Bankprodukte sollten einem Finanz-TÜV unterliegen

Interview mit Axel Troost, Die Linke

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Bessere Aufsicht für Finanzprodukte

Als Folge aus der Finanzkrise sollte die Aufsicht für innovative Finanzprodukte verbessert werden

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Das Finanzsystem muss einfacher und standardisierter werden

Der Bank Blog: Die Linke fordert ja u.a. Banken zu verstaatlichen, sowie den Finanzsektor demokratisch zu kontrollieren und dem Gemeinwohl zu verpflichten. Gilt dies auch für FinTechs? Und wenn ja, in welcher Form?

Axel Troost: Unsere zentrale Analyse lautet, dass die Finanzindustrie im Verhältnis zur Realwirtschaft teilweise massiv überbordet, viel zu groß ist und mangels eines vernünftigen Geschäftsmodells – bzw. als gesellschaftlich unvernünftiges Geschäftsmodell – dabei viel zu viele Risiken eingeht. Gemeint ist das Kapitalmarktgeschäft auf eigene Rechnung und mit erheblichem Hebel. Da das Finanzsystem besonders anfällig für Vertrauensverluste ist, können die Fehler einzelner Finanzdienstleister schnell eine ganze Branche in Verruf bringen und dann zähneknirschend staatliche Unterstützung nötig machen, um einen Kollaps des Finanzsystems zu verhindern. Unsere Forderung nach demokratischer Kontrolle und Vergesellschaftung (das meint deutlich mehr als nur Verstaatlichung) des Bankensektors leitet sich genau aus diesem Fehlanreizsystem ab, dass die Aktionäre profitorientierter Finanzunternehmen in den guten Jahren hohe Dividenden einfahren und in Krisenjahren die Kosten dem Staat und dem Gemeinwesen aufdrücken können. Insgesamt sehen wir einen Bedarf nach einer Vereinheitlichung und Standardisierung von Finanzinstrumenten und -dienstleistungen, damit eine ernsthafte demokratische Kontrolle und Beaufsichtigung überhaupt möglich ist. Von daher spricht nichts dagegen, dass im FinTech-Sektor originelle Finanzinstrumente für real bestehende Bedarfe entwickelt werden, aber sie müssen das Finanzsystem einfacher und stabiler statt komplexer machen, sonst hat das Gemeinwesen nichts davon. Entsprechend unseres Vorschlags für eine Neuordnung des Bankensektors sollten sich FinTechs dann entweder in eine öffentlich-rechtliche oder in eine genossenschaftlich organisierte Säule des Finanzsystems einfügen.

Bankprodukte sollten einem Finanz-TÜV unterliegen

Der Bank Blog: Ist FinTech überhaupt ein Thema, um das sich die Politik besonders kümmern muss oder sollte dies nicht vielmehr Markt und Wettbewerb überlassen werden?

Axel Troost: Es wird Sie nicht überraschen, dass wir an die selbstheilenden Kräfte von Markt und Wettbewerb nicht so recht glauben. Wie ich schon sagte: ein Hauptproblem der Finanzmarktregulierung der vergangenen Jahrzehnte war, dass die Politik der „Innovationsgeschwindigkeit“ bei der Regulierung von Finanzinstrumenten im Schneckentempo hinterhergestürmt ist und daher immer viel zu spät kam. Das kann angesichts der Profitmargen und der Vermachtung des Finanzsektors nicht verwundern, aber daher braucht es einen Systemwechsel, den wir Finanz-TÜV nennen: Zukünftig sollen alle Finanzinstrumente einem Zulassungsvorbehalt durch einen Finanz-TÜV unterliegen. Diesem Finanz-TÜV gegenüber sollen die Emittenten bzw. die erbringenden Finanzdienstleister darlegen, dass ihr Produkt einen gesellschaftlichen Bedarf deckt und dass der einzelwirtschaftliche Nutzen nicht mit einem gesamtgesellschaftlichen Schaden erkauft wird (z.B. durch Erhöhung der systemischen Finanzinstabilität bzw. der Intransparenz). An genau denselben Anforderungen müssen sich dann auch FinTechs bzw. ihre Angebote messen lassen.

