Gesunder Menschenverstand und Führung – Ein Widerspruch?

Herausforderungen durch den Wandel der Finanzbranche

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Heutzutage reden wir viel über Agilität und neue Führungsmethoden. Nicht alles ist wirklich neu, manches war schon mal da oder wird mit neuen Begrifflichkeiten aufgewärmt. Was können Führungskräfte zur Motivation des Teams und zur Zukunftsfähigkeit des Unternehmens beitragen?

Wandel der Finanzbranche als Herausforderungen an die Führung

Der Wandel der Finanzbranche ist eine Herausforderung für die Führung.

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PWC ist Partner des Bank Blogs

Schauen wir zunächst einmal auf das aktuelle Stimmungsbild in der Finanzindustrie. Im Mai 2019 hat Horn & Company gemeinsam mit dem Bankingclub sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter/innen aus dem Sektor Financial Services nach einem Stimmungsbild im Hinblick auf den Status Quo der Digitalisierung befragt.

Hieraus lassen sich diverse Rückschlüsse auf die Verfassung der Branche schließen: Während Vertreter der FinTechs und InsurTechs die Stimmung noch recht positiv beurteilen, kann die Grundstimmung bei den klassischen Branchenvertretern wie Privatbanken und Sparkassen bestenfalls als „verhalten“ bezeichnet werden.

Dies verwundert nicht bei allgemein rückläufigen Erträgen, Sparanstrengungen auf der Personal- und Kostenseite und auch die in den Medien omnipräsenten düsteren Aussichten.

Verunsicherung bei den Mitarbeitern von Privatbanken und Sparkassen

Bei den Mitarbeitern von Privatbanken und Sparkassen ist Verunsicherung spürbar.

Bedrohungen der Finanzbranche durch BigTechs

Durch welche Wettbewerber sieht man sich aktuell gefährdet? Die überwiegende Mehrheit (60 Prozent) sieht sich durch die Gruppe der Tech-Giganten wie Google bedroht. Interessant ist jedoch, dass man sogar mit 59 Prozent den direkten Wettbewerb und mit 52 Prozent andere Finanzdienstleister und Vermittler als Bedrohung sieht. Dies verwundert vor dem Hintergrund, dass die direkte Konkurrenz bereits vor dem Start der Digitalisierung da war und auch heute nicht besser dasteht.

Dagegen sieht man FinTechs/InsurTechs „nur“ zu 46 Prozent als Bedrohung und neue Ökosysteme sogar nur mit 38 Prozent. Hier stellt sich die Frage, ob die Unternehmen die Marktverhältnisse wirklich richtig einschätzen. Vielleicht ist das die Antwort auf die Frage, warum man seit Jahren noch immer verzweifelt nach den richtigen Strategien sucht und diese nicht wirklich findet.

Diese These wird bestätigt, wenn man sich die Antworten zur digitalen Zukunft des Unternehmens anschaut. Während 86 Prozent der Führungskräfte der Unternehmen die Zukunft des Unternehmens positiv oder verhalten optimistisch beurteilen, sind ein Viertel der Nicht-Führungskräfte deutlich pessimistischer.

Nach wie vor sind die Veränderungsprozesse „top-down-getrieben“. Das Management muss die Mitarbeiter/innen von den Chancen der Digitalisierung überzeugen, scheint dies aber nicht zu schaffen, da solch ein Transformationsprozess kommunikativ eng begleitet werden muss. Die Digitalisierung wird den Arbeitsalltag der Mitarbeiter/innen nachhaltig verändern und schürt Ängste – von der Veränderung des Status Quo und des Gewohnten bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes.

Diese Ängste müssen vom Management aufgenommen und mit richtigen Strategien begegnet werden, damit das Team überzeugt wird und den Weg in die Zukunft aktiv mitgeht.

Somit lautet das Fazit des Stimmungsbildes: Die Führungskräfte dürfen ihre Mannschaften nicht vergessen!

Führungskräfte von Banken sehen digitale Zukunft positiver als Mitarbeiter

Führungskräfte von Banken sehen digitale Zukunft positiver als Mitarbeiter.

Vorteil FinTechs oder Banken?

Der Blick in die Zukunft in der Finanzindustrie ist allgemein sehr verhalten. Man hat einen großen Respekt vor dem digitalen Wandel, tut sich jedoch noch immer schwer, die richtige Strategie zu finden, die auch die Mitarbeiter motiviert, ihren Beitrag zu leisten. Sprich, der Weg zum Ziel ist noch weit!

Nun könnte man sich ja fragen, warum die FinTechs noch keine echte Disruption ausgelöst haben, wenn die meisten Finanzinstitute mit sich selbst beschäftigt sind? Alternativ hätten sich die klassischen Banken auch aktiv mit den FinTechs zusammentun können? Schließlich steht bei den FinTechs der Kunde im Mittelpunkt, was alle als Mantra vor sich hertragen.

