Warum sich Banken mit Internetvertrieb schwer tun

Entwicklung des Online Bankings ohne Vertriebsorientierung

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Mehr als 20 Jahre nachdem Amazon sein erstes Buch verkauft hat, tun sich viele Banken mit dem Internet als Vertriebskanal immer noch schwer. Vielfach sind falsche Zuständigkeiten und Silodenken dafür verantwortlich.

Online Banking ohne Vertriebsimpulse

Noch immer bieten nur wenige Banken und Sparkassen innerhalb des Online Bankings Vertriebsoptionen an.

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Für Unternehmen und Organisationen, die in den frühen 90er Jahren die ersten Websites online stellten, war das Internet einfach eine Publishing-Plattform. Damals haben Firmen wie PizzaHut und andere mit dem experimentiert, was wir anfangs als „Broschüren“ bezeichneten: Informationen zu Produkten und Serviceleistungen, welche die Umsätze erhöhen sollten. Seit 1995 haben viele Firmen damit begonnen, direkt über das Internet zu verkaufen, unter anderem Amazon, WHSmith, Tesco, Virgin, Megastores, Interflora, Dixons, PC World und viele andere. Das Internet wurde zu einem ausgewachsenen Vertriebskanal.

Banking nicht attraktiv für Internetvertrieb?

Allerdings haben Retailbanken das Internet in den Anfängen nie so gesehen. Der ursprüngliche Grund dafür war, dass nicht jeder einfach so Bankprodukte und ‑dienstleistungen verkaufen konnte. Die Regulierung schützte damals wie heute die Institute. Zudem gab es nicht viele reine Internetbanken, die ohne Filialnetzwerk auskamen. Warum, so fragten sich Investoren, sollte man zunächst fünf Millionen Dollar für um eine Bankzulassung investieren, und dann noch einmal mehr zu investieren, um eine Internetbank zu gründen? Für ein reines E-Commerce-Portal oder eine Plattform in einem anderen Sektor reichten schließlich zwei Millionen Dollar – einschließlich Aufbau, Markteinführung, Marketing und Personalausstattung?

Das Bankwesen war für diesen Ansatz nicht attraktiv genug.

Die Finanzbranche hätte wohl nie zwei junge Männer in einer Garage in Silicon Valley dazu gebracht, das Facebook der Finanzbranche zu gründen – die rechtlichen Hürden und Investitionen waren zu groß. Während man ein kleines Internetgeschäft aufbauen und Produkte für eine Investition von vielleicht nur einigen Hunderttausend Dollar anbieten konnte, wäre die Basis für ein funktionierendes Zahlungs- oder Bankensystem mit millionenschweren Investitionen verbunden gewesen. Als Bank kann man keinen „Fail Whale“ als Website anbieten, wenn man mit dem Geld von Kunden arbeitet.

Internet Banking als Transaktionskanal

Die erste Anwendung im Internet wurde also das „Internet Banking“ (Online Banking). Dies war eine – meist günstigere – Möglichkeit für Kunden, alltägliche Bankgeschäfte zu tätigen, ohne eine Filiale besuchen oder ein Telefon zur Hand nehmen zu müssen. Für die meisten Banken bedeutete das eine „Änderung des Vertriebskanals“ oder eine Kosteneinsparung, um ihre Kunden zu bedienen.

Deshalb bestanden die meisten Websites von Banken in den Jahren 1995 bis 2000 lediglich aus Zugängen für „sicheres“ Internetbanking. Aus diesem Grund waren es auch meist die IT-Abteilungen, die in dieser Phase für den Internetauftritt verantwortlich waren. Primär ging es damals um Funktionalität, zuverlässige Transaktionen und Sicherheit und nicht um Umsatz oder Produktinformationen und auch nicht um Kundenservice.

Bankmarketing entdeckt das Internet

Als die Marketing-Spezialisten der Banken sahen, wie E-Commerce- Unternehmen wuchsen, forderten sie vom IT-Bereich den Zugang zu den öffentlichen Plattformen der Banken. Sie wollten die Marke zu stärken und spezielle Produkte verkaufen. Doch noch im Jahr 2000, ganze fünf Jahre nachdem Amazon seinen Online-Buchhandel gegründet hatte, konnten Banken in der Regel nach wie vor nur mit einfachen Produktbroschüren aufwarten.

