Die „Am-Sesselkleber“

Über das Für und Wider von Erfahrung

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Sind Erfahrung und Betriebstreue ein Plus im Banking oder behindern sie Kreativität und Innovationskraft und damit die Anpassung an Veränderungen und neue Wettbewerbssituationen? Die neue Personalchefin hat dazu eine sehr ausgeprägte Überzeugung.

Erfahrung ist ein wichtiger Faktor für erfolgreiches Banking

Über das Für und Wider von Erfahrung im Banking.

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2010, ein klirrendkalter Novembermorgen.

„Tja, so kann das nicht weitergehen!“ Petra war die neue HR-Chefin und sie machte sich umgehend daran, die Personalstruktur der Bank grundlegend zu verändern. Ihre Einführungsrede hielt sie vor der alten Garde, vor gestandenen Führungskräften, deren Gelassenheit in Krisensituationen einer der ihren einfach nur als „Omm“ beschrieb.

Die „alte“ Garde

Nach dem Motto: hier sind wir und können nicht anders. Zur Entschuldigung der alten Garde sei gesagt, dass diese so ziemlich alle Hochs und Tiefs gemanagt hatte, die man in dieser Industrie nach dem Millennium hatte durchlaufen müssen.

Da war die Euro-Einführung, die rasante Entwicklung an den Börsen, Fremdwährungskredite, eine massive Globalisierungsbewegung und Wachstum ohne Ende.

Dann kam der Crash und die alte Garde bewies, dass sie nicht nur Hausse, sondern auch Baisse konnte. Es waren ein paar unruhige Jahre nach der Subprime-Krise 2007. Alles in allem ging die Bank mit einem blauen Auge aus dieser Krise hervor. Dank eines Managements, das einem Kapitän gleich, die Herausforderungen meisterte und auf Kurs blieb.

Neue Zeiten für die Bank

Doch nun waren neue Zeiten angebrochen. Petra hatte grandiose neue Ideen und diese teilte sie ihrem Publikum auch gerne mit.

„Wir brauchen mehr Fluktuation!“, meinte sie mit fester Stimme und blickte dabei auf die erste Reihe im Saal, dorthin, wo stets das mittlere Management saß, um über die neuesten Entwicklungen informiert zu werden. Alles erfahrene Manager, die zum Teil schon jahrzehntelang in der Bank angestellt waren.

„Wer länger als fünf Jahre in einem Job bleibt, ist schon mal verdächtig.“, teilte Petra uns mit. „Nach sieben Jahren wird es schon zum Problem! Man ist eingefahren in seiner Routine und das schadet dem Unternehmen.“

„Zeit, den Arbeitgeber zu wechseln!“, verkündete Petra mit fester Stimme.

Jobhopper oder Sesselkleber?

Petra war ein Jobhopper, wie man aus Linkedin und Xing wusste. Sie wechselte im Jahrestakt ihre Dienstgeber und es gelang ihr dabei, jedes Mal zumindest eine Karrierestufe höher zu klettern. Eingefahrene Routinen waren also nicht ihr Problem.

Petra malte in ihren Ausführungen ein düsteres Bild: der Mangel an Kreativität würde die Entwicklungen der Bank verlangsamen, alteingesessene Seilschaften würden Innovationen verhindern und die mangelnde Bereitschaft, neue Herausforderung zu suchen, wäre ja allgemein bekannt. Und dass man seine Komfortzone auch mal verlassen müsste, meinte Petra.

„Hat sie uns gerade Sesselkleber genannt?“, raunte sich die alte Garde gegenseitig fragend zu.

„Nicht wörtlich, aber dem Sinne nach!“, antwortete der Mutigste unter ihnen und fügte ein langgezogenes „Ommm“ an.

5 Jahre später

2015, ein lauer Märzabend.

Auch wenn die Zeichen der Zeit auf Wandel standen, manche Traditionen ließ sich das Top-Management nicht nehmen. So wurden auch dieses Jahr runde Jubiläen gefeiert. Geehrt wurden Personen, die 20, 25, 30 und 35 Jahre dem Unternehmen angehörten. Und davon gab es gar nicht wenige.

Petra, in ihrer Funktion als Chefin der Personalabteilung, assistierte dabei den Vorständen und reichte dem Top-Management hochglänzende Plastikmappen, die dann würdevoll den Jubilaren übergeben wurden. Darin eine geprägte und personalisierte Urkunde, in der etwas von Dankbarkeit und Treue stand und wie sehr man beides zu schätzen wüsste. Und von der unerschütterlichen Verbundenheit zwischen Bank und Arbeitnehmer, und dass man sich beiderseitig auf weitere erfolgreiche Jahre freuen würde.

„Petra lächelt zwar, und sie findet nette Worte.“, sagte eine Jubilarin, die ihr 30jähriges Betriebsjubiläum feierte. „Aber so ganz mit dem Herzen ist sie nicht bei der Sache!“

„Ist doch klar.“, meinte einer der ganz Jungen, der gerade für seine 20jährige Betriebszugehörigkeit geehrt wurde. „Sie muss gerade die Hände von Langzeit-Sesselklebern schütteln. „Es widerspricht all dem, was sie uns seit Jahren predigt. Aber nachdem Petra schon fünf Jahre bei uns ist, wird sie sich bald verändern und einen neuen, besseren Job suchen.“

„Ommmm!“, bestätigte der Gelassenste unter uns.

Nach weiteren 6 Jahren

2021, Weihnachtsfeier (Dezember)

Die jährliche Weihnachtsfeier stand im Zeichen der Pandemie und deren Herausforderungen, die das vergangene Jahr mit sich gebracht hatte. Die Welt war eine andere geworden, das konnte niemand leugnen. Man feierte dennoch, hielt aber Abstand, und versicherte sich gegenseitig, dass man geimpft, genesen oder getestet war.

Trotzdem schien es an der Zeit, wieder Optimismus zu versprühen und der Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass im neuen Jahr alles besser werden würde. Dazu war der gesamte Vorstand angetreten. Und auch die HR-Abteilung, deren Chefin in ihrer Weihnachtsansprache auf die soliden Werte hinwies, auf welche die Bank bauen konnte: eine Belegschaft, die ihrem Arbeitgeber die Treue hielt, und das wohl auch über Jahrzehnte.

„Sollte sie denn nicht schon längst den Job gewechselt haben?“, raunten sich einige Altgediente untereinander zu. „Sie ist nun bereits elf Jahren im gleichen Unternehmen. Schadet das nicht der Innovation und fördert es nicht eingefahrene Routinen? Von der Notwendigkeit, seine Komfortzone zu verlassen ganz zu schweigen?“

„Hmmm…“, meinte die alte Garde, die wiederum ganz vorne saß, so dass Petra sie gut hören konnte.

„Ommmmm!“, antwortete die Personalchefin.

Nun war sie eine von ihnen!

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Über den Autor

Michel Lemont

Michel Lemont ist seit mehr als 35 Jahren in Bankenwesen tätig. Er war in verschiedenen Bereichen der Finanzindustrie tätig, unter anderem im Vertrieb, im Marketing und zuletzt im Umfeld des Zahlungsverkehrs. In seinen Aufgabenbereich fallen unter anderem regulatorische Themen, das Management von Zahlungsverkehrs-Infrastrukturen sowie die Arbeit in nationalen und internationalen Gremien im Bereich Payments. Ein besonderes Anliegen sind ihm Innovationen im Bankenbereich und das "Querdenken". Michel Lemont ist Autor des Buches „Bankers have more fun“ und betrachtet das Bankwesen gerne von der humoristischen Seite. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.

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