Sechs Punkte einer digitalen Agenda für Regionalbanken

Wie das Bankensterben in Deutschland zu verhindern ist

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Die kürzlich vorgelegten Hypothesen zum „Bankensterben in Deutschland“ zeigen einmal mehr die Notwendigkeit einer digitalen Agenda für regionale Banken. Sechs Punkte machen deutlich, wo der Handlungsbedarf am größten ist.

Digitale Agenda für Regionalbanken

Eine digitale Agenda zeigt, wo die Herausforderungen für Regionalbanken liegen.

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Die kürzlich veröffentlichte Prognose der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman zum „Bankensterben in Deutschland“ hat in Bankenkreisen für Furore gesorgt. Die Reaktionen reichen von offiziellem Ignorieren, über brüskes Ablehnen bis zum stillschweigenden Eingestehen des längst erkennbaren Veränderungsprozesses.

Zwar sind die vermeintlichen Erkenntnisse langfristig schwer nachprüfbar, aber die angeführten Argumente, sind nicht wegzudiskutieren. Digitalisierung, Innovative Technologien, neue Wettbewerber und veränderte Kundenwünsche verändern das Bankgeschäft. Und so müssen sich regionale Banken auch den wesentlichen Wirkungen der digitalen Disruption stellen:

  1. Prozesse effizienter und kundenfreundlicher gestalten.
  2. Neue digitale Produkte und Services entwickeln.
  3. Vollkommen neue Geschäftsmodelle gestalten.

Vier Stoßrichtungen der Digitalisierung

Alles beginnt mit einer einfachen Frage: „Würden Sie eine regionale Bank heutzutage nochmals neu gründen?“ In vielen Veranstaltungen wird diese Frage von Führungskräften regionaler Banken zumeist irritiert verneint.

Auf die zweite Frage „Also warum existieren diese denn noch?“, werden zumeist Antworten mit Bezug auf die Historie und zum Geschäftsmodell, zur regionalen Versorgung der Bevölkerung und Unternehmer mit Krediten und Kapitalanlagemöglichkeiten, sowie die Teilnahme am Zahlungsverkehr angeführt.

Reicht das aus, um dauerhaft auf der Basis eine flächendeckende Filialpräzens und eine regionales rechtlich eigenständiges Unternehmensgebilde zu rechtfertigen? Es lohnt sich, das Thema grundsätzlicher zu betrachten.

Die wesentlichen vier Stoßrichtungen der Digitalisierung sind bundesweit auf der Management-Ebene der regionalen Banken bekannt. Es sind dies:

  • Standardisierung von Prozessen;
  • Datenaustausch innerhalb der jeweiligen Finanzgruppen;
  • Integration der Angebote auf Plattformen;
  • Jederzeit-überall-alles Kommunikation mit Kunden.

Doch sind allen Verantwortlichen auch die langfristigen Auswirkungen bewusst?

Die letzten Jahre waren immer noch zu erfolgreich, als das ein flächenweiter aktueller Handlungsdruck zu spüren war.

Sechs Punkte einer digitalen Agenda

Die Digitalisierung verändert Werte, Kultur, Aufgaben, Prozesse und Kundenverhalten. Zuerst sollte jede Regionalbank sich die Frage stellen, ob Sie diesen Veränderungsprozess aufhalten, ignorieren oder aktiv mitgestalten will. Letzteres, also die aktive Gestaltung des Veränderungsprozesses wird mehrheitlich zu Erfolg führen.

Auf Basis des jetzt öffentlich kommunizierten Veränderungsdrucks ergeben sich die folgenden sechs Punkte einer digitalen Agenda für eine regionale Bank:

  1. Strategische Klarheit herstellen
  2. Digital denken und handeln
  3. Verstehen, was Digitalisierung bedeutet
  4. Dynamik, Mut und agile Prozesse
  5. Ressourcen für Veränderungsprojekte
  6. Neue Organisationsformen

1. Strategische Klarheit herstellen

In einer Regionalbank sollte auf oberster Management-Ebene Klarheit herrschen, ob die Herausforderungen der Digitalisierung aktiv und mit der gesamten Kraft des Managements bearbeitet werden sollen, oder man das bestehende Geschäftsmodell weiter bis zum eigenen Ruhestand aussetzen will.

