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Provisionsfreier Wertpapierhandel kommt nach Deutschland

Revolution im Online Brokerage?

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Wertpapiere kaufen ohne dafür Gebühren zu bezahlen? In den USA geht das schon länger. Nun machen sich die ersten Anbieter bereit, den deutschen Online Brokerage Markt aufzumischen.

Provisionsfreier Wertpapierhandel in Deutschland

Ist provisionsfreier Wertpapierhandel die nächste Revolution im Online Brokerage?

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Die USA sind – nicht zuletzt dank der dort stark ausgeprägten Aktienkultur – seit jeher der Frontrunner in Sachen Brokerage-Innovationen. Charles Schwab mischte zunächst als erster Discount Broker, später dann als Direktbroker den Markt auf, was in der Folge bei uns zu einer Gründungswelle von Direktbanken führte. DAB, Consors, Comdirect, Bank 24 waren unter den ersten. Erfolgreich waren und sind Direktbanken vor allem durch die – gegenüber klassischen Filialbanken – geringeren Geschäftsmodellkosten und damit günstigeren Preise. Inzwischen hat sich der Markt durch einige Übernahmen stark konsolidiert.

Nun könnte mit vollkommen provisionsfreien Wertpapierhandel die nächste Innovationswelle bevorstehen und für neuen Preis- und Kostendruck sorgen. Nach dem Vorbild des 2013 gegründeten US FinTech-Einhorns Robinhood rüsten sich derzeit einige neue Anbieter, um im hart umkämpften deutschen Markt für Online Brokerage auf Kundenfang zu gehen:

  • Bereits im Juni vergangenen Jahres hat das britische FinTech Freetrade angekündigt, auch nach Deutschland kommen zu wollen. Noch allerdings stehen konkrete Schritte aus.
  • Im Januar kündigte das niederländische Tech-Unternehmen BUX einen provisionsfreien CFD- und Aktienhandel per Mobile App angekündigt, hatte offensichtlich jedoch Startschwierigkeiten. Nun wurde erneut ein kurzfristiger Start angekündigt.
  • Ebenfalls im Januar wurden Pläne des Zero-Fee-Trading-Pionieres Robinhood für eine europäische Expansion bekannt.
  • Seit Mai können Kunden der Trade Republic Bank provisionsfrei Aktien und ETFs handeln. Es fällt allerdings eine Fremdkostenpauschale von einem Euro pro Handelsgeschäft für die Abwicklung an.
  • Ganz aktuell hat justTrade seinen Start am deutschen Markt für den Sommer bekanntgegeben. Das Produktspektrum soll Aktien, ETFs, ETCs, Zertifikate, Optionsscheine und Hebelprodukte umfassen. Gehandelt werden kann zwischen 7:30 und 23:00 Uhr über eine mobile App sowie über ein Handelsfrontend, das über den Browser aufgerufen wird. Detail dazu im Interview mit dem Gründer und Geschäftsführer Ralf Oetting.
  • Flatex ist vor kurzem in den Niederlanden mit einem derartigen Modell gestartet und überlegt, dies auch in Deutschland anzubieten. Details dazu im Interview mit Frank Niehage und Benon Janos.

Zielgruppe der neuen Anbieter sind allerdings nicht die normalen Sparer sondern Kunden, die regelmäßig aktiv Wertpapiere handeln ohne dafür Beratung in Anspruch zu nehmen. Zum Marktvolumen gibt es unterschiedliche Schätzungen. Die potentielle Kundenzahl dürfte hierzulande bei etwas über 1 Mio. liegen.

Wie funktioniert provisionsfreier Wertpapierhandel?

Wertpapierhandel ist in Deutschland immer noch teuer, kompliziert und vielfach wenig komfortabel. Je nach Bank bzw. Broker fallen beim Aktienkauf oder –verkauf Gebühren von mindestens fünf bis 20 Euro an. Auch gibt es immer noch zahlreiche Banken und Sparkassen, die Depotverwaltungsgebühren verlangen.

Nun wird also alles kostenlos? Natürlich nicht, denn die Anbieter wollen schließlich Geld damit verdienen. Das Geschäftsmodell kommt – zumindest aktuell – allerdings weitgehend ohne Preise für Kunden aus, denn die neuen Anbieter verzichten auf Depotgebühren, Orderprovisionen und Fremdkostenpauschalen.

