80 Prozent weniger Banken bis 2030?

Digitaler Umbruch der Finanzbranche

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Eine neue Studie sagt voraus, dass 80 Prozent der etablierten Finanzdienstleistungsunternehmen bis 2030 aus dem Markt verschwinden oder bedeutungslos werden. FinTechs und andere neue Wettbewerber würden ihre Rolle übernehmen.

Banken vor dem Untergang?

Steht die Mehrzahl der etablierten Banken vor dem Untergang?

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Innerhalb der nächsten zwölf Jahre werden – so eine aktuelle Prognose des Analyseunternehmens Gartner – weltweit 80 Prozent der etablierten Finanzunternehmen entweder aus dem Geschäft verschwinden oder irrelevant werden. Ursächlich seien neue Wettbewerber, verändertes Kundenverhalten und technologischer Fortschritt.

Viele der Institute würden nur noch formal existieren, aber effektiv nicht mehr am Wettbewerb teilnehmen. Globale digitale Plattformen, FinTech-Unternehmen und andere neue Akteure würden deren Marktanteil übernehmen und digitale Technologien nutzen, um die Grundlagen und Geschäftsmodelle der Finanzbranche zu verändern.

Fehlende ganzheitliche Transformation

David Furlonger, der für die Analyse zuständige Vice President, verweist auf die Gartner-CEO-Umfrage 2018: Demnach würden CEOs von Finanzdienstleistern zwar weiterhin Ertragswachstum als Ziel angeben, gleichzeitig aber die Prioritäten auf Effizienz- und Produktivitätsverbesserungen.

Dies deute darauf hin, dass die Digitalisierung überwiegend als Kanal- und Transaktionsautomatisierung verstanden wird und Banken sich damit, wie er meint, auf Geschäftsoptimierung und nicht auf eine ganzheitliche Transformation fokussieren.

Pete Redshaw, ebenfalls Vice President bei Gartner hält dies deshalb für gefährlich, weil der Grad der Veränderungen, den digitale Technologien in die Finanzbranche einbringen, so unterschätzt würde. Gerade der Bereich Finanzdienstleistung sei besonders anfällig für Störungen durch neue digitale Wettbewerber.

Darüber hinaus würden aufkommende Technologien (wie z.B. Blockchain) weitere Transformationschancen bieten, indem sie Vertrauen zwischen Parteien schaffen, die sich nicht kennen, ohne zwischengeschaltete Intermediäre, wie etablierte Finanzunternehmen. Gleichermaßen können intelligente Peer-to-Peer-Algorithmen z.B. Kreditnehmer direkt mit Kreditgebern verbinden, ohne dass eine Bank vermitteln muss.

Banken müssen ihre Geschäftsmodelle anpassen

Gartner zufolge stünden die Banken vor einem alarmierenden Risiko des Scheiterns, wenn sie an den Geschäfts- und Betriebsmodellen des 20. Jahrhunderts festhielten. Etablierte Finanzdienstleister müssten sich im digitalen Geschäft schneller bewegen und digitale Plattformen aufbauen oder geeignete Nischenprodukte und -dienstleistungen für den Vertrieb auf anderen Plattformen identifizieren.

Die bisherige digitale Transformation der Branche sei weitgehend ein Mythos, da an institutionellen Denkweisen, Prozessen und Strukturen festgehalten würde, so David Furlonger.

Der größte Fehler von Finanzdienstleistern sei es, sich zu sehr auf den Aspekt der Technologie zu konzentrieren. Es sei vielmehr wichtig zunächst eine digitale Vision zu entwickeln und Ziele festzulegen. Erst dann könne man sinnvoll darüber nachzudenken, wie eine Organisation dorthin geführt werden kann.

Bereits Anfang des Jahres hatte das Beratungsunternehmen Oliver Wyman ähnliche Szenarien für den deutschen Bankenmarkt vorgelegt und einen Rückgang der deutschen Kreditinstitute von derzeit rund 1.600 auf 150 bis 300 prognostiziert. Die Autoren der Studie haben sich denn auch den kritischen Fragen des Bank Blogs gestellt und ihre Überlegungen begründet. Entscheidend sei, so ihre Ausführungen, dass Banken ihr Geschäftsmodell überprüfen und neu justieren müssten, um weiterhin relevant zu bleiben.

