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Warum Bill Gates falsch lag

Banks are necessary, Banking is not

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Wohl kaum ein Zitat über Banking und Banken ist so bekannt, wie das von Microsoftgründer Bill Gates aus dem Jahr 1994. Heute schein klar, dass er daneben lag. Oder sollte man die Aussage lediglich abändern?

Bill Gates berühmtes Banking-Zitat aus dem Jahr 1994

Bill Gates berühmtes Banking-Zitat aus dem Jahr 1994.

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Nicht nur die Älteren unter uns erinnern sich an das Statement von Bill Gates aus dem Jahr 1994. Denn es wurde zur wohl meistzitierten Aussage über die Auswirkung der Digitalisierung auf Banken und Finanzdienstleister. Das hinderte Bill Gates übrigens nicht daran, uns jährlich in der Vereinsbank zu besuchen (ich war damals deren CIO), um den Wert der Microsoft-Lösungen für die erfolgreiche Bank der Zukunft herauszustellen.

Banking im Jahre 2022

Prüft man seine Aussage nach fast 30 Jahren empirisch, so zeigt sich: Da hat er wohl danebengelegen! Zwar wurde regelmäßig das Ende der Banken beschworen. Aber die Institute folgten dem nicht, wurden im Gegenteil größer und wertvoller, zumindest im Durchschnitt und in den meisten Ländern jenseits von Deutschland. J.P. Morgan und die Bank of America sind nach einer Schwächephase in der Finanzkrise zwar noch nicht wieder unter den zehn größten Unternehmen der Welt zu finden, gehören jedoch beide zu den Top-25.

Aber Bill Gates‘ Aussage hat sich nicht nur als falsch erwiesen. Man muss sie sogar ins Gegenteil verkehren: “Banks are necessary, Banking is Not”. Damit kommt man der Realität wesentlich näher!

Banks are necessary!

Beginnen wir mit dem ersten Halbsatz: „Banks are Necessary“. Bereits die Studierenden im ersten Semester Finanzwissenschaft lernen, dass Banken eine zentrale Aufgabe wahrnehmen, die niemand sonst bewältigen kann. Sie sind Risikotransformatoren, die die Finanzrisiken so strukturieren und verteilen, dass sie für die Vielzahl von Wirtschaftsakteuren tragbar werden.

  • Alles begann mit der räumlichen Risikotransformation: Das Haus Thurn und Taxis wurde groß durch die Bankdienstleistung, die den sicheren Transport von Geld und Wertgegenständen zwischen den Finanzzentren Europas organisierte.
  • Hinzu trat die zeitliche Dimension: Kurzfristige Bestände auf Girokonten werden unter Nutzung der hohen Bodensätze in langfristige Kredite umgewandelt.
  • Noch mehr Gewicht entsteht durch die Stückgrößen-Transformation: Viele kleine Einlagen werden zu großen Krediten paketiert.
  • Umgekehrt wird eine große Aktiengesellschaft in viele kleine Aktien zerlegt, so dass die Anlagebeträge für den Einzelnen stemmbar und im Risiko begrenzt sind.
  • Aktien verschiedener Unternehmen werden wiederum in Fonds zusammengefasst, um das Risiko noch breiter zu streuen.

Und weil in all diesen Dimensionen enorme Risiko-Volumina umgeschichtet und neu verteilt werden, gibt es die Finanzaufsicht.

„Decentralized Finance“ verspricht zwar, dass das eines Tages auch ohne Banken (und ohne Finanzaufsicht?) gehen soll – über Smart Contracts direkt vom Kapitalanbieter zum Nachfrager, realisiert in unbestechlicher Software. Aber schon die Vorläufer solcher Contract-Anbieter, nämlich die Kreditmarktplätze, fristen eher ein Nischendasein. Außerdem brauchen sie in der Regel eine Bank als Risikotransformator im Hintergrund. Und nur eine Minderheit unter den Finanzakteuren dürfte über die Fähigkeiten verfügen, durch eigenes Studium der Software die vielen möglichen Fallstricke komplexer Engagements zu identifizieren. Insofern ist sehr fraglich, ob in absehbarer Zeit die aufsichtsrechtlichen Hürden genommen und relevante Marktvolumina erreicht werden.

Banking is not necessary

Nun zum Vorschlag für den zweiten Halbsatz: „Banking is Not“. Banking verstehen wir hier als das Nachdenken über den eigenen Bedarf an Bankprodukten, das Diskutieren und individuelle Gestalten, Prüfen und aktive Zurechtschneiden, schließlich den Abschluss, all dies mit einem Finanz-kundigen Unterstützer (der ja nach Bill Gates keine Bank sein wird).

Hier will „Embedded Finance“ den Kunden Lösungen bieten, die eine aktive Beschäftigung und Gestaltung von Finanzprodukten unnötig machen, die vielmehr (fast) automatisch und unbewusst im Hintergrund ablaufen:

  • Wer zahlt, muss keine Überweisung mehr aktiv im Online Banking ausfüllen, sondern triggert die Zahlung ganz automatisch bei Amazon, Ebay oder durch Tap-and-Go an der physischen Ladenkasse.
  • Wer einen Konsumentenkredit braucht, muss ihn nicht mehr bei der Bank beantragen, sondern erhält auch dieses Angebot direkt vom Einzelhändler im Kaufprozess.
  • Und wer Geld anlegen will, macht das direkt mit seinem Arbeitgeber aus, der im Arbeitsvertrag gleich eine flexible und quasi automatische Altersversorgung via Fondssparen o.ä. anbietet, um die Rentenlücke auszufüllen.

Banking im Sinne der intensiven, aktiven Gestaltung der eigenen Bankprodukte verliert dadurch deutlich an Gewicht, wird ersetzt durch automatische Schritte in diversen Kauf- oder Versorgungsprozessen, neudeutsch in der Customer Journey, mit den eigentlichen Produkt- und Servicelieferanten. Die Bank agiert nur noch aus dem Backoffice heraus, ist in vielen Fällen als White Label Anbieter kaum erkennbar, liefert die Mittel zum Zweck.

Bill Gates lag daneben

Nun sollte man nicht schwarz-weiß malen. All dies ist erst in Entwicklung, trifft den „durchschnittlichen“ Privatkunden Schritt für Schritt, gilt noch nicht für Firmenkunden oder Großanleger mit einem Bedarf wie Bill Gates.

Aber klar ist, dass Bill Gates daneben lag: Banken werden als Risikotransformatoren notwendig bleiben, während Banking im Sinne aktiv gestaltender Interaktion von Kunde und Finanzspezialist an Bedeutung verliert.


Der Beitrag ist kürzlich als Kolumne in dem wissenschaftlichen Journal „Banking and Information Technology“ erschienen (BIT Band 23, Heft 2, Oktober 2022).

Über den Autor

Prof. Dr. Hans Gert Penzel

Prof. Dr. Hans-Gert Penzel ist Gründungsgesellschafter und Aufsichtsrat des ibi research, Institut für Bankinnovation an der Universität Regensburg. Neben seiner Professur hält der Volkswirt und Wirtschaftsinformatiker eine Vielzahl von Aufsichtsrats- und Beiratsmandaten im Finanzsektor. Zuvor war er in verschiedenen Führungspositionen tätig, u.a. als Generaldirektor und CIO in der Europäischen Zentralbank, bei der HypoVereinsbank, bei McKinsey sowie Hewlett Packard.

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