA, günstige Energie aus Russland und Wachstumsmärkte in China sind weggebrochen oder zumindest gefährdet. Zudem haben hiesige Unternehmen bei hochinnovativen Zukunftstechnologien in vielen Bereichen international den Anschluss verpasst.

Das sind die zentralen Ergebnisse einer Analyse der Unternehmensberatung Bain & Company. Das deutsche Erfolgsmodell scheint seit vielen Jahrzehnten ernsthaft bedroht zu sein. Um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes im globalen Vergleich mittel- und langfristig zu halten, werde ein Update des Geschäftsmodells benötigt.

Die Studie nennt insbesondere die folgenden fünf Bereiche, in denen umgesteuert werden müsse:

  1. Attraktive Rahmenbedingungen durch kraftvolle Industriepolitik;
  2. Fokus auf Innovationen und Technologie;
  3. Förderung von Gründergeist und Unternehmertun;
  4. Priorisierung von Nachhaltigkeit in Unternehmen;
  5. Aufbau einer intelligenten Resilienz.

1. Attraktive Rahmenbedingungen durch kraftvolle Industriepolitik

Andere Länder wie China oder die USA fördern bereits seit Langem gezielt Schlüsselindustrien und stärken heimische Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Die geopolitischen Veränderungen zwingen Deutschland dazu, eine Phase der konzertierten Standortpolitik einzuläuten, die klare Investitionsschwerpunkte setzt, Zugang zu wichtigen Ressourcen sicherstellt und Handelspartnerschaften eingeht.

Eine neue deutsche Standortpolitik müsse jedoch in eine europäische Vision eingebettet sein. Deutschland könne seinen Wohlstand auf Dauer nur im Rahmen eines wirtschaftlich starken und politisch geeinten Europas sichern.

2. Fokus auf Innovationen und Technologie

Die Marke „Made in Germany“ sei reformbedürftig. Deutschlands wirtschaftliche Stärke beruhe zu oft auf analogen Geschäftsmodellen. Die Wirtschaft müssen sich verstärkt auf Kernstärken wie Innovation und Technologie fokussieren.

Gerade Industrie 4.0 sei ein Schlüsselthema, bei dem hiesige Unternehmen – vom Mittelstand bis hin zum Konzern – ihre Weltklasse unter Beweis stellen könnten. Nicht nur bei Halbleitern, sondern auch bei Quantencomputern, in puncto Biotechnologie und, neuerdings wieder, Rüstung müsse Deutschland im Schulterschluss mit Europa unabhängiger werden.

Beim Ausbau der notwendigen Infrastruktur, dazu zählt etwa das 5G-Netz, liegt Deutschland im globalen Vergleich noch im Mittelfeld. Deshalb gehe es jetzt darum, umso intensiver auf die nächste Technologiegeneration zu setzen und gegebenenfalls einzelne Technologie-Generationen zu überspringen.

3. Förderung von Gründergeist und Unternehmertun

Für die langfristige Transformation der deutschen Volkswirtschaft sei eine florierende Gründerkultur – gepaart mit mehr Risikobereitschaft – von elementarer Bedeutung. Deutschland benötige daher einen deutlich leistungsfähigeren Markt für Wagniskapital um disruptive Innovationen zu fördern und so Arbeitsplätze von morgen zu schaffen. Von den 2021 etwa 1.370 Einhörnern rund um den Globus waren weniger als 40 aus Deutschland.

Dies sei auch Folge eines kaum entwickelten IPO-Markts. 2021 betrug das weltweite Emissionsvolumen rund 600 Milliarden US-Dollar, hierzulande sammelten Erstemittenten lediglich ein Sechzigstel ein.

Wichtig seien auch geeignete Rahmenbedingungen für Wagniskapitalinvestitionen, etwa was die steuerliche Behandlung oder die Möglichkeit für Mitarbeiterbeteiligungen betreffe.

4. Priorisierung von Nachhaltigkeit in Unternehmen

Unternehmen werden von Stakeholdern zunehmend danach bewertet, ob es ihnen gelingt, verantwortungsvoll zu wirtschaften. Klima- und umweltschonende Technologien könnten damit zum deutschen Exportmodell der Zukunft werden.

Im Bewusstsein der hiesigen CEOs sei diese Handlungsoption bereits angekommen: Laut einer 2021 durchgeführten Bain-Studie halten neun von zehn Befragten Nachhaltigkeit in den kommenden fünf Jahren für mindestens genauso wichtig wie die Digitalisierung, nahezu die Hälfte erachtet sie sogar als bedeutender.

Nachhaltigkeit müsse künftig alle Funktionsbereiche eines Unternehmens umfassen, vom Lieferkettenmanagement über die Produktion bis hin zur Vermarktung der Produkte und Dienstleistungen.

5. Aufbau einer intelligenten Resilienz

Die Corona-Pandemie und geopolitische Veränderungen haben das Zeitalter der grenzenlosen Globalisierung beendet. Um widerstandsfähiger gegenüber Krisen zu werden, ist ein Konzept erforderlich, das die Studienautoren Bain als „Intelligente Resilienz“ (Smart Resilience) bezeichnen. Dabei sind Abhängigkeiten und fragile Lieferketten zu überdenken.

Auf strategischer Ebene geht es um die langfristige Ausrichtung des Geschäftsportfolios und um Investitionen in Produktionsstandorte. Operativ sollten Lieferketten und -prozesse nicht nur effizient, sondern auch robust gestaltet werden.

Voraussetzung dafür ist eine durchgängige Transparenz über mehrere Stufen und Unternehmen hinweg, vom Vorprodukt bis hin zur Endkundschaft – die sogenannte Traceability. Mithilfe moderner Technologien und Datennutzung würden Prozesse rund um die Lieferkette intelligenter und ressourcenschonender. So ließen sich genauere Vorhersagen treffen und Szenarien entwickeln, um z.B. auf geopolitische Veränderungen schneller reagieren zu können.

Über den Autor

Dr. Hansjörg Leichsenring

Dr. Hansjörg Leichsenring ist Herausgeber des Bank Blogs und der Finanzbranche seit über 30 Jahren beruflich verbunden. Nach Banklehre und Studium arbeitete er in verschiedenen Positionen, u.a. als Direktor bei der Deutschen Bank, als Vorstand einer Sparkasse und als Geschäftsführer eines Online Brokers. Als Experte für Strategien in den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Vertrieb ist er gefragter Referent und Moderator bei internen und externen Veranstaltungen im In- und Ausland.

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