Regulatorik: Ein Innovationskiller? Nicht unbedingt!

Herausforderungen & Chancen für den FinTech-Hub Europa

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Regulatorik schafft Rechtssicherheit und Vertrauen für unser Finanzökosystem. Was braucht gute Regulatorik? Warum wird der Austausch zwischen Industrie und Politik immer wichtiger? Welche dicken Bretter werden gerade für den digitalen Finanzmarkt gebohrt?

Regulierung ist wichtig für den digitalen Finanzplatz Deutschland

Regulierung spielt eine wichtige Rolle für einen digitalen Finanzplatz.

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European Champions – gesucht und gefunden? Der Digitalstandort Deutschland hat ein immenses Potenzial, die lang herbeigesehnten neuen Champions hervorzubringen. Neben dem Erfolgsmodell Mittelstand etablieren sich digitale, skalierende Geschäftsmodelle und werden damit auch für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung des Landes immer wichtiger. Dies trifft insbesondere auf schnell wachsende FinTechs zu.

Für die erfolgreiche Entwicklung von FinTech-Innovation braucht es aber auch einen passenden regulatorischen Rahmen, der innovative Geschäftsmodelle versteht, innereuropäische Fragmentierung abbaut (Stichwort: Skalierbarkeit) und der die Wichtigkeit von Finanzinnovation für Realwirtschaft und Gesellschaft erkannt hat. In diesem Sinne ist Regulatorik nie nur – oft ungeliebte – Notwendigkeit, sondern ist immer auch im Lichte standortbezogener Wettbewerbspolitik zu sehen.

Der Regulator und der Finanzstandort – State of Play

Wer den Koalitionsvertrag der jungen Ampelkoalition studiert hat, liest erstmal viel Positives: „Für FinTechs, InsurTechs, Plattformen, Neobroker und alle weiteren Ideengeber soll Deutschland einer der führenden Standorte innerhalb Europas werden“, wird das Kapitel zu Digitalen Finanzdienstleistungen eingeleitet. Das Ausrufen der European Tech Champions Initiative – ein vom Europäischen Innovationsfonds zu verwaltender Fonds mit einem Gesamtvolumen von 10 Milliarden Euro – war eine der ersten Amtshandlungen der Regierung. Soweit so gut? Fast!

Auf dem Papier liest sich vieles einwandfrei, doch gibt es auch Stellen, die zeigen, dass Finanzinnovationen noch nicht ausreichend in der Tiefe verstanden werden. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass das Thema Blockchain im Koalitionsvertrag de facto nicht existiert und sich im Kontext von Krypto Assets vor allem auf Risikoabwägung und Geldwäsche fokussiert wird (hierzu später mehr). Das heißt, wir brauchen einen engeren Austausch zwischen politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern, Aufsicht und Marktteilnehmenden. Hierbei kommen Verbände wie der Digitalverband Bitkom ins Spiel, die den Wissenstransfer vorantreiben und eine Plattform für Politik, Industrie und Gesellschaft bilden.

Der springende Punkt: Am Ende darf es nicht nur beim Austausch bleiben. Verständnis muss entwickelt werden, um in Deutschland und Europa einen innovationsfördernden und wettbewerbsfähigen Rahmen zu schaffen.

Dicke Bretter, große Räder: regulatorische Grundsätze für den digitalen Finanzstandort

Für den digitalen Finanzstandort Deutschland ergeben sich drei Herausforderungen:

  • Grenzen überwinden und Silos aufbrechen,
  • Innovation mit Innovation begegnen sowie
  • Modernisierung und Digitalisierung der Aufsicht.

Grenzen überwinden und Silos aufbrechen

Oberstes Ziel muss es sein, Wettbewerbsfähigkeit, Skalierbarkeit und Chancengleichheit für sämtliche Akteure der digitalen Finanzwirtschaft zu erzielen – und zwar europäisch. Noch gibt es eine zu starke Fragmentierung und nach wie vor sind Unterschiede in Gesetzgebung und Aufsichtspraxis sehr deutlich erkennbar. Das beginnt bereits bei den Themen eID und KYC und unterschiedlichen Auslegungen innerhalb der Mitgliedsstaaten. Das heißt, die Skalierbarkeit von Finanzinnovationen wird bereits am Startpunkt beim geldwäschekonformen Verifizieren neuer Kundinnen und Kunden maßgeblich gestört. Ein einheitlicher europäischer Rahmen für einfach anwendbare, digitale Identitäten muss also eine zentrale Priorität für europäische und deutsche Gesetzgeber haben.

