Corona-Krise: Zwischen Hoffen und Bangen

Denk-Anstöße: Interessantes, Merkwürdiges und Nachdenkliches

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Deutschland im Herbst: Zwiespältig präsentiert sich die wirtschaftliche und politische Lage inmitten der Corona-Pandemie. Einzelnen Hoffnungsschimmern steht unverändert ein breites Spektrum an Risiken und Bedrohungen gegenüber. 

Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Politik und Wirtschaft

Die Corona-Pandemie hat vielfältige Auswirkungen auf Politik und Wirtschaft.

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Missbrauch der Corona-Pandemie als Deckmantel

Die Corona-Pandemie wird von ganz unterschiedlichen Akteuren zunehmend als Alibi oder Deckmantel für die Durchsetzung weltanschaulicher Ziele und parteipolitischer Interessen missbraucht. Neue Maßstäbe für politische Inkonsistenz und Unberechenbarkeit setzt derzeit der Bundesfinanzminister, bei dem der Bestandschutz öffentlicher Bekundungen mittlerweile unterhalb der Einwochenfrist angekommen zu sein scheint. Er ist offenbar dabei, Unkalkulierbarkeit zum persönlichen Markenzeichen auszubauen.

Die FAZ kommentiert unter der knackigen Überschrift „Dreist“ so: „Das ging schnell. Als die europäischen Staats- und Regierungschefs im Juli beschlossen haben, erstmals gemeinsam Schulden aufzunehmen und  390 Milliarden Euro Zuschüsse an die Mitgliedstaaten zu verteilen, verkaufte die Bundesregierung das noch als einmalige Corona-Notmaßnahme. Jetzt spricht Olaf Scholz von einem Fortschritt, ꞌder sich nicht mehr zurückdrehen lässtꞌ. Ohne Absprache mit dem Koalitionspartner öffnet der deutsche Finanzminister damit die Tür in Richtung einer dauerhaften Verschuldung der EU, von der auch Frankreich schon lange träumt. Scholz’ Vorstoß kommt nicht zufällig. Ende vergangener Woche hatte der SPD-Politiker schon darauf gepocht, die deutsche Schuldenbremse auch im kommenden Jahr auszusetzen – obwohl diese Entscheidung momentan gar nicht ansteht.“

Ähnlich kritisch betrachtet die Welt das dubiose Geschehen. Scholz beabsichtige offenbar nicht, nach den diesjährigen Rekordschulden 2021 wieder auf Sparkurs zu gehen. Das Blatt weiter: „Längst geht es nicht mehr um Hilfestellung in akuten Notsituationen, sondern um eine Neugestaltung der Volkswirtschaft, die dauerhaft auf den lenkenden und immer stärker umverteilenden Staat setzt. Aus der Finanzkrise, die verglichen mit der aktuellen Rezession ein laues Lüftchen war, kam Deutschlands Wirtschaft unbeschadet – gerade weil damals niemand in der Bundesregierung die ökonomischen Leitplanken verschoben hat.“

Die Pandemie wird offenbar von ganz unterschiedlichen Akteuren zunehmend als Alibi oder Deckmantel für die Durchsetzung weltanschaulicher Ziele und parteipolitischer Interessen missbraucht. Immer mehr Strippenzieher  wollen die Gunst der Stunde und den psychologischen Freiraum der allgemeinen Bedrohungslage für die „unauffällige“ Durchsetzung ideologischer Intentionen nutzen. Als Generallinie erkennbar ist: mehr Staat –  weniger Marktwirtschaft, mehr Umverteilung –  weniger Eigenverantwortung.

Nachwirkungen der Corona-Pandemie und strukturelle Umbrüche führen zu explosivem Mix

Das BIP ist im zweiten Quartal 2020 – gegenüber dem Vorjahreszeitraum – um preisbereinigte 11,3 Prozent eingebrochen. Der konjunkturelle Absturz war also stärker als in der Finanzkrise 2009. Die Rezession hat fast alle Branchen in unterschiedlicher Ausprägung getroffen. Relativ unbeschadet durch die Krise gekommen ist die Bauwirtschaft.

Absehbar ist derzeit, dass die Erholung im dritten Quartal rekordverdächtig ausfallen wird. Trotz der allgemein verständlichen Sehnsucht nach Normalisierung gibt es aktuell derzeit keinen Anlass für Entwarnung. Das  Gesamtjahr 2020 wird mit einem BIP-Rückgang um 6,3 Prozent als schwerste Rezession der Nachkriegszeit in die Historie eingehen. Die Zukunftsaussichten werden von zahlreichen Imponderabilien überschattet.

