Corona erzeugt mehr Druck auf dem Transformationskessel

Auswirkungen von COVID-19 auf den Finanzsektor

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Die Corona-Pandemie wirkt auf deutsche Banken als doppelter Beschleuniger: Der Konsolidierungsdruck steigt, ebenso wie das Veränderungstempo der Digitalisierung. Die Effekte sind bei Produkten, Kanälen und im Bankbetrieb bis in die Geschäftsmodelle hinein spürbar.

Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Finanzsektor

Die Corona-Pandemie hat zahlreiche Auswirkungen auf den Finanzsektor.

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Das Corona-Virus fordert von Banken – so wie von Unternehmen insgesamt – ein aktives Krisenmanagement, aber auch den Blick nach vorn. Eine Analyse zeigt: Viele der Auswirkungen auf die Finanzwelt, die sich aktuell zeigen, werden so oder in einer abgeschwächten Art erhalten bleiben. Banken sind nun gefordert, die eigene Lage zu bewerten und für die diversen Auswirkungen strategisch passende Antworten zu finden.

Wertpapiergeschäft: Aufbau digitaler Vermögensverwaltung als Ertragsretter

COVID-19 erzeugt große Wertverluste an den Kapitalmärkten. Die Folge ist ein Verlust von Vertrauen bei den Kunden in Aktien als Anlageform. Der Bargeldumlauf im Euroraum soll im März um fast 100 Milliarden Euro oder acht Prozent angewachsen sein, so eine Analyse im Auftrag der Direktbank ING Deutschland. Diesen Vertrauensverlust wettzumachen, bedeutet für Banken einen riesigen Beratungsaufwand, der zu Lasten der ohnehin geringen Marge ginge.

Ein möglicher Ausweg aus dem Ertragsdilemma liegt in einer Überarbeitung der Robo-Advisor-Strategie. Retailkunden benötigen eine vom Profi gemanagte Wertpapieranlage und scheuen Plattformen, auf denen sie autark einzelne Papiere traden. Banken sollten hier bestimmte Methoden des Wealth Management in eine digitale Vermögensberatung umwandeln und für den Massenmarkt öffnen. Möglich wäre dieser Schritt durch die Einführung einer hybriden Beratung, bei der ein Mensch die vertrauensbildende Komponente bildet und digitale Technologien für den dafür nötigen Freiraum sorgen.

Kreditgeschäft: Banken müssen auf dem Risikoauge noch schärfer sehen können

Das Ratenkreditgeschäft bei Kraftfahrzeugen wird durch COVID-19 stark einbrechen. Rückstellungen für Kreditausfälle in Millionenhöhe wie in den USA wird es auch in Deutschland geben. Zudem wird sich die Nachfrage nach Konsumentenkrediten temporär abschwächen und sich noch mehr in den Online-Handel verlagern. Banken, die auf jeden Euro Ertrag aus dem Kreditgeschäft angewiesen sind, müssen sich noch stärker als bislang Transparenz hinsichtlich vorhandener und künftiger Risiken verschaffen.

Institute stehen hier vor der Aufgabe, ihre Gesamtrisiken noch genauer zu messen – am besten genauer als von der Bankenaufsicht gefordert. Dieses Informations- und Erkenntnisplus bedeutet ein Ertragsplus in den Bilanzen. Denn Banken, die Risiken genauer als andere Institute berechnen und exaktere Prognosen erstellen, werden Risikomanagement mit mehr operativer Effizienz betreiben und das Risiko von Fehlentscheidungen senken. Zudem werden sie näher als andere ans Limit der Kreditvergabe navigieren können und damit Kunden gewinnen, wo andere Institute passen müssen.

Fördermittelkredite: Banken unterschätzen Cross-Selling-Potenzial

Bei der finanziellen Hilfsbereitschaft der Bundesregierung sind Banken und Sparkassen mittelbar beteiligt. Sie sind Hauptdrehscheiben für die Vielzahl von Anträgen auf staatliche Fördermittelkredite. Marge und Ressourcenbedarf stehen allerdings in einem Missverhältnis. Viele Institute wollen den Aufwand in Grenzen halten. Firmenkundenberater reichen die Anträge deshalb 1 zu 1 weiter. Dabei sind die Hilfegesuche der Unternehmen ideale Gesprächsanlässe. Mit angepassten Produkten und Beratung ließen sich die Kosten für die Abwicklung durch Neugeschäft kompensieren.