Der Bank Blog: Halten Sie es für ordnungspolitisch korrekt, wenn Bundesländer wie Hessen in einzelne FinTech-Startups Geld investieren? Immerhin handelt es sich um ein Risiko-Investment und um Geld der Steuerzahler?

Axel Troost: Es kann durchaus gesellschaftlich wünschenswerte Finanzdienstleistungen geben, die bislang nicht angeboten werden und deren Erbringung von öffentlicher Seite unterstützt werden sollte. Das kann z.B. in manchen Bereichen von Beteiligungskapital der Fall sein, wo Unternehmensnachfolgen zu scheitern drohen, weil die Erben nicht fortführen wollen oder können. Auch wenn es die Bankenbranche gern im Munde führt: im Reich systemrelevanter Banken scheint mir das Wort Ordnungspolitik wenig zutreffend.

Keine Sonderstellung für digitale Finanzdienstleistungen

Der Bank Blog: Viele fordern ja (weichere) Sonderregeln für digitale Finanzprodukte. Das Beispiel des Programmhandels an Aktienmärkten zeigt hingegen mögliche höhere Risiken der zunehmenden Digitalisierung deutlich auf. Müssten nicht demzufolge regulatorische Anforderungen an digitale Finanzdienstleistungen wesentlich schärfer formuliert werden?

Axel Troost: In den meisten Bereichen des Finanzsektors sind die Regulierungen eher zu schwach als zu scharf, von daher begrüßen wir in der Regel schärfere Finanzmarktregulierungen. Es sollte aber keine Sonderstellung digitaler Finanzdienstleistungen geben, sondern Finanzdienstleistungen sollten grundsätzlich – ob von Banken oder FinTechs erbracht und ob am Bankschalter oder per Smartphone vertrieben – nach den gleichen Maßstäben reguliert und beaufsichtigt werden. Da aber viele FinTechs derzeit noch nicht mit den gleichen Maßstäben wie Banken gemessen werden, gibt es in diesem Bereich sicher besonders hohen Nach-Regulierungsbedarf.

Politik muss sich auch durchsetzen

Der Bank Blog: FinTech bedeutet nicht zwingend Startup. Auch internationale Technologie-Konzerne, wie Apple, Amazon, Facebook oder Google bieten immer mehr Leistungen rund um Finanzprodukte an. Wie kann die Politik sicherstellen, dass diese – wie bei anderen Beispielen (Hass-Postings, Datenschutz etc.) – staatliche Vorgaben und Regulierungen nicht einfach ignorieren, ausweichen oder umgehen und es in der Folge für die etablierten Geldinstitute nicht zur Ungleichheit im Wettbewerb kommt?

Axel Troost: Ich teile die Sorge, dass die Bundesregierung gegenüber großen Konzernen oft sehr hasenfüßig auftritt bzw. ausländische Konzerne zu mauern versuchen. Aber letztlich ist das eine Glaubwürdigkeitsfrage, ob sich die Politik wirklich durchsetzen will. Wenn sich eine Bank grob regelwidrig verhält bzw. die Kooperation (z.B. in der Bekämpfung von Geldwäsche/Steuerhinterziehung/Terrorfinanzierung) verweigert, können die Aufsichtsbehörden die Banklizenz entziehen und man friert ihr Konto bei der EZB ein. Damit ist eine Bank weg vom Fenster. Vergleichbares muss auch für Finanzdienstleister möglich sein, die ohne Anbindung ans Zahlungssystem der EZB auskommen. Ein vergleichbares Vorgehen hieße dann eben, in Europa die Webseiten von Apple, Amazon, Facebook und Google zu sperren. Wenn diese Drohung glaubwürdig vorgetragen wird, mache ich mir um die Compliance der großen Konzerne keine großen Sorgen.

Der Bank Blog: Herzlichen Dank für das Gespräch.

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Über den Autor

Dr. Hansjörg Leichsenring

Dr. Hansjörg Leichsenring ist Herausgeber des Bank Blogs und der Finanzbranche seit über 30 Jahren beruflich verbunden. Nach Banklehre und Studium arbeitete er in verschiedenen Positionen, u.a. als Direktor bei der Deutschen Bank, als Vorstand einer Sparkasse und als Geschäftsführer eines Online Brokers. Als Experte für Strategien in den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Vertrieb ist er gefragter Referent und Moderator bei internen und externen Veranstaltungen im In- und Ausland.

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