Künstliche Intelligenz für Jedermann?

Chancen und Risiken einer neuen Technologie

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Künstliche Intelligenz (KI) ist das beherrschende Technologie-Thema – in den Medien, in der Werbung und im Geschäftsleben. Was bedeutet das für Unternehmen im Financial Services-Umfeld und welche Chancen und Risiken bestehen hierbei?

Künstliche Intelligenz ist aktuell das beherrschende Technologie-Thema

Künstliche Intelligenz ist aktuell eines der beherrschenden Technologie-Themen in der Finanzbranche.

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Berg Lund & Company ist Partner des Bank Blogs

Leben wir schon im Zeitalter der autonomen Maschinen? Definitiv nein. Verfolgt man jedoch den aktuellen Technologietrend, dann ist es unverkennbar wie künstlich-intelligente Systeme mehr und mehr in unseren Alltag eingreifen. Jüngste Veröffentlichungen laden zum Staunen, aber auch zum Grübeln ein:

  • OpenAI verweigert aus Angst vor Missbrauch die Veröffentlichung eines Text Synthese Modells.
  • Bedeutender Sieg von AlphaStar im Computerspiel StarCraft II.
  • KI Software erlaubt Gesichter von Personen in Videos täuschend echt zu ersetzen, Videos dieser Software sind als „Deepfakes“ bekannt geworden.

Künstliche Intelligenz bedeutet Chancen

Im Finanzsektor sind – abgesehen von Meldungen aus der FinTech-Szene – eher selten State-Of-The-Art-Veröffentlichungen im Bereich KI zu beobachten. Ungeachtet dessen haben KI-Technologien auch hier längst Einzug ins tägliche Geschäft gefunden: im Front-Office als Interaktionsschnittstelle zum Kunden in Form von NLP-Anwendungen, im Back-Office um operative Prozessabläufe zu optimieren und aus gesammelten Informationen neue Erkenntnisse zu gewinnen. Die aktuelle Entwicklung verdeutlicht, dass Künstliche Intelligenz (KI) auch im Finanzsektor echte Chancen und Mehrwerte schaffen kann.

Mit der digitalen Vernetzung, die seit der Einführung des Internets stetig zugenommen hat, sind auch die Reichweite und die Geschwindigkeit der Verbreitung von Informationen enorm gewachsen. Phänomene wie „Shitstorm“, „Influencer“ oder „Fakenews“ haben zunehmend an Bedeutung gewonnen und nehmen teils großen Einfluss auf den Markt. Für Banken bedeutet das, neue wertvolle Informationen zu Meinungen eigener oder konkurrierender Angebote, zum eigenen oder konkurrierenden Unternehmen und zum allgemeinen Trend am Markt – idealerweise in Echtzeit – zu gewinnen. Diese Informationen können aus Foren, Blogs und sozialen Netzwerken extrahiert, verknüpft und bewertet werden.

Die Use Cases hierzu sind seit einigen Jahren bekannt und viel diskutiert. Jedoch konnte erst in den letzten Jahren durch neue Erkenntnisse im KI-Umfeld ein großer Fortschritt erzielt werden. Sentiment Analysis-Anwendungen sind ein gutes Beispiel hierfür, denn das zuverlässige Erkennen von Sentiments war ein über lange Zeit ungelöstes Problem, mit den neusten NLP Modellen wie BERT wird heute eine vergleichsweise menschliche Qualität erreicht. Anwendung findet dies unter anderem in der algorithmischen Indexbestimmung – ein solcher Index kann genutzt werden, um die Meinungen und Trends zum Aktienindex widerzuspiegeln.

Eine Erkenntnis der bisherigen Entwicklung: Der Schlüssel für bessere Ergebnisse sind eine ausreichend große Menge an bereits korrekt klassifizierten (gelabelten) Daten. Dies kann eine große Herausforderung sein, denn für viele Bereiche ist es zu kostspielig und zeitaufwendig solche Daten zu erheben. Die Forschung fokussiert sich daher zunehmend auf bestärkendes Lernen und ein unüberwachtes Lernen. Diese beiden Techniken kommen ohne oder mit nur wenigen gelabelten Daten aus und liefern bereits heute vielversprechende Ergebnisse. Durch die Abbildung solcher Erkenntnisse auf das tägliche Geschäft der Unternehmen, werden in Zukunft immer wieder neue lukrative Business Cases geschaffen und damit auch die Chance sich am Markt zu behaupten. KI ist eine rasant wachsende Technologie, bei der noch längst nicht die gesamte Fülle an Erkenntnissen ausgeschöpft wurde.