Eine Studie im Rahmen des „World FinTech Reports (WFTR) 2019“ zeigt leider auf, dass man sich selbst im Wege steht. 66 Prozent der Finanzinstitute und 70 Prozent der FinTechs sind der Meinung, dass einer effektiven Zusammenarbeit die Unternehmenskultur und die Mentalität im Wege stehen. Zusätzlich werden Prozessbarrieren und Mangel an langfristigen Visionen und Zielen gesehen.

Dies spiegelt ein trauriges Bild wider. Wenn Banken und FinTechs sich mehr zusammenschließen würden, könnten sie maßgeschneiderte und kundenorientierte Produkte und Services entwickeln und somit ein ernstzunehmender Gegenspieler der BigTechs werden. Erst wenn der Kunde im Mittelpunkt steht und sich verstanden fühlt, dankt er das nachhaltig mit seiner Treue.

Die Banken haben es bislang nicht wirklich verstanden ihr großes Asset – nämlich, dass (noch) der Kunde in sie das größte Vertrauen hat – auszuspielen. Der Kunde tendiert hingegen immer mehr zur Bequemlichkeit. Somit profitieren die BigTechs unweigerlich und sammeln ungestört immer mehr Daten. Die FinTechs hingegen haben bislang den Durchbruch nur selektiv geschafft. Die Ursache könnte darin liegen, dass Online-Banken nach wie vor Betrugsvorwürfen ausgesetzt sind und die Zunahme an Kundenbeschwerden durch diverse IT-Pannen weiter steigt. Folglich leidet auf der Verbraucherseite Akzeptanz und Vertrauen. Also nach wie vor ein Vorteil für die Banken: Sie haben nicht nur das Volumen, sondern genießen noch immer ein relativ hohes Vertrauen, da Banken reguliert sind und im Krisenfall sogar gerettet werden.

Somit lautet das Fazit: Alles in allem haben die Finanzinstitute noch einen kleinen Vorteil, der jedoch mehr und mehr verspielt wird, wenn nichts passiert und zukunftsorientierte Strategien nicht entwickelt und umgesetzt werden.

Was nun? Führung – Leadership ist gefragt!

Der Status Quo sieht allerdings oft anders aus. Nach einer langen Zeit des Aufschwungs in Deutschland ist man bequem geworden. Von der Arroganz zur Ignoranz. Dies mündet darin, dass selten klare Visionen vorhanden sind, die mutig vorangetrieben werden und mit Leidenschaft verfolgt werden.

Wenn man an die „gute alte Zeit“ zurückdenkt, fallen einem Namen ein wie der heute 73-jährige Dirk Roßmann, Reinhold Würth (Jahrgang 1935), Dieter Schwarz (1939), Martin Herrenknecht (1942) und Erich Sixt (1944). Sie alle prägten die deutsche Wirtschaft in der Zeit nach dem Wirtschaftswunder und tun es noch heute im hohen Alter. Sie erschufen aus dem Nichts Milliardenunternehmen und verkörperten einen Unternehmertypus, der zwar selbstherrlich, aber auch willensstark war. Vor allem aber hatten sie eine Vision und waren voller Wachstumswillen.

Umbruchzeiten bieten Chancen

In den nächsten Jahren wird diese Unternehmergeneration nun endgültig abtreten. Und das in einer Zeit, in der das Internet Geschäftsmodelle revolutioniert und unsere Welt durcheinanderwirbelt. Solche Umbruchzeiten bieten zunächst gute Chancen. Nur wer macht sich diese Umbrüche in Deutschland aktuell zunutze? Welche Unternehmer oder Manager haben heute die Visionen und die Willenskraft, um neue global relevante Konzerne zu formen? Gerade die Finanzindustrie in Deutschland gibt mehr und mehr ihre globale Relevanz ab. Anscheinend ist die Not noch nicht groß genug, dass sich etwas wirklich sichtbar bewegt?!

Ein Problem scheint auch die Personalakquise zu sein: Oft stellen zweitklassige Manager nur drittklassige Führungskräfte aus Angst vor Konkurrenz ein. Oder es werden nur Spezialisten befördert, die keine wahren Leader sind und es nicht schaffen, ihre Teams mitzunehmen. Das kann nicht funktionieren, so kommt keine Innovationskraft in die Institute. Bürokratie, wenig Entscheidungsfreude, aber auch eine ausgeprägte Diskussionskultur und deutsche Gründlichkeit erschweren jeden Schritt.

