Lego-Banking als neue Strategie im Firmenkundengeschäft

Wenn Banken ihren Firmenkunden Finanz-Know-how einpflanzen

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Banken betreiben viel Aufwand, damit Unternehmen ein Firmenkundenkonto eröffnen und Finanzierungen abschließen. Deutlich effizienter und kundenorientierter wäre es, wenn Banken ihre Finanzprozesse und -produkte als Legobausteine direkt bei den Unternehmen einbauen.

Lego-Banking als neue Strategie für Finanzinstitute

Beim Lego-Banking werden Produkte und Services als Bausteine entwickelt, die sich beliebig und immer wieder neu kombinieren lassen.

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Banken haben sich im Firmenkundengeschäft lange Zeit vergleichsweise sicher vor FinTechs und branchenfremden Angreifern fühlen können. Die Eintrittsbarrieren waren zu hoch, als dass sich Wettbewerber mit digitaler Exzellenz an die Unternehmen herantrauten. Die nötige Skalierung war deutlich schwerer zu erreichen als mit Apps für die Masse der Verbraucher.

Das ändert sich seit einiger Zeit. Fintechs und große Plattformen haben ihr fachliches Know-how erweitert, und damit steigt der Veränderungsdruck bei den Banken. 47 Prozent der Finanzdienstleister stecken bereits mitten in einer Neuorganisation, 18 Prozent planen Anpassungen, ergibt die Studie Potenzialanalyse Organisation x.0 von Sopra Steria in Zusammenarbeit mit dem F.A.Z.-Institut.

Nun stellt sich die Frage, wie sich Banken organisieren sollten, damit sie für ihre Kunden relevant bleiben. Sie können sich als eigene Finanzplattform aufstellen und um sich herum ein Ökosystem aus Kunden sowie Partnern errichten und orchestrieren – mit der Bank im Zentrum.

Dieses Szenario erscheint aber wenig realistisch – zumindest nicht für die gesamte Branche. Dafür müssten Prozesse und Leistungen so herausragend und geschäftsentscheidend sein, dass Unternehmen an dieser Plattform nicht mehr vorbeikommen, ohne Wettbewerbsnachteile zu riskieren. Diesen Anspruch werden nur wenige Banken erfüllen können. Finanzprozesse sind ohnehin meist nur ein Teil von vielen Businessprozessen von Unternehmen. Zudem bewegen sich Unternehmen in ihrer eigenen Geschäftsprozesswelt und verlassen diese nur sehr ungern.

Es kommt somit darauf an, dass Banken nicht nur mit ihren Firmenkundenberatern dorthin gehen, wo ihre Kunden sind, sondern auch ihre digitalen Finanzprozesse und -leistungen als Bausteine direkt in die Ökosysteme von Unternehmen einbauen mit dem Ziel, die Geschäftsprozesse und die Beziehungen ihrer Firmenkunden mit deren Kunden zu verbessern.

Denn Industriekonzerne, Handwerksbetriebe, Restaurantbesitzer und Handelsketten haben dieselben Transformationsherausforderungen wie die Banken selbst. Auch sie stehen durch gestiegene Erwartungen ihrer Kunden unter Druck und arbeiten am digitalen Umbau. Dafür suchen sie Lösungen und Partner. Banken können diese Rolle übernehmen und sich mit einem modularen Set aus Prozessen, Schnittstellen, Daten und Lösungen in die Wertschöpfungskette ihrer Firmenkunden einklinken und ihnen damit helfen, ihre eigenen Kunden zufriedener zu machen.

Lego-Banking als Firmenkundenstrategie

Ansätze, Teil der Ökosysteme ihrer Kunden zu werden, gibt es genug: Egal, ob Einkauf, Produktion, Vertrieb und Service oder übergreifende Funktionen wie Personal, überall braucht es gut geölte Finanzprozesse. Dazu zählen beispielsweise eine schnelle oder flexible Abwicklung von Zahlungen, eine Echtzeitsicht auf Finanzströme und Customer Journeys sowie automatisiert erstellte Reports über alle möglichen Kennzahlen. Eine Bank kann beispielsweise einen Lebensmittelgroßhändler unterstützen, seinen betreuten Restaurants und Läden direkt Mikrokredite anzubieten. Die Wertschöpfung für die Bank entsteht somit durch die Bereitstellung einer digitalen Dienstleistung, die sich schnell implementieren lässt.