Neue Service-Leistungen von Banken könnten beispielsweise automatisierte Standardaudits sein, die die Förderfähigkeit kleiner und mittelständischer Unternehmen ad hoc bewerten und damit den Unternehmen Arbeit abnehmen. Banken sollten deshalb eine nötige Personalaufstockung in den Kreditsanierungs- und Restrukturierungsabteilungen dafür nutzen, ihre Kunden auch zu anderen Themen zu beraten.

Expertenanalyse: Auswirkungen der Corona-Krise auf die Finanzwelt

Expertenanalyse zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf die Finanzwelt.

Payment: Kontaktloses Bezahlen boomt

Das Bezahlen aus der Distanz wird für Verbraucher immer attraktiver. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt den Verzicht auf Bargeld. Seit Ausbruch der COVID-19-Pandemie bezahlen mehr Menschen in Deutschland mit ihrem Smartphone oder ihrer Karte mit NFC-Schnittstelle. Etwa die Hälfte aller Kartenzahlungen laufen nach Angaben des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes auf diese Weise ab.

Banken müssen sich auf diese Umstellung der Bezahlgewohnheiten einstellen und beispielsweise gemeinsam mit dem Einzelhandel und der Gastronomie mehr Angebote für das Bezahlen aus der Distanz schaffen und die bestehenden vereinfachen. Zudem sind sie gefordert, den Zugang zu Bargeld zu erleichtern und die Kooperationsnetze mit Tankstellen und anderen Partnern deutlich auszuweiten.

Filialgeschäft: COVID-19 muss nicht zum Sterbehelfer werden

Normales Filialgeschäft ist für Banken nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Kundenbesuche im B2B- und B2C-Bereich sind nur noch eingeschränkt möglich. Der Direktvertrieb wird aufgrund der aktuellen Krise zunehmend einen Schub in Richtung hybrid erfahren, d. h., der direkte persönliche Kontakt wird permanent ergänzt werden durch alternative Kanäle, etwa durch soziale Medien im professionellen Bereich wie LinkedIn und Videokonferenzen für die persönliche Beratung.

Das Aus für die Bankfiliale ist allerdings keinesfalls besiegelt. Das Internet gilt als so stabil, weil es als Netz aus vielen Knoten organisiert ist, das stabil weiterläuft, auch wenn einige Knoten ausfallen. Diese Rolle können auch größere Bankfilialen übernehmen, wenn die Institute sie zu dezentralen Knotenpunkten umbauen, die auch zentrale Aufgaben mit übernehmen können.

Plattformen und Social Media: zweite Chance für die Facebook-Filiale

Der Ersatztreffpunkt für Menschen während der Corona-Krise sind die sozialen Medien. Die Nutzung von Facebook, Instagram, YouTube und WhatsApp wird auch in der Post-COVID-19-Zeit deutlich stärker sein als vor dem Ausbruch der Pandemie. Dasselbe gilt für Vergleichs- und Vermittlungsplattformen, die in der Krise schnelle Orientierung bieten, inklusive Abschlussmöglichkeiten. Dieses Nutzerverhalten wird sich verfestigen, und Banken müssen adäquat antworten.

Die Entscheider stehen hier vor einem Neustart ihrer Social-Media-Strategien von einst, die es bislang kaum über eine Facebook-Präsenz oder einen YouTube-Channel hinaus geschafft haben. Hierzu werden sich mehr Institute aufraffen und Kompetenzen in den unterschiedlichen Kanälen aufbauen. Zudem werden sie ihre Angebote auf die Anforderungen der Plattformen wie Check24 und Verivox zuschneiden sowie technische Schnittstellen forcieren, um ihre Effizienz im Vertrieb zu steigern.

Kundenservice: E-Mail-, Telefon- und Briefwelle im Anmarsch

Durch die erschwerten Filialbesuche werden Kunden wieder stärker zum Hörer greifen und E-Mails und Briefe schreiben. Speziell die E-Mail wird als etablierter und seriöser Online-Kanal eine Hochphase erfahren. Banken werden diesen Kanal deutlich kundenfreundlicher und operativ effizienter gestalten müssen, als das derzeit vielfach der Fall ist. Dazu gehören die Rückkehr zu zentralen Service-E-Mail-Adressen – diese hatten viele Institute abgeschafft – und der Einsatz von Technologien, um die Menge an Anfragen in der von Kunden erwarteten Zeitspanne zu beantworten.

