FinTechs stehen vor einer Marktbereinigung

Gespräch mit Sven Korschinowski, KPMG und Remigiusz Smolinski, comdirect (4/4)

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FinTechs gelten für viele als Inbegriff agiler Innovationen. Das ändert sich, meinen Sven Korschinowski (KPMG) und Remigiusz Smolinski (comdirect). In fünf Jahren stehen die Kunden im Fokus agiler Banken und FinTechs verlieren an Bedeutung.

Innovation und der FinTech Trend

FinTech-Unternehmen treiben die Innovationen in der Finanzbranche voran
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Sven Korschinowski Partner bei KPMG

Sven Korschinowski ist Partner bei KPMG

Sven Korschinowski leitet den Bereich Payments, FinTech & Innovation bei KPMG und Dr. Remigiusz Smolinski ist Chef des Innovationsmanagements bei der comdirect. Sie sind anerkannte Experten für Digitalisierung und Innovation in der Finanzdienstleistung.

Dr. Remigiusz Smolinski (comdirect bank AG)

Dr. Remigiusz Smolinski, Chief Innovation Manager, comdirect bank AG

Sie standen dem Bank Blog für ein ausführliches Gespräch über Digitalisierung und Innovation im Finanzsektor zur Verfügung. In den bisherigen Teilen ging es um die Bedeutung von Innovation und Innovationsmanagement für Banken und Sparkassen und um die Frage, welche Innovationen und digitale Technologien für Finanzinstitute besondere Bedeutung haben und wie sie für mögliche innovative Geschäftsmodelle genutzt werden können. Auch die Themen IT-Strukturen und Change Management wurden intensiv diskutiert.

Im heutigen Abschluss des Gesprächs erfolgt ein Ausblick auf die Entwicklungen im Finanzsektor der kommenden fünf Jahre und die Bedeutung von FinTech-Startups für Markt und Wettbewerb.

In fünf Jahren steht der Kunde im Fokus der agilen Bank

Der Bank Blog: Wenn wir uns in fünf Jahren wieder treffen würden und auf die technologischen und regulatorischen Entwicklungen (hier im wesentlichen PSD2) zurückblicken würden: Was wären die deutlichsten für den Kunden spürbaren Veränderungen im Banking?

Remigiusz Smolinski: Meine große Hoffnung ist, dass es in fünf Jahren in Deutschland keine Bank mehr gibt, die dem Kunden diktiert, was er wo und wann machen muss. Dass Banken dann ein offenes Ohr und Auge für die tatsächlichen Kundenbedürfnisse haben. Und das sie aus dem Wissen, das sie dann haben, spannende, smarte und kundenzentrierte Produkte und Lösungen entwickeln.

Meine Hoffnung als Banker und zugleich mein Anspruch als Innovationsmanager ist es, dass VCs in fünf Jahren trotz Liquidität zweimal überlegen, ob sie wirklich in FinTech-Startups investieren sollen, weil die Reaktions- und Umsetzungsgeschwindigkeit der Banken so gestiegen ist, dass sie unmittelbar auf neue technologische Entwicklungen reagieren können. Banken wären dann nicht nur „mit dabei“ sondern würden die Zukunft selbst aktiv mitgestalten.

Sven Korschinowski: Ich glaube, dass wir in fünf Jahren eine Reihe von Banken aber auch anderen neuen Anbietern sehen werden, die das was Herr Smolinski beschrieben hat, in unterschiedlichen Formen ermöglichen werden. PSD2 wird dann schon gegriffen haben und der Kunde wird wesentlich mehr und flexiblere Möglichkeiten als heute haben, das zu bekommen, was tatsächlich zu seinem Bedarf passt. Das kann durchaus eine Lösung sein, die nicht mehr nur von einem Anbieter kommt sondern die sich aus Leistungen verschiedener Anbieter zusammensetzt.

Der Bank Blog: Und Sie glauben, dass sich aus solchen Modellen nachhaltig profitable Geschäftsmodelle entwickeln lassen?

Sven Korschinowski: Das muss so sein, denn ich glaube nicht, dass Banken oder andere Anbieter in fünf Jahren zu Non-Profit-Organisation mutieren werden. Wir werden daher auch eine stärkere Spezialisierung als heute haben und Teile des Produktionsprozesses aus einzelnen Banken herauslösen und in gemeinsame Dienstleistungsfabriken bündeln.

FinTechs stehen vor einer Marktbereinigung

Der Bank Blog: Wie beurteilen Sie die weiteren Aussichten für Innovation und FinTechs?

Remigiusz Smolinski: Breit verstanden beinhaltet Innovationsmanagement Inkubatoren, Akzeleratoren und Corporate-VCs. Wir können aktuell zwei Tendenzen erkennen: In den USA verbreiten sich langsam die ersten Enttäuschungen bei diesen Gruppen. Coca Cola hat z.B. einen Akzelerator geschlossen. Es gibt auch die ersten kritischen Stimmen aus der Wissenschaft, die am Erfolg dieser Investitionen zweifeln.

Der disruptive Innovationsgrad von FinTechs, vor allem in Deutschland, ist bislang eher gering. Das meiste ist leicht kopierbar und ich sehe kurzfristig eine Bereinigungsphase auf den Markt zukommen. Das wiederum wird die Investoren dazu bringen, ihre Investments kritisch zu hinterfragen und ggf. die Konsolidierung weiter beschleunigen.