Ertragsüberschüsse werden woanders generiert:

  • Grundvoraussetzung ist zunächst eine deutlich schlankere Aufstellung, die geringere Kosten verursacht. In der Regel ist bei den neuen Anbietern eine Transaktion ausschließlich via Mobile App möglich. Call Center sucht man vergebens und das Angebot an Börsenplätzen und handelbaren Wertpapieren ist im Vergleich mit konventionellen Anbietern deutlich eingeschränkt.
  • Haupteinnahmequelle sind die von Handelspartnern erhaltenen Zuwendungen, also Marketingzuschüsse und Kick-backs von Emittenten, Banken, Fondsgesellschaften und Börsenplätzen.
  • Ein weiterer Weg der Ertragsgenerierung können höhere Differenzen zwischen Geld- und Briefkurs sein, obwohl dies laut MiFid II eigentlich nicht mehr der Fall sein dürfte, da der Kurs im außerbörslichen Direkthandel nicht schlechter sein darf als der Börsenkurs („Best Execution“.
  • Auch bepreiste zusätzliche Premium-Services bieten Möglichkeiten, Erträge zu generieren.
  • Und sollten eines fernen Tages die Zinsen wieder steigen, winken zumindest denjenigen Anbietern, die ein direktes Verrechnungskonto führen, Zinserträge, wie sie einst eine Haupteinnahmequelle für Online-Broker und Direktbanken waren.

Kein unproblematisches Geschäftsmodell

Zuwendungen von Emittenten, Banken, Fondsgesellschaften und Börsenplätzen erhalten nicht nur die neuen Anbieter sondern auch alle anderen im Markt vertretenen Finanzinstitute. „Getarnt“ werden die Zahlungen u.a. als Marketingzuschüsse und sind – juristisch gesehen – nicht an entsprechende Handelsumsätze gekoppelt. In der Praxis allerdings schon.

Das Geschäftsmodell ist daher nicht ganz unproblematisch, denn laut WpHG und MiFID II sind derartige Zahlungen eigentlich ausgeschlossen, bzw. müssen an den Kunden ausgekehrt werden. In jedem Fall wären sie transparent zu machen.

Ausnahmen sind laut Gesetz nur für solche Zuwendungen gestattet, die darauf ausgelegt sind, die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern oder an den Kunden ausgekehrt werden. Beispiele solcher Qualitätsverbesserung sind laut BaFin:

  • Eine Beratung zur optimalen Strukturierung des Kundenvermögens,
  • die Gewährung von Zugang zu einer vergleichsweise breiteren Produktpalette,
  • die Bereitstellung von Hilfsmitteln,
  • die Übermittlung periodischer Berichte zur Überprüfung des Depots im Hinblick auf die Einhaltung von Anlagezielen,
  • die Zurverfügungstellung eines besonders großen Filial- und Beraternetzes

Die meisten von der BaFin (nicht abschließend) genannten Ausnahmen kommen demnach vor allem etablierten Anbietern mit Beratung zugute.

Online Broker und Direktbanken argumentieren nach Informationen des Bank Blogs auch mit der kostenfreien Depotführung und einem breiten Angebot an handelbaren Wertpapieren.

Es besteht eine Pflicht, sämtliche Zuwendungen, die nicht an Kunden weitergegeben werden, in einem internen Zuwendungsverzeichnis zu erfassen, dass von der Finanzaufsicht geprüft wird. Ebenso müssen die Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung mit den dazu gehörenden Aufwendungen in einem Verwendungsverzeichnis dargelegt werden. Dabei müssen die Maßnahmen zeitnah, d.h. üblicherweise im selben Geschäftsjahr erfolgen.

Aufgrund dieses notwendigen Zusammenhangs zwischen Erhalt einer Zuwendung und der damit vorgenommenen Qualitätsverbesserung für Kunden stellt sich die Frage der Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit grundsätzlich jedes Jahr neu.

Sichtweise der BaFin

Die BaFin erklärt dazu auf Anfrage des Bank Blogs:

Soweit Anbieter im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen bzw.  ‑nebendienstleistungen Vorteile von Dritten annehmen, findet das Zuwendungsregime Anwendung – unabhängig davon, wie diese Vorteile deklariert werden (Rückvergütungen, Marketingzuwendungen etc.). Dabei ist die Annahme nur dann zulässig, wenn die angenommenen Zuwendungen darauf ausgelegt sind, die Qualität der erbrachten Dienstleistung zu verbessern, nicht der Erbringung der Dienstleistung im bestmöglichen Kundeninteresse entgegen stehen, und die Zuwendungen gegenüber dem Kunden offengelegt werden.

Eine Qualitätsverbesserung ist dabei eine zusätzliche oder höherwertige Dienstleistung.