Nach Einschätzung der VP Bank steht Deutschland „über den Jahreswechsel hinaus ein explosiver Mix aus Nachwirkungen der Corona-Pandemie und strukturellen Umbrüchen bevor“. So leidet der Export unter teilweise verheerenden Nachfrageschwächen wichtiger Abnehmerländer. Auch die Lieferketten haben zum Teil noch erhebliche Lücken. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt bleibt angespannt. Sollte es zu großen Entlassungen kommen, würde auch das Konsumverhalten der Verbraucher deutlich geschwächt. Außerdem schwebt ein zweiter Lockdown wie ein Damokles-Schwert über allen Prognosen und Hoffnungen.

Politik mit Beruhigungsmittel für die Bürger?

Bund, Länder und Gemeinden haben im ersten Halbjahr 2020 51,6 Mrd. Euro mehr ausgegeben als eingenommen. Bezogen auf die gesamte Wirtschaftsleistung lag das Defizit bei 3,2 Prozent. Die öffentlichen Ausgaben explodierten durch die Corona-Krise um 9,3 Prozent. Überzeugende Konzepte, wie die neuen Löcher in den Staatskassen geschlossen werden können, sind bisher nicht bekannt. Der  Bundesfinanzminister hat bereits Steuererhöhungen für „Top-Verdiener“ angekündigt.

Dazu der Ökonom Lars Feld : „Die Pandemie ist ein schwerer Produktivitätsschock. Man wird darauf am besten nicht mit Steuererhöhungen antworten, weil das die Produktivität weiter beeinträchtigen wird.“ Das  Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sieht die Gefahr, dass Corona „zum Feigenblatt für teure Ausgabenvorhaben“ werde, die mit der Pandemie nicht unmittelbar zusammenhängen. Dann drohe auf Dauer eine deutsche Schuldenkrise.

Der Focus bewertet die jüngsten Ankündigungen der GroKo als „Beruhigungsmittel für die Deutschen“. Auf Kosten der Steuerzahler würden ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl Geschenke verteilt. Damit versuche man, politische Ruhe zu erkaufen.

Das Target2-Drama

Von der Öffentlichkeit unbemerkt und von den Medien weitestgehend negiert sind die Forderungen der Bundesbank gegenüber der EZB im August auf einen neuen Rekordstand von 1,056 Billionen Euro gestiegen. In der Euro-Zone wird der internationale Zahlungsverkehr bekanntlich über das Verrechnungssystem Target2 abgewickelt.

Schon seit Jahren ist die Bundesbank der größte Gläubiger, während Italien und Spanien die größten Schuldner sind. Allein Italien hat mittlerweile für 523 Mrd. Euro – wie in einem Selbstbedienungsladen –  anschreiben lassen.

Target2- Schulden werden erstaunlicherweise weder befristet, verzinst noch abgesichert. Diesen fatalen Missstand scheint man bei der Konzeption des Systems „übersehen“ zu haben. Dabei könnte Italien beispielsweise seine erheblichen Goldreserven als Sicherheit einbringen. Ökonomen haben dieses ungewöhnliche System als Kreditkarte zulasten der Gläubigerländer und als tickende Zeitbombe bezeichnet. Prof. Hans Werner Sinn , der frühere Präsident des ifo-Instituts, warnt seit Jahren davor, dass die Bundesbank und damit letztlich der deutsche Steuerzahler ihre Forderungen abschreiben müssten, falls ein Land aus dem Euro aussteigen oder der Währungsraum auseinanderbrechen würde. Man darf bzw. muss davon ausgehen, dass Art und Dimensionen der mit Target2 verbundenen Risiken den meisten Volksvertretern auch nicht annähernd bewusst sind. Die schlichte Erkenntnis, dass im Ernstfall über das dreifache Volumen des Bundeshaushalts im Feuer stehen würde, wird allgemein verdrängt. Bisher sind keinerlei Initiativen der Bundesregierung bekannt geworden, durch eine Änderung der Target2-Spielregeln zu retten, was hier noch zu retten ist.

Über den Autor

Dietrich W. Thielenhaus

Der Unternehmer Dietrich W. Thielenhaus, der vor seinem Studium Bankerfahrung gesammelt hat, kommentiert aktuelle Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und Geldanlage.

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