Zusammenbruch der Silicon Valley Bank ist ein Warnsignal

Analyse einer Bankpleite und der möglichen Folgen

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In der vergangenen Woche beherrschte der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank die Schlagzeilen an den Finanzmärkten. Droht jetzt eine Wiederholung der Lehman-Pleite und ihrer Folgen? Sechs Gründe sprechen dagegen.

Die Silicon Valley Bank beherrscht die Schlagzeilen

Der drohende Zusammenbruch der Silicon Valley Bank beherrscht die Schlagzeilen der Finanzmärkte.

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Der Zusammenbruch einer Bank stellt nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die anderen Beteiligten vor große Herausforderungen:

  • Aktionäre können ihre gesamte Investition verlieren;
  • Einleger riskieren einen Verlust, wenn ihre Einlagen die Einlagensicherung überschreiten;
  • Kreditnehmer und andere Kunden können eine wichtige Bankbeziehung verlieren – vor allem, wenn sie sich auf die Finanzierung der Bank verlassen haben.

Wenn jedoch der Ausfall einer einzelnen Bank zu einer umfassenderen Vertrauenskrise führt, kann dies eine systemische Bedrohung für den gesamten Bankensektor darstellen. Das haben wir zuletzt mit Lehman Brothers vor 15 Jahren in der globalen Finanzkrise erlebt. Die Angst vor Ansteckung und vor negativen Spillover-Effekten, die zu Dominoeffekten führen, spielt bei Bankenkrisen immer die wichtigste Rolle.

Die Pleite der Silicon Valley Bank

Diese besorgniserregenden Zeiten scheinen nun zurück zu sein. Am 8. März 2023 beschloss die kleine Kryptobank Silvergate nach dem Zusammenbruch der Kryptohandelsplattform  FTX, ihr Geschäft aufzugeben, und kündigte eine freiwillige Liquidation an. Einen Tag später wurden die Märkte durch die Entwicklungen bei der Silicon Valley Bank (SVB) – der 16. größten US-Bankengruppe und ein großer Kreditgeber für den Technologiesektor – geschockt. Einleger zogen rund 42 Milliarden Dollar ab, das entsprach rund 25 Prozent der gesamten Einlagen. Nach allen Maßstäben war dies ein veritabler Bank Run.

Am 10. März hat die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) die Kontrolle über die SVB übernommen. Mit einer Bilanzsumme von mehr als 200 Milliarden USD ist die SVB die zweitgrößte US-Bankenpleite aller Zeiten. Die Volatilität der Bankaktien schnellte weltweit in die Höhe. Wer hätte zu Beginn dieses Jahres gedacht, dass wir im März 2023 einen solchen Bank Run mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Realwirtschaft erleben würden?

Was ist bei der SVB schief gelaufen?

Die Silicon Valley Bank hatte eine einzigartige Marktposition als Hausbank für das Startup-Ökosystem sowie für viele Risikokapitalgeber in diesem Sektor. Die Barmittel der Hälfte aller mit Risikokapital finanzierten Start-ups in den USA lagen als Einlagen auf ihren Büchern.

Ihre Einlagenbasis, die während der Pandemie erheblich gestiegen war, war jedoch ungewöhnlich wankelmütig. Die große Mehrheit – nämlich 96 Prozent – war nicht von der Einlagensicherung gedeckt.

Derartig ungedeckte Einleger gelten auf den Märkten und bei den Bankenaufsehern als besonders „flüchtig“. Als die Einlagenbasis der SVB in der vergangenen Woche rapide abnahm, war sie gezwungen, Anleihen zu verkaufen, um auf diese Weise Barmittel zu beschaffen. Dabei kristallisierten sich Verluste heraus, da der Wert ihrer festverzinslichen Anleihebestände aufgrund steigender Zinssätze gelitten hatte. Ein Versuch, sich anderweitig zusätzliches Kapital zu beschaffen, scheiterte.

Eine systemische Bedrohung?

Die Aufsichtsbehörden weltweit prüfen nun, ob diese Bankenpleite eine systemische Bedrohung darstellen könnte. Die Rufe nach einem Verkauf der Vermögenswerte der SVB werden lauter. Der Markt ist bereits auf der Suche nach vergleichbaren Bankfällen, die ihrerseits alle beruhigende Kommentare abgeben.

Janet Yellen, die US-Finanzministerin, hat eine umfassende öffentliche Rettungsaktion ausgeschlossen, jedoch eine Unterstützung für die Einleger in Firm einer Notkreditlinie zugesagt. Die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) und die Federal Reserve sind ebenso wie die Behörden in der ganzen Welt mit dem Fall befasst. Droht hier also eine Gefahr für die Finanzstabilität, die an 2008 erinnert?