Problemlösung nach Paul Watzlawick

Viele Finanzinstitute erkennen nicht die richtigen Ursachen für vorhandene Probleme.

Künstliche Intelligenz bedeutet Risiken

„KI als Wundertechnologie, die dem eigenen Unternehmen auf Knopfdruck einen deutlichen wirtschaftlichen Vorteil verschafft“

Diese Vorstellung von KI ist auf allen Hierarchie-Ebenen in den Unternehmen zu finden, doch hat die Vergangenheit gezeigt, dass auf dem Weg von der Projektidee bis zur erfolgreichen Implementierung einer KI-Lösung etliche Stolpersteine auftauchen. Für Unternehmen können sich diese Stolpersteine zu Risiken entwickeln, deren Ausmaß von internen Konsequenzen bis hin zu Reputationsschäden reichen kann  – zwei typische Risiken sind im Nachfolgenden beschrieben.

1. Hype

Neue Ideen entstehen täglich in jedem Unternehmen. Die Ideen, die weiterverfolgt werden, sind attraktiv und innovativ und damit fast automatisch mit Künstlicher Intelligenz gekoppelt. Dadurch entstehen mehrere Problem-Gruppen für KI-Projekte:

  • Jene, die effizienter ohne KI lösbar sind
  • Jene, die gar nicht oder nur sehr aufwändig durch KI lösbar sind
  • Jene, die „nice to have” sind, aber keine echten Mehrwerte schaffen
  • Jene, die technisch umsetzbar, aber nicht akzeptiert sind

KI ist nicht die ultimative Lösung für jede Art von Problemstellung und wie mit jedem Hype laufen Erwartung und Realität grundsätzlich auseinander. Dabei werden die Annahmen über den erreichbaren Nutzen und die Umsetzbarkeit oft systematisch überwertet, die Annahmen bezüglich des Aufwands aber oft systematisch unterbewertet. Dies kann in erster Instanz zum Scheitern von KI-Projekten führen, da die Projektziele nur unvollständig, viel zu spät oder mit deutlich höherem Ressourceneinsatz erreicht werden. Wenn wiederholt KI-Projekte in dieser Form scheitern stellt sich innerhalb und auch außerhalb der Organisation ein Vertrauensverlust in die KI-Technologie ein und weitere KI-Projekte sehr viel seltener initiiert. Damit wird eine wichtige Innovationsquelle unterbunden und so die Wettbewerbsfähigkeit und der digitale Wandel stark eingeschränkt.

2. Komplexität

Mit dem Erfolg und dem damit aufgekommenem Hype sind hilfreiche KI-Tools und KI-Frameworks erschaffen worden, mit denen KI-Modelle scheinbar ohne Expertenwissen aufgebaut werden können. Nach Anleitung lässt sich bspw. in der Google-Cloud in wenigen Stunden ein Chatbot aufbauen, der sich bei anfänglicher Konversation nicht mehr von einem fremden Menschen unterscheiden lässt.

Für konkrete Business Use-Cases lassen sich allerdings fast nie fertige Lösungen zusammenstecken. Einerseits liegt der größte Aufwand meist in der Datenbeschaffung, Datenaufbereitung und Datenbereinigung. Andererseits braucht es Experten mit fundiertem Wissen über die betroffene Domäne sowie der zu lösenden Problemstellung. Meist stellt sich erst in der Abarbeitung eines Projektes heraus, dass die geforderten Rahmenbedingungen an die Qualität nicht erreichet werden oder das System, aufgrund von nicht umsetzbaren Serviceanforderungen, fehlenden Schnittstellen oder Technologiedifferenzen, nicht in die Systemlandschaft des Unternehmens integrierbar ist. Dies hat nicht nur zur Folge, dass das Projekt als solches scheitert, sondern bedeutet in der Regel auch, dass für Folgeprojekte keine Mehrwerte gezogen werden können.

Wie können wir diese Risiken minimieren?

