Die Zeit des billigen Geldes liegt hinter uns

Geldpolitik in Zeiten der Krise

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Nachdem die Inflationstendenzen lange Zeit verdrängt wurden, muss die Bekämpfung der aktuellen Preissteigerung ein zentrales Ziel der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank sein. Über die Instrumente sollte allerdings nochmal nachgedacht werden.

Die Bekämpfung von Inflation ist zentrale Aufgabe der Geldpolitik

Die Bekämpfung von Inflation ist eine zentrale Aufgabe der Geldpolitik.

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Geldpolitik war ohne jede Frage selten so herausfordernd wie zur Zeit: Eine weltweit aus dem Ufer gelaufene Inflation, ein schrecklicher Krieg in Europa mit angeschlossener Energiekrise, eine noch nicht abgeklungene Pandemie, anhaltende Lieferkettenprobleme, sektoraler Arbeitskräftemangel, steigende Staatsdefizite und immer größer werdende Rezessionssorgen prägen gleichzeitig das ökonomische Bild und verstärken sich gegenseitig. Solch ein Cocktail negativer Ereignisse braut sich nur in den wenigsten Fällen zusammen. Allenfalls die 1970er Jahre lassen in Teilen Vergleiche mit der aktuellen Situation zu.

Bekämpfung der Inflation als zentrales Ziel der Geldpolitik

Im Vordergrund der Zentralbank-Überlegungen muss zweifellos die Bekämpfung der Inflation stehen. In der Eurozone beträgt sie momentan 8,9 Prozent und damit mehr als jemals zuvor seit der Einführung des Euro zum Ende des letzten Jahrhunderts. Die europäischen Volkswirtschaften schwanken im ersten Halbjahr 2022 zwischen einer Stagnation in Deutschland und leichtem Wachstum in anderen Mitgliedsländern, während der Arbeitsmarkt zu großen Teilen noch stabil ist.

Für jede Geldpolitik ist nicht zuletzt die Einschätzung der Inflationsentwicklung von großer Bedeutung. Wenn man sich die Vorhersagen der Zentralbanken der letzten Dekade vor Augen führt, dann kann man sich des Eindrucks eines großen Inflationsirrtums leider nicht erwehren. Zu Zeiten niedriger Inflation wurde sie regelmäßig über-, dann lange unterschätzt, wobei der im letzten Jahr angekündigte Rückgang bislang immer noch nicht eingetreten ist.

Vom Irrtum der Inflationsprognosen

Wenn sich die Zentralbanken bei all den ihnen vorliegenden Informationen derart in ihren Inflationsprognosen irren, rüttelt dies an der notwendigen Inflationsverankerung in der Bevölkerung und in der Wirtschaft. Inflation hätte im Nachhinein betrachtet nicht so lange als temporär bagatellisiert, sondern hätte sehr viel früher ernst genommen werden müssen. Entsprechende Warnungen sind oft genug und immer wieder vorgetragen worden – nicht nur, aber auch von Larry Summers und auch von der Bundesbank, durch Jens Weidmann und unter neuer Leitung von Joachim Nagel.

Und wir wissen alle, dass ökonomische Modelle allenfalls einen Blick in den Rückspiegel ermöglichen und damit nur eingeschränkt zur Vorhersage eingesetzt werden sollten – insbesondere Zeiten neuer, selten auftretenden Parameter, wie wir sie aktuell durchleben. Zumindest von der Richtung und vom Timing her zutreffende Inflationsprognosen sind aber für eine treffsichere, vorausschauende Geldpolitik unablässig, was eine allzu große Modell-Gläubigkeit eigentlich hätte ausschließen müssen.