Für ein erfolgreiches und aktives Management des Veränderungsprozesses sind das Verständnis der Digitalisierung und ein intensives Auseinandersetzen der disruptiven Veränderungsprozesse unerlässlich. Das Tragen einer Smartwatch, ein Post auf Facebook und das Beherrschen eines Bestell-Prozesses beim Internet-Händler machen einen Manager, der seine prägenden beruflichen Jahre im Filialbanking verbracht hat, noch nicht zum digitalen Experten.

2. Digital denken und handeln

Das Management sollte lernen in digitalen Dimensionen zu denken, seine bisherige Rolle zu überdenken und aktiv neue Geschäftsmodelle entwickeln.

Dazu ist es notwendig die wesentlichen Begriffe der Digitalisierung, das veränderte Verhalten der digitalisierten Privatkunden und die Geschäftsmodelle der sich digitalisierenden mittelständischen Firmenkunden zu verstehen, um diese bewerten zu können. Das Risiko der „Nicht-Digitalisierung“ von Kreditnehmern und Branchen muss grundsätzlich neu und mit der Brille der Digitalisierung bewertet werden, um nicht in naher Zukunft den „Kodak-Moment“ in Branchen zu erleben, die erst kürzlich als fast risikolos bewertet und finanziert wurden.

3. Verstehen, was Digitalisierung bedeutet

Das Management regionaler Banken sollte in Bezug auf ein Begriffsverständnis der Digitalisierung, einem Grundverständnis des technisch Möglichen und in Bezug auf die Bewertung von neuen digitalen Geschäftsmodellen nachgeschult werden.

Wenn das gesamte Bankgeschäft digitalisierbar ist, müssen Bankkaufleute zu „Digitalisierungs-Kaufleuten“ verändert werden. Der erste Schritt in diese Richtung ist ein fundiertes Begriffsverständnis der Digitalisierung. So wie ehemals in der Berufsschule die Begriffe von A wie „Abbuchungsauftrag“ bis Z wie „Zwangsvollstreckungsklausel“ gelehrt wurden, ist es jetzt notwendig das Management auf die Begriffe der Digitalisierung von A wie „Absprungrate“ bis Z wie „Zero Day Attacke“ nachzuschulen. Es kann nur das erfolgreich gemanagt und bewältigt werden, was verstanden ist.

Zudem wird die Fortsetzung eines vertrauensvollen Dialoges auf Augenhöhe mit der Managementebene zukünftig erfolgreicher mittelständischer Unternehmer nur dann gelingen, wenn Bankberater sprechfähig sind und zu Themen wie beispielsweise Industrie 4.0 und Landwirtschaft 4.0 fundiert antworten können.

Regionale Banken können mittels eines regionalen digitalen Beirates zum Treiber der Umsetzung der Digitalisierung in ihrer Region werden. Dadurch können regionale Initiativen gefördert, finanziert und umgesetzt werden und eine Übersetzung und Transformation von digitalen Angeboten von ausländischen Großkonzernen auf die Region übertragen und adaptiert werden.

Es mangelt vor Ort häufig nicht an Ideen und Kapital, es mangelt bisher zumeist an lenkender Koordination einer wirtschaftlich erfolgreichen Umsetzung der Digitalisierung. Parallel zu dem wirtschaftlich erfolgreichen Management von Regionalbanken in Bezug auf Kapitalfluss und die Kapitalversorgung, kann zukünftig die wirtschaftlich erfolgreiche Digitalisierung organisiert werden.

4. Dynamik, Mut und agile Prozesse

Die Entwicklungen und Auswirkungen der Digitalisierung werden zukünftig exponentiell verlaufen. Darauf sollte sich das Management mit einer veränderten Dynamik, Mut und mittels agilen Prozessen einstellen.

