Wann ist der Einsatz von Blockchains effizient?

Vorteile und Grenzen von Digital Ledger-Technologien

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Blockchain-Technologien lösen zentrale Strukturen ab und bilden Netzwerke. Ihre spezifischen Eigenschaften bieten zahlreiche Vorteile, können jedoch auch schnell an Grenzen stoßen.

Eignung der Blockchain-Technologie für das Banking

Hintergründe, Vorteile, Grenzen und Einsatzmöglichkeiten der Blockchain-Technologie im Bankgeschäft.

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Das Interesse am Thema Blockchain ist groß. Die Technologie bietet das konzeptionelle Gegenstück zu zentralen Strukturen, im Folgenden als zentrale Kontrollstellen bezeichnet, die bisher für Erstellung, Übertragung und Eigentumsüberprüfung von Gütern in analoger wie digitaler Form zuständig sind.

Im Rahmen einer dreiteiligen Serie wird der Nutzen von Blockchain-Technologien für Banken untersucht. Im ersten Teil wurde beschrieben, unter welchen Voraussetzungen die Blockchain sinnvoll zur Lösung von Problemen eingesetzt werden kann. Im vorliegenden zweiten Teil wird der Frage nachgegangen, wie es um die Effizienz eines Einsatzes bestellt ist.

Blockchains dienen der Effizienz von Transaktionen

Blockchains – wie zentrale Kontrollstellen – dienen der Effizienz von Transaktionen zwischen Parteien, die sich nicht vertrauen und bei denen Güter übertragen werden, deren Echtheit durch Zertifikate gestützt wird.

Technisch können Art und Umfang dieser Transaktionen in Form von Netzwerken abgebildet werden. Die Eigenschaften dieser Netzwerke bestimmen dabei die Effizienz des Einsatzes von Blockchains und zentralen Kontrollstellen. Im Folgenden werden die Konzepte der Blockchain und der zentralen Kontrollstelle in Bezug auf relevante technische Eigenschaften verglichen.

Geringer Aufwand, aber schlechte Skalierbarkeit

Als vollständig dezentrales Konzept fallen Aufwände für Registrierung und Pflege der Teilnahme an Blockchains bei den Teilnehmern selbst an. Blockchains benötigen keine zentralen Pflegemechanismen; auch bei einer großen Anzahl von Teilnehmern bleibt der zentrale Aufwand gering. Bei zentralen Kontrollstellen steigt der Aufwand für Registration und Pflege mit jedem Teilnehmer. Besonders ineffizient ist Verwaltung von Teilnehmern, die keine Transaktionen durchführen, da hier aus Sicht des Netzwerks mehrwertloser Aufwand für die Registrierung und den Unterhalt der für Transaktionen notwendigen Informationen anfällt.

Während der zentrale Aufwand für die Teilnahme bei Blockchains sehr gering ausfällt, skalieren sie bei erhöhtem Transaktionsvolumen schlecht. Dies resultiert aus der Dezentralität des Hauptbuchs. Mit der Anzahl der Transaktionen steigt die Anzahl der Replikationen zwischen den Nodes. Unter der Annahme einer konstanten Anzahl von Nodes steigt der Kommunikationsbedarf um einen linearen Faktor als Resultat aus der Blockgröße und der Anzahl Nodes steiler an, als die Anzahl der Transaktionen selbst. Unter der Annahme, dass die Anzahl Nodes parallel zum Transaktionsvolumen steigt tendiert der Anstieg in Richtung einer Exponentialfunktion.

Da die Anzahl der Nodes die Grundlage für die Robustheit gegenüber Manipulierbarkeit darstellt, lässt die sich Anzahl Nodes konzeptionell nicht verknappen und sollte bei höherem Transaktionsvolumen steigen.

Verifizierung als Effizienzproblem

Neben der Replikation spielt ein zweiter Faktor der Blockchain eine deutlich gewichtigere Rolle für die Skalierung. Hierbei handelt es sich um den Mechanismus zur Verifizierung der einzelnen Blocks durch die kontrollierenden Teilnehmer. Diese stehen beim aktuell am häufigsten verwendeten „proof of work“ bei jedem Block im Wettbewerb zur Kontrolle. Da nur der Sieger einen Nutzen aus der Berechnung zieht und die Aufgaben tendenziell schwieriger werden, ergeben sich hier zwei Skalierungsprobleme. Je mehr Nodes die Blockchain aufweist, desto höher sind der nicht genutzte Berechnungsaufwand der Verlierer und damit der Gesamtaufwand für die Verifikation. Gleichzeitig steigt dieser Aufwand bei einer konstanten Anzahl von Nodes mit jedem abgeschlossenen Block. Der Berechnungsaufwand der kontrollierenden Teilnehmer skaliert damit negativ zum Transaktionsvolumen. Dies kann so weit gehen, dass der Energieverbrauch für den Sieger bereits den Wert der Belohnung übersteigt.