Sechs Gründe sprechen gegen eine neue Finanzkrise

Ich halte dies für ein unwahrscheinliches Szenario, und hier sind sechs gute Gründe dafür:

  1. Nur sehr wenige Banken haben eine derart hohe Konzentration des Geschäfts auf einen Sektor wie die SVB.
  2. Es wäre schwierig, eine andere Bank mit einer so „heißen“ Einlagenbasis zu finden.
  3. Keine andere Bank hat ein derartiges Ausmaß an nicht realisierten Verlusten in jenem Wertpapierportfolio, das bis zur Fälligkeit gehalten und insofern nicht neu bewertet wurde.
  4. Als Regionalbank war die SVB weniger stark reguliert als andere US-Banken ihrer Größe, beispielsweise unterlag sie nicht derLiquidity Coverage Ratio.
  5. Trotz ihrer Größe gibt es sowohl in den USA als auch im Ausland genügend Banken, die die Vermögenswerte der SVB übernehmen können. Allerdings stoßen die großen US-Institute an ihre Grenzen, was die Übernahme von Einlagen anbetrifft.
  6. Die SVB ist jetzt in geordneter Auflösung, und die FDIC ist eine erfahrene und qualifizierte Behörde.

All dies deutet für mich darauf hin, dass die SVB ein Ausreißer ist. Ihr Geschäftsmodell wies erhebliche Schwächen auf, und sie hat ihr Zinsänderungsrisiko falsch gemanagt, indem sie zur falschen Zeit in festverzinsliche Wertpapiere mit sehr niedrigen Renditen investiert hat.

Das US-Bankensystem ist stark kapitalisiert

Die fünf größten US-amerikanischen Finanzinstitute mit ähnlichen Merkmalen in Bezug auf Einlagenabflüsse und große Wertpapierbestände unter Wasser haben zusammen eine Bilanzsumme von 1 Billion USD. Eines davon ist seit Sonntag ebenfalls unter Kontrolle der Aufsicht. Man sollte aber nicht vergessen, dass das Bankensystem infolge der globalen Finanzkrise stark kapitalisiert ist und über reichlich Liquidität verfügt.

Glücklicherweise haben die Aufsichtsbehörden in den letzten zehn Jahren den Bank-Lobbyisten, die ständig einer Senkung der Eigenkapitalanforderungen das Wort redeten, nicht allzu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Stattdessen bestanden die Aufsichtsbehörden darauf, dass die Banken ihre Bilanzen kontinuierlich stärken und damit die Widerstandsfähigkeit der Banken auf das heutige hohe Niveau anheben. Es liegt nun an den zuständigen Behörden, die Märkte wieder zu stabilisieren und eine geordnete Abwicklung der Silicon Valley Bank zu organisieren. Wir können zuversichtlich sein, dass die FDIC, die Fed und andere erfolgreich sein werden. Diese wissen, was sie tun.

Keine Vertrauenskrise in Sicht

Dennoch ist es so, dass fast alle Banken mit dem Problem der unterbewerteten Wertpapiere auf ihrer Aktivseite und dem Abfluss von Einlagen konfrontiert sind. Und das makroökonomische Umfeld stellt aufgrund der anhaltend hohen Inflation, die durch steigende Zinssätze und die Reduzierung der Wertpapierbestände bekämpft wird, eine Herausforderung dar. Im Moment gibt es jedoch keine Vertrauenskrise im Bankensystem und die Ansteckungsgefahr ist sehr gering. Außer der Silicon Valley Bank musste keine Bank große Verluste durch den überstürzten Verkauf niedrig verzinster Anleihen hinnehmen, um die Rücklösungen von Kunden zu befriedigen.

Ein ernstes Warnsignal

Die SVB, der Ausreißer, ist eher die Ausnahme. Deshalb sehe ich den Fall der SVB als durchaus ernstes Warnsignal, aber nicht als Grund für Überreaktionen. Der Technologiesektor einschließlich der FinTechs wird jedoch vom Zusammenbruch von Silvergate und SVB stark betroffen und muss sich nach Bankalternativen umsehen.

Der Risikokapitalsektor, der sich auf die SVB als Finanzierungsquelle verlassen hat, steht ebenfalls vor einem Liquiditätsengpass, was negative Folgen haben wird. Dies ist jedoch ein separates Thema, mit dem sich die Behörden sehr sorgfältig befassen müssen, da sich der Technologiesektor zu einem so wichtigen Teil unserer Volkswirtschaften entwickelt hat.


Der Artikel erschien zuerst auf Cicero.

Über den Autor

Dr. Andreas Dombret

Prof. Dr. Andreas Dombret ist in einer Vielzahl von Ausschüssen sowie in verschiedenen ehrenamtlichen Funktionen tätig, u.a. als Global Senior Advisor für Oliver Wyman. Er war von 2010 bis 2018 Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank und u.a. für die Bereiche Banken- und Finanzaufsicht, Finanzstabilität und Märkte zuständig. Zuvor absolvierte er – nach Banklehre und Studium - verschiedene berufliche Stationen bei der Deutschen Bank, Rothschild und Bank of America.

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