Dies war vor allem ein Compliance- und Onboarding-Problem sowie ein Problem der Anwendungsverarbeitung. Es gab einfach keine Möglichkeit, eine Produktanfrage digital über ein Internetformular zu akzeptieren. Viele Banken, mit denen ich auf dieser Entwicklungsstufe gearbeitet habe, druckten entweder Formulare aus, die Kunden im Internet ausgefüllt hatten, und übermittelten diese dann an Produktteams, die sie dann wieder in die gleichen Systeme eingaben, welche die Mitarbeiter in den Filialen nutzten, oder sie verlangten von den Kunden, dass sie das Formular an die Filiale oder ein spezielles Internet-Team faxten. E-Commerce gab es im Bankwesen zur Jahrtausendwende noch nicht.

Die öffentliche Webseite war in der Hand der Marketingfachleute, die zwar den ganzen Tag darüber Nachrichten und Kampagnen verbreiten konnten, aber kaum Entscheidungsfreiheit hatten, was tatsächlich über das Internet verkauft werden durfte. Die Bank ging davon aus, dass man sich über ein Produkt online informieren und dann zum Geschäftsabschluss eine Filiale aufsuchen würde. Alles andere machte keinen Sinn, solange umfassende Investitionen in Filialen gerechtfertigt werden mussten.

Online Banking ohne Vertriebsimpuls

Die Administration einer sicheren Website für das Online Banking wiederum lag in der Hand der IT, deren Aufgabe es war, eine stabile und sichere Transaktion zu ermöglichen. Sie wurden nicht am Umsatz gemessen und brauchten sich keine großen Gedanken um das Marketing zu machen. In den ersten sechs oder sieben Jahren nach Gründung der meisten Internet Banking-Portale blieb der Umsatz aus. Auch heute noch machen die meisten Banken keinen Umsatz nach dem Login. Das ist haarsträubend, denn bis zu 95 Prozent der täglichen Webbesucher klicken auf die Anmeldetaste und für Banken, die Umsatz machen wollen, sind KYC-Bestandskunden eine viel einfachere Zielgruppe als neue Kunden außerhalb der sicheren Umgebung.

Diese digitale Trennung im Bankwesen führte zu einem jahrzehntelangen Kampf zwischen den Teams aus Marketing, Kommunikation und PR, Investor Relations und der IT-Abteilung, die alle die Homepage besitzen wollten, da sie als wertvollstes Online-Gut galt, das die Bank hatte. Es war ein Kampf, den keiner gewinnen konnte, da keiner von ihnen wirklich dafür qualifiziert war, die Verantwortung dafür zu übernehmen, bzw. keiner sie verdiente.

Banken sind heute fast der einzige Sektor auf der Welt, der auf diese Weise mit E-Fulfillment umgeht. Jede andere Branche, mit Ausnahme vielleicht einiger Versorgungsunternehmen, sieht den größten Vorteil des Internets in der Umsatzsteigerung. Banken haben aus Angst vor der Auflösung ihres Filialnetzwerks und aus Furcht vor zu hohem Risiko und Compliance-Vorgaben stets gegen diese Entwicklung gekämpft.

Stellen Sie sich vor, Amazon hätte seine Website mit dem gleichen Ansatz aufgebaut wie die heutigen Banken. Man hätte eine Website, auf der man sich den gesamten Bücherkatalog von Amazon ansehen kann, will man aber ein Buch kaufen (oder ein anderes Produkt), müsste man ein reales Geschäft besuchen. Für bestehende Kunden von Amazon wäre das einzige, was man online nach dem Login tun könnte, sich eventuell die Produkte anzusehen, die man vorher gekauft hat.

So betrachtet haben die Banken lange Zeit die Chancen des Internets – was den Verkauf anbelangt – versäumt. Jetzt erhalten sie die Quittung dafür.

Fluggesellschaften wie Delta oder British Airways generieren heute bis zu 80 Prozent ihres Umsatzes über das Internet. Das könnten Banken heute auch, wenn sie eine digitale Umsatzgenerierung ermöglicht hätten, anstatt zu argumentieren, dass Umsätze, die in Filialen generiert werden, höherwertig seien.

Über den Autor

Brett King

Brett King ist Autor, Gründer und CEO der amerikanischen Movenbank und ein gefragter internationaler Redner. 2012 wurde er zu Amerikas innovativstem Banker des Jahres gewählt. Seine Bücher stehen in den Bestsellerlisten bei Amazon.

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