Für die Banken waren die letzten zwei, drei Jahren sehr positiv. Sie haben gelernt, das was außerhalb ihrer Hemisphäre geschieht, systematisch zu erfassen und durch die Fokussierung auf interne Fähigkeiten und Kapazitäten ihre Reaktionszeit deutlich zu beschleunigen. Damit sind sie im Wettbewerb stabiler als vorher.

Sven Korschinowski: Ich sehe eine Herausforderung für die nächsten Jahre darin, zu schauen, wo vielleicht andere Ökosysteme oder Destinationen sind, die mit den von uns diskutierten Themen anders umgehen. Hier ist es spannend zu untersuchen, welche Schlüsse aus deren Umgang mit neuen Technologien und Innovationen gezogen werden können, die auch die Finanzbranche weiterbringen könnten.

Zukünftig wird man sicherlich nicht mehr auf jeden Zug aufspringen sondern noch sorgfältiger untersuchen, wo man hinein investiert und warum.

FinTech-Unternehmen und Innovation

FinTech-Unternehmen tragen zur Veränderung des Marktes für Finanzdienstleistungen bei
© Shutterstock

Der Bank Blog: Wenn ich Sie beide richtig verstehe, erwarten sie eine flächendeckende Bereinigung der FinTech-Szene?

Sven Korschinowski: Vielleicht nicht flächendeckend, aber auf jeden Fall eine Bereinigung.

Remigiusz Smolinski: Definitiv. Wir arbeiten gerade an einer Studie dazu und waren überrascht, wie kritisch viele FinTechs selbst ihre Zukunftsaussichten beschreiben. Die Evolution verlief ja sehr schnell: Am Anfang hieß es „Banken sind schlecht, wir machen sie kaputt“. Dann folge die Erkenntnis, sie vielleicht doch als Kooperationspartner zu brauchen, um Umsatz zu generieren. Und inzwischen dominiert das Eingeständnis, dass nur diejenigen eine wirkliche Chance haben, die echte disruptive Geschäftsmodelle entwickeln. Anbieter, die Wettbewerbsvorteile vor allem oder ausschließlich über UX/UI beziehen, werden es schwer haben. Bunte Benutzeroberflächen sind leicht kopierbar und reichen nicht mehr aus, um Erfolg zu haben. Die Banken sind inzwischen durchaus in der Lage nachzuziehen und tun dies auch.

Der Bank Blog: Könnte es auch daran liegen, dass es wahre Disruption im Finanzsektor überhaupt nicht gibt?

Remigiusz Smolinski: Die ist vielleicht schwierig, aber aus Asien und den USA kennen wir Beispiele dafür, die – bei schneller Verbreitung – durchaus bestehende Geschäftsmodelle gefährden könnten, etwas Robinhood. Das US-Startup bietet kostenloses Brokerage, hat gerade in einer Investitionsrunde über 100 Mio. $ eingesammelt und bereits über zwei Millionen Kunden gewonnen. Weitere Beispiele sind Tencent, Alibaba oder Ant Financial, die darauf hindeuten, das Disruption im Finanzsektor zumindest nicht unmöglich ist.

Sven Korschinowski: Disruption im Bereich Finanzdienstleistung ist möglich, aber nicht so schnell und nicht in der Breite, wie von manchen vielleicht erwartet. In vielen Bereichen haben wir auch andere Voraussetzungen als in anderen Ländern. Und nicht alles ist wirklich disruptiv, das dies von sich behauptet.

Wichtig ist, die Augen offen zu halten und dies auch strukturiert zu tun, um für mögliche Entwicklungen gewappnet zu sein und die tatsächlich disruptiven Trends frühzeitig zu erkennen um nicht auf diese nur zu reagieren sondern sie aktiv gestalten zu können.

Auch in Zukunft werden wir viele FinTech-Themen haben, aber vielleicht brauchen wir 200 oder 300 Ansätze, um den einen herauszufiltern, der tatsächlich disruptiv wirkt.

Remigiusz Smolinski: Ohne FinTechs würden wir vermutlich dieses Gespräch nicht führen, insofern hoffe ich, dass wir in Zukunft noch viele davon sehen werden und der Unternehmergeist im Bereich Financial Services in Deutschland nicht zum Erlöschen kommt. Der Bereich bringt uns wertvolle Inspiration und Motivation, damit wir nicht vergessen, dass der wichtigste Wettbewerbsvorteil darin besteht, jeden Tag ein bisschen besser zu werden.

Der Bank Blog: Vielen Dank für das Gespräch.

Über den Autor

Dr. Hansjörg Leichsenring

Dr. Hansjörg Leichsenring ist Herausgeber des Bank Blogs und der Finanzbranche seit über 30 Jahren beruflich verbunden. Nach Banklehre und Studium arbeitete er in verschiedenen Positionen, u.a. als Direktor bei der Deutschen Bank, als Vorstand einer Sparkasse und als Geschäftsführer eines Online Brokers. Als Experte für Strategien in den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Vertrieb ist er gefragter Referent und Moderator bei internen und externen Veranstaltungen im In- und Ausland.

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