Die Zögerer und Zauderer der Digitalisierung in regionalen Banken mit ihren bekannten Argumenten des „weiter so“, unterliegen alle der Illusion einer weiteren Fortsetzung eines linearen Veränderungsprozesses. Der Vergleich mit der flächendeckenden Elektrifizierung und der individuellen Mobilisierung durch PKWs vor ca. 100 Jahren zeigt auf, wie exponentielle Veränderungsprozesse in Märkten ablaufen und dass Risikovermeidung und der Anspruch auf ein Konfidenzintervall von 99,9 Prozent selten zu Wachstum und Anpassung an dynamische Märkte geführt hat.

Wir erleben bereits heute einen „Digitalen Darwinismus“. Wenn Vorstände regionaler Banken auf die Frage nach der beruflichen Zukunft des eigenen Nachwuchses antworten: “Meine Kinder können alles werden, aber keine Bankkaufleute“ dann spiegelt das eine Zukunftseinstellung wider, die die Frage nach den „richtigen Führungskräften an den richtigen Stellen“ stellt.

5. Ressourcen für Veränderungsprojekte

Die Vergabe von internen Budgets steuert Aufmerksamkeit und Ressourcen. Wenn die Beschleunigung der Digitalisierung in regionalen Banken ernsthaft vorangetrieben werden soll, müssen auch ausreichend Budgets und Ressourcen für Veränderungsprojekte zur Verfügung gestellt werden.

Querdenker müssen in regionalen Banken eine Chance erhalten, ihre zukunftsgerichteten Ideen zur Digitalisierung einer Regionalbank umzusetzen. Die Rolle einer Regionalbank muss grundsätzlich neu gedacht werden. Die viel zitierte „Hilfe zur Selbsthilfe“ einer Regionalbank kann sich zukünftig nicht alleine auf die Teilnahme am Zahlungsverkehr und dem Zugang zu Kredit– und Kapitalmärkten beschränken.

Kapital ist zukünftig nicht mehr der alleinige Treiber von wirtschaftlichem Wohlstand. Kreativität und technische Möglichkeiten der Digitalisierung werden zusehends die Treiber. In einer digitalisierten Welt ist es wichtig den Zugang zum Datennetz zu ermöglichen und Bestandteil eines Kundennetzwerkes und –Plattformen zu werden.

Dazu muss auch die Rolle der Filialen grundsätzlich unter einem digitalen Blickwinkel aktueller Kundenbedarfe erfolgen. Eine Filiale kann sich zu einem regionalen „Trust-Versorgungszentrum“ wandeln. Dort kann dank moderner Technik gesicherter Datenaustausch in High-Speed-Qualität in einer Filial-Insel-Lösung stattfinden in einem sonst strukturschwachen Gebiet.

Ein intelligentes Kontomodell hat diese Dienstleistung eingepreist. Zudem sind SIM-Karten zu attraktiven Konditionen mit einer Kopplung ans Kontomodell verfügbar. Das ehemalige Ökosystem „Regional-Geld-Bank“ wird auf die Ebene eines regionalen digitalen Ökosystems übertragen. Eine zukünftige Bank kann zum „Lotsen für Privatkunden in der digitalen Welt“ werden. So wie Sie es auch mal in „allen Geld-Angelegenheiten“ war. Wichtige Kunden-Dokumente können gescannt werden und in einer gesicherten „Daten-BANK“ abgespeichert werden und von überall von Berechtigten gesichert abgerufen werden. Ein entsprechendes Vollmachten-System regelt, wer auf die Daten von Einzelpersonen oder Firmen zugreifen darf. Vor Ort können individuelle Kunden-Dokumente ausgedruckt werden.

Auch ärztliche Rezepte können vor Ort per QR-Code eingelesen und der Versand zum Kunden oder zur gesicherten Abholung der Medikamente in der Filiale automatisch organisiert werden. Genauso kann dieses regionale Trust-Center auch eine Paket-Station für Privatkunden werden.