Im Falle des „proof of stake“ Ansatzes entfällt die Ressourcenvergeudung durch Berechnung; die schlechte Skalierung aufgrund der steigenden Anzahl von Nodes bei steigendem Volumen bleibt jedoch erhalten.

Blockchains haben ihr Effizienzoptimum daher in Netzwerken mit großen Teilnehmerzahlen mit resultierend ausreichenden Nodes bei geringem Transaktionsvolumen pro Zeiteinheit. Zentrale Kontrollstellen skalieren dagegen linear, da alle Transaktionen und deren Verifikationen in zentralen Büchern geführt werden.

Transparenz von Blockchains

Eine weitere wichtige Eigenschaft von Blockchains ist ihre erzwungene Transparenz. Jede Node besitzt eine Kopie des vollständigen Transaktionsverzeichnisses. Die Teilnahme als Kontrolleur und damit der Aufbau einer Node steht jedem offen. Dadurch sind alle Transaktionen – wenn auch die Durchführenden nicht direkt zuordenbar sind – in Blockchains öffentlich. Die Nutzer sind maximal pseudonym geschützt; die Herausforderung der Identifikation hängt von der Kontextkomplexität der Anzahl und der Aktivitäten der Teilnehmer ab. Je mehr und eindeutiger Teilnehmer in der Blockchain agieren, desto einfacher ist ihre Identifikation.

Diese Transparenz ist der Preis für die dezentralen Verifikationsmechanismen der Blockchains. Der Einsatz zentraler Kontrollstellen benötigt diese Form der Offenheit nicht. Teilnehmer haben lediglich Zugriff auf Transaktionen, auf die sie berechtigt sind; nur die Administratoren der zentralen Kontrollstellen können alle Transaktionen einsehen.

Grenzen der Sicherung von Blockchains

Die Offenheit der Blockchains erstreckt sich auch auf die Freiheit der Durchführung von Transaktionen. Blockchains überprüfen nur, ob Teilnehmende Eigentumsrechte an den Zertifikaten besitzen und stellen deren Übertragung sicher. Weitere Berechtigungen von Teilnehmern zur Durchführung von Transaktionen werden nicht überprüft. Die Sicherstellung von Einschränkungen durch Regeln und Richtlinien von dritten Parteien, z.B. gesetzliche Rahmenbedingungen oder Compliance, können Blockchains nur integrieren, wenn sie für alle Teilnehmer gelten. Diese Freiheit der Transaktionsdurchführung gilt auch für viele zentral kontrollierte Netzwerke. Sie können aber mittels Zugangsmanagement eingeschränkt werden, indem sie die teilnehmenden Akteure zur Überprüfung und Einhaltung der Regeln zwingen, bevor diese Transaktionen auf dem Netzwerk durchgeführt werden.

Beispiele hierfür sind die Kontrollanforderungen an Banken bei Verwendung von Zahlungsverkehrsnetzwerken oder an Telcos bezüglich der Benutzung ihrer Telefonnetze. Blockchains ermöglichen diese Kontrolle nicht, da die Teilnahme konzeptionell weder effektiv ausgeschlossen noch Verstöße sanktioniert werden können. Anders verhalten sich zentrale Kontrollstellen, welche aufgrund der direkten Kontrolle der Teilnehmer relativ einfach um solche Funktionen erweitert werden können.

Jedem Netzwerk liegt eine Logik zugrunde, die Art und Umfang zulässiger Transaktionen definiert. Diese Regeln zur Transaktionsverarbeitung können sich über die Zeit ändern oder zur Ausführungszeit durch zusätzliche Regeln, im Blockchain Kontext als Smart Contracts bezeichnet, angepasst oder ergänzt werden. Die temporäre oder dauerhafte Anpassung der Verarbeitungslogik des Netzwerks unterliegt den gleichen Eigenschaften und Einschränkungen wie die weiter oben beschriebenen Überlegungen zur Transaktionsverarbeitung, d.h. Blockchains reagieren auf Anpassungen von Regeln mit multipler linearer bis zu exponentieller Steigerung des Bearbeitungsaufwands. Insbesondere die starke Nutzung von Smart Contracts belastet Blockchains in noch höherem Masse als das Transaktionsvolumen, da die eingebettete Logiken von jeder Node ausgeführt werden müssen. Der entsprechende Aufwand ist bei zentralen Kontrollstellen deutlich geringer.