Banken sollten die Kunden-E-Mails nicht als Flut betrachten, sondern als willkommenen Kontaktpunkt, um mit Service zu glänzen. Zu diesem Zweck sollten sie die Kommunikation mit Beratern in Online-Filialen deutlich vereinfachen. Dazu zählen die Zuweisung von Anfragen über das Online-Banking-Portal an die zuständigen Bankmitarbeiter, Möglichkeiten zum Upload von Dokumenten und eine digitale und in Teilen automatisierte Verarbeitung, beispielsweise von Kreditverträgen und Sparplänen.

Bankbetrieb: Alte Kernbanksysteme sind Remote-Arbeits- und Entwicklungsbremsen

Banken zählten vor der Krise sicher nicht zu den Branchen mit den höchsten Homeoffice- oder Coworking-Raten. Notgedrungen sammeln die Institute derzeit intensiv Erfahrungen mit der Remote-Arbeit und Lösungen für die digitale Zusammenarbeit in Teams. Nach der Krise werden sich viele dieser Lösungen als Standard etablieren – wahrscheinlich sogar müssen. Durch diese Entwicklung steigen die Anforderungen an die Cyberschutzmaßnahmen. Betrüger und Cyberkriminelle sind bereits aktiv und suchen Schwachstellen. Die Risiken verlagern sich in die privaten Wohnungen. Banken müssen somit ihre Schutzmaßnahmen ausweiten.

Gleichzeitig müssen sie sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter auch auf Software ihrer alten Legacy-Systeme remote zugreifen können und der Zugriff auf sensible Daten wie bei der Prüfung von Geldwäscheverdachtsfällen auch im Homeoffice den regulatorischen Anforderungen entspricht. Zudem entpuppen sich die aktuelle IT-Architektur und die im Einsatz befindlichen Kernbankensysteme als Transformationsbremse. Sie verhindern in den meisten Banken aufgrund ihrer Komplexität eine schnelle und agile Entwicklung neuer notwendiger Services in Krisenzeiten. Die Erkenntnis ist lange vorhanden, nun steigt der Druck. Viele Institute werden ihre geplanten Investitionen in Cloud-Systeme und Virtualisierung vorziehen, damit sie flexibler arbeiten können und Effizienzgewinne schneller einfahren.

Geschäftsmodell Bank: mehr Druck auf dem Transformationskessel

Das neue Normal für die Bankenwelt wird sich somit deutlich stärker als ein konkretes Anpacken von Maßnahmen und weniger als ein strategisches Ausloten von Veränderungsoptionen zeigen. Die Krise wirkt auf die Tendenzen der letzten zehn Jahre – Kostensenkung, Digitalisierung und Konzentration – wie ein Katalysator. Der Druck auf dem Transformationskessel steigt. Ein positiver Effekt äußerer Krisen ist, dass sich Unternehmen Fragen stellen können, für die sonst entweder keine Zeit ist oder für die sie keinen Bedarf sehen. Zwei Fragen sollten sich Entscheider dringend vornehmen:

  1. Welche Rolle wollen wir als Bank im Leben unserer Kunden spielen?
  2. Welche Stelle möchte unsere Bank im Ökosystem der (Finanz-)Wirtschaft besetzen?

Bei den Antworten und den Geschäftsmodellen – im Banking oder Beyond Banking – wird es darauf ankommen, dass Banken die Assets Technologie und Vertrauen in den Umgang mit Daten beherrschen und effizient managen können. Dann wird Banking auch bleiben.

Experteneinschätzung: Auswirkungen von COVID-19 auf die Finanzwelt

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Die Krise wirkt auf die Tendenzen im Bankenmarkt der letzten zehn Jahre – Kostensenkung, Digitalisierung und Konzentration – wie ein Katalysator. Der Transformationsdruck wird erhöht. Laden Sie die Expertenanalyse herunter und erfahren Sie, wie sich COVID-19 im Einzelnen auf Produkte, Kanäle, Bankbetrieb und Geschäftsmodelle auswirkt.

Über den Autor

Thomas Rose

Thomas Rose ist Mitglied der Geschäftsleitung verantwortlich für den Geschäftsbereich „Banking“ bei Sopra Steria. Zuvor war er bei IBM als Executive Partner für den Bereich Cloud Strategy Services und als Global Account Partner für eine internationale Universalbank zuständig.

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