Ob ein Anbieter mit den von ihm angenommenen Zuwendungen eine zusätzliche oder höherwertige Dienstleistung erbringt, muss im jeweiligen Einzelfall beurteilt werden. Die BaFin überprüft dies sowohl im Rahmen der jährlichen Prüfung nach § 89 WpHG ex-post als auch bei der Bearbeitung von Zulassungsanträgen ex-ante.

Wie reagieren die etablierten Anbieter?

Nach außen reagieren die etablierten Anbieter derzeit noch recht gelassen auf die neuen Angebote, wie die folgenden Statements zeigen. Allerdings gab es auch Institute die sich erst gar nicht zu dem Thema äussern wollten.

Thomas Dwornitzak, Leiter Sparen & Anlegen ING

Unser konstantes Wachstum bei Trades und Depots zeigt, dass unsere Kunden unser Angebot im Brokerage – kostengünstige Order, umfangreiches Wertpapierangebot und sehr guten Service, schätzen. Im Übrigen bieten wir aktuell über 200 ETFs ohne Ordergebühr sowie dauerhaft Fonds ohne Ausgabeaufschlag an.  Von daher sehen wir den Eintritt dieser neuen Anbieter sehr gelassen.

Matthias Hach, Marketing- und Vertriebsvorstand comdirect

Natürlich beobachten wir die Entwicklungen im provisionsfreien Wertpapierhandel aufmerksam, halten jedoch an unserer Strategie fest. Grundsätzlich raten wir Anlegern, Angebote zum provisionsfreien Wertpapierhandel genau zu prüfen. Denn zum Teil werden bei diesen vermeintlichen Kostenlos-Angeboten die Erträge lediglich verlagert in weniger transparente Bereiche. Außerdem ist die Auswahl der Wertpapiere im provisionsfreien Handel unter Umständen begrenzt. Entsprechende Angebote kommen daher oftmals nur für eine bestimmte Zielgruppe in Frage.

Sven Deglow, CEO Consorsbank

Wir beobachten den Trend auf ausländischen Märkten seit längerem. Für den Kunden ist das bestimmt erstmal interessant. Ob die Anbieter die Erwartungen nach stabiler Abwicklung und einem sehr guten Service dauerhaft  erfüllen können, wird sich zeigen. Mit unserem breiten Leistungsangebot und attraktiven Freetrade-Aktionen, haben wir für unsere Kunden  weiterhin ein rundes Angebot.

Direct Brokerage ist in Bewegung

Derzeit  setzen sie vorerst vor allem auf das umfassendere Angebot, unausgesprochen aber auch auf die fehlende Transparenz und damit auf die Uninformiertheit der meisten Kunden. Denn natürlich profitieren auch die etablierten Anbieter von den genannten Zuwendungen. Und das zusätzlich zu den vom Kunden vereinnahmten erhobenen Provisionserträgen. Dabei stellt sich allerdings die Frage, wie lange dies noch der Fall sein wird. Denn das Modell ist nur schwerlich mit den Grundsätzen von Transparenz und Verbraucherschutz in Übereinstimmung zu bringen.

In jedem Fall basieren derartige Geschäftsmodells de facto auf einer Ausnahmeregelung und sind damit fragil. In den Niederladen zum Beispiel bestehen solche Ausnahmereglungen nicht. Derzeit nutzt Flatex den „Heimvorteil“, um dort kostenloses Trading anzubieten, was die niederländischen Wettbewerber ärgern dürfte. Gut möglich also, dass die Annahme von Zuwendungen eines Tages im Rahmen einer EU-Regulierung für alle Länder abgeschafft werden.

Bis dahin allerdings könnte sich der Markt nachhaltig verändern. Hinter den Kulissen, so berichten Insider, basteln einige Institute bereits an eigenen Modellen für provisionsfreien Wertpapierhandel. Man darf also gespannt sein, was in der nächsten Zeit alles in diesem Bereich passieren wird.

Über den Autor

Dr. Hansjörg Leichsenring

Dr. Hansjörg Leichsenring ist Herausgeber des Bank Blogs und der Finanzbranche seit über 30 Jahren beruflich verbunden. Nach Banklehre und Studium arbeitete er in verschiedenen Positionen, u.a. als Direktor bei der Deutschen Bank, als Vorstand einer Sparkasse und als Geschäftsführer eines Online Brokers. Als Experte für Strategien in den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Vertrieb ist er gefragter Referent und Moderator bei internen und externen Veranstaltungen im In- und Ausland.

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