Mit der Weiterentwicklung hin zu einem Open Finance Framework durch vertikale Prozesse (PSD2 Review) und horizontale Initiativen (Data Act) besteht die Möglichkeit, einen einheitlichen Rahmen für den Datenaustausch für alle Player entlang der Wertschöpfungskette des Finanz-Ökosystems zu schaffen, um somit weitere Innovation unter fairen Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen. Das wäre ein echter Standortvorteil, der mit Regulatorik erreicht werden könnte.

Innovation mit Innovation begegnen

Jeder kennt das Problem – regulatorische Prozesse sind langwierig. Das heißt, es vergehen nicht selten vier Jahre zwischen der Veröffentlichung eines Entwurfs der EU KOM und Umsetzung, welche oftmals auch gerne weitere 12 oder 18 Monate dauern kann. Eine lange Zeit, in der sich die Technologiewelt schnell weiterdreht. Während Regulierung zwar per se vorausschauend auf den Weg gebracht werden sollte, gibt es niemanden, der weiß, wie die Welt in vier, sechs oder acht Jahren aussieht, bis ein Akt vielleicht mal wieder überarbeitet wird.

Darüber hinaus ist es essenziell, Innovationen zu verstehen und Regeln dann anzupassen, anstatt bestehende Regeln 1:1 zu transferieren. Diesen Zugang sehen wir momentan stark im Kontext von Kryptowerten bzgl. der Umsetzung von Geldwäschevorschriften. Möglichkeiten basierend auf der Unveränderbarkeit der Blockchain und der Nutzung von Chain-Analyse Tools, um betrügerisches Verhalten aufzuspüren, werden zu wenig bedacht. Die Kryptoindustrie arbeitet bereits an Standards zwischen zentralen Dienstleistern für den sicheren Austausch geldwäscherelevanter persönlicher Daten. Für unhosted, also „private“ Wallets stehen auf EU-Ebene jedoch Erschwernisse ins Haus, die im schlimmsten Fall ein de-facto Ende für unhosted Wallets und damit DeFi-Anwendungen in Europa bedeuten könnten.

Modernisierung und Digitalisierung der Aufsicht

Die geplante Modernisierung der Finanzaufsicht, die vor allem eine stärkere Prozessdigitalisierung zur Folge haben muss, gilt es zu forcieren. Das beinhaltet den Abbau der Papierform sowie den Einsatz von Technologie innerhalb der Aufsicht. Nur so gelingt der Bürokratieabbau mit dem im Koalitionsvertrag versprochenen schnellerem Tempo für bspw. Neugründungen. Durch optimierte Prozesse und Zuhilfenahme technologischer Hilfsmittel hätte die BaFin deutlich höhere Kapazitäten, um sich auf die Aufsicht und Überwachung des Marktes zu konzentrieren. Dies beinhaltet auch eine stärkere Auseinandersetzung mit den Geschäftsmodellen digitaler Marktteilnehmer, die andere Funktionsweisen aufweisen als Incumbents, was sich auch in der Aufsichtspraxis niederschlagen sollte. Zumindest wäre eine Dependance der BaFin in Berlin als Tech- und FinTech-Hub ein erster Schritt, um einen besseren Austausch zu forcieren.

Es kommt auf die Umsetzung an

Der Wille ist da und das richtige Verständnis seitens politischer Entscheidungsträger scheint weitestgehend gegeben. Am Ende kommt es jedoch auf konkrete Maßnahmen und die Umsetzung an, die den Markt erreichen, denn: Regulatorische Rahmenbedingungen sind entscheidend für eine erfolgreiche Standortpolitik. Der Austausch zwischen Innovationstreibern, Politik und Aufsicht wird daher zunehmend wichtiger, vor allem mit steigender Komplexität des Ökosystems. Daher ist es wichtig, dass alle Beteiligten hier an einem Strang ziehen, nicht zuletzt im Interesse einer positiven gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Europa!


Auf der Digital Finance Conference des Bitkom, #digifin22, werden wir am 1. und 2. Juni 2022 in Berlin mit Entscheidungsträgerinnen und -trägern und Expertinnen und Experten aus Politik, etablierten Unternehmen und den erfolgversprechendsten FinTechs und InsurTechs zukunftsweisende Technologien, Geschäftsmodelle und Strategien adressieren und diskutieren. Mit unserer Konferenz wollen wir Silos im Finanz- und Versicherungsökosystem aufbrechen und die Digitalisierung der Branche voranbringen. Seien Sie dabei und diskutieren Sie mit! Tickets gibt es hier.

Über den Autor

Kevin Hackl

Kevin Hackl ist beim Bitkom für den Bereich Digital Banking & Financial Services verantwortlich. In seiner Funktion treibt er die Digitalisierung des Payment-, Banking- und FinTech-Ökosystems voran und leitet die Lobbyagenden für den digitalen Finanzstandort. Bevor er zum Bitkom kam, arbeitete er bei einer globalen Beratungsfirma für die Finanzindustrie.

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