Eine strikte Methodik sowohl bei der Auswahl als auch bei der Umsetzung von KI-Projekten hilft die Risiken einzudämmen. Vor Projektbeginn sollten die folgenden Aspekte mit besonderer Sorgfalt durchdacht und dokumentiert werden:

  • Problemspezifikation: In welchem Geschäftsprozessen und Prozessschritten liegen die Pain-Points? Was sind die Ursachen hierfür (organisatorisch/prozessual/technologisch)? Gibt es bspw. einen Mangel oder einen Überfluss an Informationen in der Kundenansprache?
  • Rahmenbedingungen: Liegt eine ausreichende Datengrundlage in Bezug auf Quantität und Qualität liegt vor? Stehen die notwendigen Technologien und das dafür notwendige Know-how bei den Mitarbeitern in einer ausreichenden Kapazität zur Verfügung? Was ist der gesetzliche und gesellschaftlich akzeptierte Rahmen für die Lösung des Problems?
  • Lösungsansatz: Unter Berücksichtigung der vorgenannten Punkte sollte der Lösungsraum neben dem Einsatz von KI-Technologien auch organisatorische Maßnahmen beinhalten (bspw. Schulen von Mitarbeitern, Erfassen von bereits strukturierten Daten möglichst weit vorne in den Prozessen). Diese sind bei gleichem Nutzen oft schneller und weniger aufwendig umzusetzen.

Für die Projektphase sollte ein agiles Vorgehen und ein „Experimentier-Mindset“ bereits in der Planung berücksichtigt werden. Konkret bedeutet das, ganz bewusst „Plug & Play“ Lösungen einzusetzen. Es kann zu Beginn völlig ausreichen ein vorhandenes KI-Modell zu übernehmen, dass Ergebnisse liefert und später als Benchmark dient. Dies ermöglicht in der Umsetzungsphase schnelle Ergebnisse, schafft Vertrauen innerhalb des Projektteams und bei den Stakeholdern, entlastet das Team beim Projekteinstieg und lässt Spielraum für Korrekturen. Parallel zu dem im Projektablauf wachsendem Verständnis für die Problemstellung und Lösungsmöglichkeiten kann dann sukzessive eine professionelle Analyseinfrastruktur und Datenversorgung aufgebaut werden – so können hohe Anfangsinvestitionen vermieden werden und ein gesundes Verhältnis von Aufwand und Nutzen erreicht werden.

Ausblick

In den nächsten Jahren wird die Menge an digitalen Informationen und deren Vernetzung über Geräte und Plattformen weiter stark zunehmen. Und auch die KI-Technologien werden sich weiterentwickeln – ob wir jedoch in naher Zukunft eine KI erleben, die auf menschlichem Niveau Probleme verstehen und diese Probleme für uns eigenständig lösen kann bleibt fraglich.

Bis zu diesem Zeitpunkt bieten uns aber die bereits heute bekannten KI-Technologien vielfältige Möglichkeiten Prozesse zu optimieren, Wettbewerbsvorteile zu realisieren und neue Geschäftsmodelle zu kreieren. Werden die oben beschriebenen Maßnahmen umgesetzt, so können die Risiken auf ein kontrollierbares Maß reduziert werden und der Erfolg für KI-Projekte damit systematisch gesteigert werden – in einem harmonischen Zusammenspiel von künstlicher und menschlicher Intelligenz.


Andreas Hubert - KPMG D&A-Team

Andreas Hubert

Andreas Hubert ist Koautor des Beitrags. Er ist Teil des KPMG D&A Teams und Machine-Learning Enthusiast. In der Vergangenheit hat er sich mehrere Jahre auf Themenschwerpunkte im hochautomatisierten Fahren fokussiert, unter andrem dem Erkennen von ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Aktuell richtet sich sein Interesse auf die Digitalisierungs- und Zukunftsthemen im Bereich Financial Services.


Der Autor ist Referent bei der Konferenz Big Data & Künstliche Intelligenz. Informationen zu der Tagung finden Sie hier.

Über den Autor

Thomas Lechte

Thomas Lechte ist Partner bei KPMG im Bereich Financial Services. Er ist für die IT Services in FS verantwortlich und berät Financial Services Mandanten bei vielen strategischen IT Herausforderungen. Ferner baut er mit dem D&A Team die Financial Services D&A Solution in Deutschland aus. Dabei stehen Daten getriebene Lösungen für Kunden im Vordergrund.

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