Der Ausdruck von Ersatzteilen in 3D-Druckern für Haushaltsgeräte steht vor der flächenweiten Marktdurchdringung. Warum sollte so etwas nicht in dem regionalen Trust-Center möglich sein? Natürlich nur für Kunden.

Es lohnt sich über die Grenzen einer globalen Digitalisierung nachzudenken, daraus entstehen Ansatzpunkte und Perspektiven für eine Regionalbank mit einem Vertrauensvorschuss und einer sehr guten Vernetzung in dem regionalen „Ökosystem“.

Für Mittelstandskunden können regionale Banken den „High-Speed-Datenzugang“ mit Partnern in den Gewerbegebieten und den landwirtschaftlichen Flächen organisieren. Die zentrale gesicherte Datenplattform für alle wichtigen geschäftlichen Dokumente, Jahresabschlüsse etc. mit gesichertem Zugang zum Steuerberater, Datenschützer, etc. kann eine Regionalbank darstellen.

Eine Regionalbank kann das Kompetenzcenter für die regionale ökonomische Umsetzung der Digitalisierung für Mittelstandskunden und die öffentliche Hand werden. Die Werkzeuge und das Know-how ist vorhanden, wie Projekte „Smart-City“, „Smart-Factory“ und „Smart-Home“ zeigen. Das Motto „wir bieten mehr als Geld und Zinsen“ und der Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe“ lassen sich in die digitale Welt übertragen.

6. Neue Organisationsformen

Diese veränderte Rolle einer regionalen Bank erfordert eine andere Organisationsform und der Abbau von Hierarchien.

Führung und Führungskräfte müssen professionell in der digitalen Welt und ihren Foren und Marktplätzen sichtbar werden und sich und ihre Mitarbeiter mittels digitaler Instrumente organisieren. Führungskräfte müssen sich von der Zuschauerperspektive am Spielfeldrand auf das Feld begeben. Organigramme sollten verändert und verflacht werden, um Schnelligkeit und Transparenz zu schaffen, die wiederum Dynamik und Vernetzung mit anderen Partnern in den Wertschöpfungskette erst ermöglichen. Veränderte Arbeitsteilung, veränderte Befehlsketten und daran gekoppelte Verantwortung, eine wertorientierte Kultur, Empowerment, Eigenverantwortung und ein verändertes Vergütungssystem sind Meilensteine auf Weg der Veränderung zu einer Regional-Digitalen-Bank.

Regional-Digitale-Bank als Zentrum persönlichen Vertrauens

Diese Regional-Digitale-Bank als Zentrum persönlichen Vertrauens mit einer Lotsenfunktion für Privat- wie Geschäftskunden zur sicheren Orientierung in der digitalen Welt wird dauerhaft ihre Existenzberechtigung haben. Und das ist so sicher, wie die Tatsache, dass Menschen analog bleiben.

Über den Autor

Dr. Peter Lender

Dr. Peter Lender ist geschäftsführender Gesellschafter der DIGUM GmbH; Gründer der Digitalisierungsakademie.com und der Geschäftsmodell-Werkstatt.com ; Entwickler des Digitalisierungsaudits und des Nachhaltigkeitsaudits; Autor des Buches „Digitalisierung-klargemacht“ und Herausgeber des T4Magazins.

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2 Kommentare

  1. Avatar

    Mit diesen sechs Punkten einer digitalen Agenda sind die wichtigsten Aufgaben einer Sparkasse oder Regionalbank beschrieben. Trotzdem bin ich der Meinung, dass dies nicht ausreicht. Erst wenn Banken und Sparkassen lernen in den Schuhen der Kunden zu laufen, werden diese wieder in die Erfolgsspur zurückkehren können. Sie müssen erst ihre DNA umprogrammieren. Erst das Kundenorientierungs-Gen entwickeln, dann kommt die Digitalisierung.

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