Instant Payment, das Schaffen von API-Schnittstellen im Zuge der PSD2-Umsetzung und digitale Entwicklungen wie das Internet der Dinge und Machine Learning liefern den Banken nützliche Impulse – beispielsweise im Supply Chain Finance –, Finanzprozesse ihrer Firmenkunden zu vereinfachen, zu beschleunigen oder Voraussetzungen für neue Geschäftsprozesse zu schaffen.

Der steigende Druck zum nachhaltigen Wirtschaften ist ein weiterer nützlicher Antrieb. Banken sind zunehmend gefordert, Transparenz zu schaffen, wie nachhaltig ihre Anlagestrategien sind. Dabei werden künftig jede Menge Daten und Erkenntnisse entstehen, die in das Risikomanagement einfließen. Diese Data Insights können Firmenkunden ebenfalls gut gebrauchen. Auch sie müssen beispielsweise durch das neue Lieferkettengesetz für Transparenz sorgen. Das liefert Banken wiederum Ansätze, ihre Prozesse und IT-Lösungen mit ihren Firmenkunden in Form einer Dienstleistung zu teilen. Aus Aktienbrokern werden Datenbroker, nur dass die Daten und Erkenntnisse direkt bei den Kunden der Firmenkunden ankommen.

Eine Lego-Bank-Strategie erfordert Umdenken

Eine derartige Lego-Bank-Strategie erfordert das viel zitierte neue Mindset und einen organisatorischen und technologischen Umbruch. Onboarding-(KYC-)Prozesse müssen vereinfacht, Informationsflüsse und Kreditgenehmigungen beschleunigt und Innovationen mehr durch die Brille der Firmenkunden und von deren Kunden gedacht werden.

Dazu kommt: Beim Lego-Bank-Prinzip werden Produkte und Services als Bausteine entwickelt, die sich beliebig und immer wieder neu kombinieren lassen. Dieses Prinzip wirkt sich auf die Zusammenarbeit aus. Teams einer Lego-Bank werden sich je nach Anforderung beim Kunden neu finden und interdisziplinär zusammenarbeiten. Die Profile der Mitarbeitenden sind deutlich heterogener. Es braucht weniger Bankbetriebswirte und mehr digitale Allrounder und Business Developer, nur eben nicht für die Bank, sondern für die Corporate-Kunden. Dieser organisatorische Umbruch wird nicht reibungsfrei verlaufen, zeigt die Studie Organisation x.0. Beispiel übergreifende Zusammenarbeit: Jeder dritte Entscheider befürchtet als Effekt eines Aufbrechens von Abteilungssilos und eines Hierarchieabbaus den Widerstand einzelner Führungskräfte. Den kulturellen Change-Prozess sollten Banken somit nicht unterschätzen.

Risiken mit operativer Exzellenz managen

Ein strategischer Umbruch erfordert zudem Mut. Denn Banken pflanzen bei ihren Kunden ihr Know-how ein. Wenn Firmen gegenüber ihren Kunden mit Finance-Expertise der Bank glänzen, machen Institute Unternehmen ein Stück weit selbst zu Bankern. Das Risiko ist beherrschbar, denn Firmenkunden wollen sich in der Regel um ihr Kerngeschäft kümmern und keine internen Finance-Teams aufbauen.

Ein weiteres Risiko besteht darin, dass Firmenkunden umgekehrt fürchten könnten, dass Banken zu viele Einblicke in ihr Geschäft erhalten und sie sich abhängig machen. Speziell im Mittelstand lehnten Firmenlenker in der Vergangenheit zu viel Nähe der Banken ab. Die Institute sind hier gefordert, mit operativer Exzellenz und nahtlosen, zu- und abschaltbaren Lösungen zu überzeugen. Ziel sollte sein, Prozesse und Leistungen so zu integrieren, dass sie nicht als Fremdkörper in den Unternehmensprozessen wirken, sondern das Geschäft ihrer Kunden besser machen.

Über den Autor

Sven Guhr

Sven Guhr Sven Guhr ist Associate Director bei Sopra Steria und verantwortet die Themen Smart Data, Künstliche Intelligenz und SAP Analytics bei Sopra Steria. Der Wirtschaftsinformatiker war zuvor u.a. für die Deutsche Bank und VW tätig.

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