Ursachen der aktuellen Preissteigerungen

Fraglos hat der Angriffskrieg auf die Ukraine einen erheblichen Einfluss auf die Inflationshöhe in der Eurozone. Dabei dürfen wir aber nicht übersehen, dass der Preisanstieg bereits vor dem 24. Februar d.J. eingesetzt hat. Ein halbes Jahr vor Kriegsausbruch lag die Inflation in Deutschland schließlich schon bei rund 4 Prozent – eine Rate, die nicht mit dem Krieg in der Ukraine zu erklären ist. Die inflationären Tendenzen sind somit älter als der Krieg und hängen u.a. mit steigenden Preisen im Zuge der wirtschaftlichen Erholung nach dem Höhepunkt der Corona-Pandemie zusammen.

Umstrittene Instrumente der EZB

Die Geldpolitik hat nun reagiert – zwar spät, dafür aber im Falle der Federal Reserve Bank und der Bank of England äußerst konsequent. Die EZB hat sich ebenfalls auf den Weg gemacht und mit dem Aussetzen der Strafzinsen nach meiner Einschätzung richtig gut reagiert. Die Zeit des billigen Geldes liegt damit hinter uns, ist doch von weiteren Zinsschritten auszugehen, um eine Rezession möglichst zu vermeiden. Das neue „Transition Protection Instrument“ der EZB hingegen, mit dessen Hilfe eine Fragmentierung der Zinsaufschläge in der Eurozone verhindert werden soll, ist allerdings fragwürdig und zu Recht ökonomisch und rechtlich umstritten.

Wurde die europäische Finanzkrise von 2012 (deren Zeitzeuge ich ab Mai 2010 war) eigentlich gelöst? Was hat die äußerst lockere Geldpolitik im Euroraum seitdem bewirkt? Diese Fragen sollte man sich angesichts des neu eingeführten Instruments der EZB meines Erachtens noch einmal neu vorlegen.

Dass man auch in der Geldpolitik in besonderen Zeiten zu besonderen Maßnahmen greift, findet natürlich mein Verständnis und meine volle Unterstützung. Auf Krisen muss direkt und überzeugend reagiert werden, keine Frage. Aber was seit 2010 und vor allem ab 2012 als kurzfristige Krisenmaßnahme aufgesetzt worden war, das hat in der Eurozone bis heute mehr oder weniger Bestand. Es wurde mit der extrem lockeren Geldpolitik Zeit gekauft, eine endgültige politische Lösung ist aber leider immer noch nicht umgesetzt worden.

Die Zukunft der Geldpolitik

Die EZB ist somit immer mehr in die Rolle eines „lender of last resort“ für die Kapitalmärkte und die sogenannten Schattenbanken hineingewachsen. Ich kann insofern nur hoffen, dass das sog. Transition Protection Instrument der EZB überdacht wird und nur im äußersten Notfall zum Einsatz kommt.

Wir leben in krisenhafte Zeiten, und den Zentralbanken kommt in solchen Zeit eine ganz besonders wichtige, nicht zu überschätzende Bedeutung zu. Bisher lief in der Inflationsbekämpfung Einiges schief, aber die Zeichen der Zeit sind erkannt und man geht in die richtige Richtung. Insofern bin ich zuversichtlich, dass wir uns auf eine wirksame Geldpolitik verlassen können. Ob dies ausreicht, einer Rezession oder Stagflation zu entgehen, ist leider mehr als unsicher. Die Geldpolitik braucht hierfür die aktive Unterstützung der Fiskalpolitik, um nachhaltig und wirksam zu sein.

Über den Autor

Dr. Andreas Dombret

Prof. Dr. Andreas Dombret ist in einer Vielzahl von Ausschüssen sowie in verschiedenen ehrenamtlichen Funktionen tätig, u.a. als Global Senior Advisor für Oliver Wyman. Er war von 2010 bis 2018 Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank und u.a. für die Bereiche Banken- und Finanzaufsicht, Finanzstabilität und Märkte zuständig. Zuvor absolvierte er – nach Banklehre und Studium - verschiedene berufliche Stationen bei der Deutschen Bank, Rothschild und Bank of America.

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