Drei Optionen für Gewinner-Banken

Für die 20 Prozent der Gewinner-Banken sieht Gartner drei Optionen:

  • Plattformanbieter: Fünf Prozent hätten die Option, Unternehmen mit einer eigenen digitalen Plattform zu werden und deren Umfang, die kostengünstige Infrastruktur und die Kundeninformationen nutzen, um neue Angebote zu schaffen und neue Märkte zu erschließen.
  • FinTechs: 15 Prozent der Gewinnergruppe werden als spezialisierte Unternehmen oder Neobank-Tochtergesellschaften traditionelle Finanzdienstleistungen in einzelnen Produktbereichen anbieten. Sie werden an digitalen Plattformen teilnehmen, diese aber nicht besitzen.
  • Nischenanbieter: Durch die dramatisch niedrigeren Kosten, die durch digitale Plattformen ermöglicht werden, werden 80 Prozent der traditionellen Anbieter als Service-Broker agieren. Zum einen für Basiskundengruppen, die zuvor keine profitablen Kunden waren. Zum anderen als Concierge-Anbieter mit gebündelten Angeboten für vermögende Privatpersonen.

Unterschiedliche Geschwindigkeiten

Die Geschwindigkeit dieser digitalen Transformation hänge laut Gartner zum Teil von der Regulierung im Finanzdienstleistungssektor, von demografischen Merkmalen und den Verhaltensweisen der Kunden ab. Diese Faktoren würden von Land zu Land variieren. In einigen Ländern würde konservative Regulierung Innovationen hemmen, während andere Länder wie Australien, Brasilien, China, Indien oder Großbritannien die Regulierung zur Beschleunigung der Transformation nutzen.

Wie realistisch ist das Untergangsszenario?

Zur vorliegenden Analyse von Gartner meint der britische Finanzexperte Chris Skinner: „Es macht mich verrückt, weil es kompletter Unsinn ist.“ Auch er meint zwar, dass viele Banken in der Vergangenheit stehen geblieben sind, insbesondere mit ihren Kernbankensystemen. Er sieht aber das Kundenverhalten als Konstante an. Niemand würde, so Skinner, ohne Not seine Bank wechseln, es sei denn, die Bank macht Pleite oder es gäbe einen besonderen Vorfall in der Kundenbeziehung, wie z.B. einen nicht genehmigten Kredit.

Banking sei, so Skinner weiter, ein „Hygiene-Faktor“, so wie Wasser, Gas oder Elektrizität. Die Annahme, dass in den nächsten zwölf Jahren vier von fünf Bankkunden ihr Institut wechseln würden, sei vollkommen unrealistisch.

Stephen Bird, Global CEO der Citibank, hat sich zu der Analyse in einem ähnlichen Sinn geäußert: Banken müssten zwar auf der Hut sein, nicht wie die Dinosaurier auszusterben, nur weil sich die Umweltbedingungen ändern. „Der Vorteil von 200 Jahren Bankgeschichte ist jedoch, dass wir als Kern unserer Persönlichkeit gelernt haben, unsere DNA zum Überleben regelmäßig neu zu erfinden.“

Und Benjamin Hung, CEO der Standard Chartered Bank ergänzt: „Der Kundenbedarf hat sich im Grundsatz nicht verändert. Sie wollen ihr Geld und ihre Finanzen einfach und sicher managen und vermehren. Was sich geändert hat, ist, wie diese Bedürfnisse angesichts der technologischen Veränderungen erfüllt werden.“

Man sollte die Banken noch lange nicht abschreiben

Den kritischen Anmerkungen ist zuzustimmen: Insbesondere die DNA einer Bank ist eine wichtige Grundlage für deren geschäftlichen Erfolg. Finanzinstitute müssten sich nur ab und an darauf (zurück)besinnen, dass ihr Ursprung im Kundengeschäft liegt und die Lösung von Kundenproblemen ihr eigentlicher Geschäftszeck ist.

Und da ist noch ein weiterer wichtiger Faktor: Bei Analysen wie der vorliegenden wird der Eindruck vermittelt, die Banken hätten sich schon aufgegeben. Das ist mitnichten der Fall, wie die Digitalisierungsprojekte der vergangen Jahre gezeigt haben. Die etablierten Institute stehen eben gerade nicht am Spielfeldrand und sehen tatenlos zu, wie andere die Tore schießen, sondern sie spielen mit – und dies derzeit sogar noch in Überzahl. Und auch, wenn der Ball rund ist und manchmal nicht alles so läuft, wie es der Trainer will: Ein Spiel hat immer noch 90 Minuten und ist erst vorbei, wenn der Schiedsrichter pfeift…

Über den Autor

Dr. Hansjörg Leichsenring

Dr. Hansjörg Leichsenring ist Herausgeber des Bank Blogs und der Finanzbranche seit über 30 Jahren beruflich verbunden. Nach Banklehre und Studium arbeitete er in verschiedenen Positionen, u.a. als Direktor bei der Deutschen Bank, als Vorstand einer Sparkasse und als Geschäftsführer eines Online Brokers. Als Experte für Strategien in den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Vertrieb ist er gefragter Referent und Moderator bei internen und externen Veranstaltungen im In- und Ausland.

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