Verantwortung des Management ist gefragt

Was heißt dies nun? Was ist die Lösung? Was ist zu tun? Nicht meckern, sondern machen ist die Lösung! Echte Verantwortungsübernahme des Managements ist notwendig, dass sich etwas bewegt!

Früher reichte ein Chef, der das Wissen und das Können quasi alleine für sich gepachtet hatte schon aus, um Dinge zu bewegen. Es galt das Prinzip von Leistung und Gegenleistung: Erwartungen definieren, Ziele vereinbaren, auf Einhaltung von Normen und „Spielregeln“ achten sowie Leistungen anerkennen und Verhalten loben.

Hierarchie-Ebenen verlieren heute allerdings mehr und mehr an Bedeutung, da Mitarbeiter mehr Gestaltungsmöglichkeiten und Entscheidungsbefugnisse fordern. So werden von Entscheidern neue und andere Eigenschaften gefordert, die einen intensiveren Austausch über alle Hierarchie-Ebenen gewährleisten sollen. Die Veränderungsgeschwindigkeit hat sich extrem erhöht. Alles in allem werden somit die Soft-Skills immer entscheidender. Der Entscheider soll Coach und Sparringspartner sein und vor allem durch Sinnstiftung und Überzeugung die Mannschaft führen – auch bei unangenehmen Botschaften.

Diese Wandlung geht nicht von heute auf morgen, manch erfahrene Führungskraft versteht die Welt nicht mehr. Was früher richtig war, soll heute falsch und antiquiert sein?!

Auf die Haltung kommt es an!

Entscheidend ist das Verstehen, Akzeptieren und Verändern der inneren Haltung. Dies braucht jedoch Zeit und Willen und kostet viel Energie.

Die fehlende Kraft und Energie kann das Hindernis sein, Dinge zu bewegen. Auch heute sind viele Führungskräfte leider „nur“ durch gute Fachkenntnisse in die Managementetage aufgestiegen. Das Zuhören, das Aufnehmen von Schwingungen und das gehörige Fingerspitzengefühl wurden ihnen nicht in die Wege gelegt, geschweige denn gefördert. Nicht alle sind bereit, sich weiterzuentwickeln. Dabei sollten diese Themen doch nicht neu sein…

Wenn man sich das „Heute“ anschaut, ist es von den Werten wirklich nicht so viel anders als „früher“, oder? Waren etwa Wertschätzung, Teamwork und Feedback nicht schon immer relevant?

Begriffe können wir viele neu verwenden, ob agil, Design Thinking, Scrum etc. Am Ende ist es doch gar nicht so schwer – lassen Sie uns einfach etwas bewegen und endlich anfangen, statt zu klagen – hierbei hilft der gesunde Menschenverstand!

Führungskräfte, die selbst nur „meckern“, können Ihre Teams nicht auf die Veränderungsreise mitnehmen.

Ich habe mir daher bewusst ein Leitbild rausgesucht: „Positivität ist ansteckend!“

Acht Elemente einer positiven Führungseinstellung

Acht Elemente einer positiven Führungseinstellung.

Oft überschatten die negativen Themen die positiven. Wenn aber jeder bei sich selbst anfängt und sich einen Schritt zurücknimmt, um Dinge in die richtige Perspektive zu rücken, dann haben wir den ersten Schritt gemacht. Jeder muss bereit sein, seinen Beitrag zu leisten!

Auf den Menschen kommt es an!

Die richtige Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg. Wenn wir unsere Mitarbeiter nicht erreichen, obwohl wir viel kommunizieren, dann machen wir etwas falsch.

Wir brauchen eine Vision für unser Unternehmen, den Mut zu entscheiden und etwas zu tun, um es mit Leidenschaft zu verfolgen. Nur dann werden wir authentisch unseren Mitarbeitern/innen unsere Message vermitteln können und als Vorbild agieren, damit sie Lust bekommen, beim Veränderungsprozess mitzumachen und die Ängste in den Hintergrund treten.

In der Arbeitswelt der Zukunft machen die Menschen den Unterschied: Höchstleistung braucht Freiraum. Eine Vertrauenskultur schafft die Grundlage für eine positive Energie. Hierzu müssen die Firmen ausgetretene Pfade verlassen und Experimente eingehen.

Dies kann sehr anstrengend sein, aber Ausdauer für den Erfolg des Unternehmens lohnt sich!

Über den Autor

Sonja Kardorf

Sonja Kardorf ist seit Mitglied des Vorstandes der Deutsche Leasing AG und verantwortet das Risikoressort. Zuvor war sie Vorstand der Investitionsbank Berlin und in verschiedenen Positionen im In- und Ausland für die Commerzbank, ABN AMRO Bank, HypoVereinsbank, WestLB sowie die Postbank tätig.

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