Spezifische Eignung von Blockchains

Zusammenfassend eignen sich Blockchains aus technischer Sicht besonders für Netzwerke mit hoher, dynamischer Teilnehmerzahl bei wenigen Transkationen pro Teilnehmer unter hohen Transparenzanforderungen im Netzwerk bei Freiheit in der Transaktionsdurchführung und begrenzter Komplexität der Transaktionslogik.

Neben den technischen Kriterien haben Blockchains auch ökonomischen Einfluss. Unabhängig von ihrer Eignung für spezifische Netzwerke stellen Blockchains eine generelle Alternative zu zentralen Kontrollstellen dar. Letztere haben aus ökonomischer Sicht häufig eine natürliche Monopolstellung in den durch sie kontrollierten Netzwerken inne. Dies kann zu bekannten ökonomischen Ineffizienzen, wie z.B. Investitionsblockaden und Monopolrenten, führen. Blockchains können diese ökonomischen Effizienzpotenziale durch ihren dezentralen Ansatz heben. Ähnlich verhält es sich, wenn zentralen Kontrollstellen von den Teilnehmern kein Vertrauen entgegengebracht wird. Auch hier können Blockchains das Vertrauensproblem durch die dezentrale und offene Verifikation kanalisieren.

Bei der Prüfung der Eignung des Einsatzes von Blockchains sollten daher erst etwaige ökonomische Überlegungen geprüft werden, bevor die technischen Kriterien zur Anwendung kommen.

Distributed Ledger und Private Blockchains

Einen anderen Weg der Steigerung der Nutzerbarkeit der Blockchain-Konzepte verfolgen die Entwickler im Bereich der „Distributed Ledger“. Sie reduzieren die ungewünschten Eigenschaften von Blockchains, durch Verringerung der notwendigen Transparenz, Steigerung der Kontrollmöglichkeiten der Teilnehmer sowie der Transaktionsdurchführungen und Erhöhung der Komplexität verarbeitbarer Transaktionslogiken.

Um dies zu erreichen greifen sie auf Konzepte der zentralen Kontrollstellen zurück. Wenn Blockchains und zentrale Kontrollstellen als zwei Pole eines Kontinuums betrachtet werden, erlauben Distributed Ledgers die Entwicklung von beliebigen Hybriden zwischen diesen beiden Extremausprägungen.

Die Effizienz dieser Hybriden, welche Eigenschaften beider Ansätze vermischen und durch Begriffe wie „Private Blockchains“ dargestellt wird, bleibt abzuwarten. Sie erweitern sicher das Anwendungsfeld der Blockchain-Konzepte, erhöhen aber auch die Komplexität der eingesetzten Lösungen. Die meisten auf Industrielösungen fokussierten Entwicklungsplattformen im Blockchain-Umfeld, wie „Hyperledger“ und „R“ sind diesem Ansatz zuzuordnen. Es bleibt abzuwarten, in welchen Anwendungsfällen ein Optimum zwischen den beiden Polen der zentralen Kontrollstellen und der Blockchains existiert.


Im dritten und letzten Teil der Serie werden konkrete Anwendungen für den Bankbereich beschrieben und hinterfragt.

Über den Autor

Dr. Henning Gebert

Dr. Henning Gebert arbeitet als Leiter der Geschäftsentwicklung im Bankenbereich des Schweizer Telekomunternehmens Swisscom. Im Rahmen seiner Tätigkeit beschäftigt er sich mit der industriellen Anwendbarkeit neuer Technologien im Bankenumfeld von der Analyse bis zur Implementierung. Zuvor war er als Leiter der Bereiche Banking Individuallösungen, Leiter Finance & Risk Solutions, sowie als Unternehmensberater in einer großen Schweizer Beratung tätig. Seine Ausbildung absolvierte er an der Technischen Universität Darmstadt und der Universität St. Gallen. Dr. Gebert unterrichtet als Gastdozent an verschiedenen Universitäten und Foren.

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