Totgesagte leben länger

Warum man Banken weiterhin braucht

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Würden Sie zu einem Arzt gehen, der ihnen kein Medikament empfiehlt, dafür aber den Herzschrittmacher 20 Prozent billiger anbietet? Weshalb jedoch agieren Banken so? Finanzinstitute sind volkswirtschaftlich notwendig, aber sie müssen ihr Profil schärfen. Ihren Mehrwert werden sie zukünftig in der Beratung ihrer Kunden generieren müssen.

Mut zur Positionierung

Ein Wiener Hutmacher mit Mut zur Lücke. FinTechs beherrschen diese Positionierung oft ebenso gut, aber Banken tun sich schwer, ihr Schaufenster von unnötigem Ballast zu befreien.

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Deloitte ist Partner des Bank Blogs

Wenn man sich die Artikel in Zeitungen und Blogs zum Thema Banken anschaut, dann käme man schnell zum Schluss, dass hier von einer aussterbenden Spezies die Rede ist. Aber nur weil FinTech sich laut meldet, heißt das nicht, dass das auch die ganze Wahrheit ist. Eine Relativierung tut daher Not.

FinTech hui – Banken pfui? Eine verzerrte Perspektive!

Banken erfüllen volkswirtschaftlich eine sehr wesentliche Rolle: bei der Finanzierung von Investitionen und bei der Veranlagung von (überschüssiger) Liquidität. Sie haben dort zwar kein Monopol, aber alle Länder, wo diese Bankdienstleistungen schlecht oder nicht funktionieren, haben ein großes Wirtschaftsproblem.

Natürlich bieten Banken auch Überweisungen und Konten an, aber Banken nur auf diese Aktivitäten zu reduzieren, wie dies FinTech Unternehmen aus Eigeninteresse gerne tun, ist viel zu kurz gegriffen. FinTech Firmen haben hier die Möglichkeit, aufgrund neuer Technologien die Kostenführerschaft zu übernehmen und bessere und günstigere Alternativen anzubieten. Banken mit ihren Altlasten auf der IT Seite werden sich sputen müssen, hier kostenmäßig halbwegs attraktive Alternativen im Zahlungsverkehr und bei simplen Sparkonten anzubieten. Wenn diese Einnahmen bei Banken wegfallen, ist das zwar in manchen Fällen ein signifikanter Effekt, aber nicht das Ende der Bank. Sie bieten dem Kunden hier eben nicht Mehrwert, sondern „Weniger“Wert. Es ist überhaupt fraglich, ob alle Banken aufgrund ihrer Kostenstruktur für dieses Massengeschäft geeignet sind. Zum Vergleich: nur weil ich mir heute einfache Medikamente in der Apotheke oder Drogerie (oder sogar online) kaufen kann, ist der Arzt nicht überflüssig geworden. Der Mehrwert, den der Arzt schafft, liegt eben in der individuellen Analyse seiner Patienten und seinen maßgeschneiderten Empfehlungen, nicht im massenhaften Verkauf von Medikamenten. Das kann heute aber durchaus per Videokonferenz erfolgen. Aber bis wir das Lasern von Augen Robotern überlassen, wird noch viel Zeit vergehen.

Wo Banken echten Mehrwert schaffen

Genau gleich wird der Mehrwert einer Bank zukünftig stärker aus der Beratung ihrer Kunden kommen müssen. Je komplizierter der Bedarf, desto mehr kann sich eine Bank von FinTech Unternehmen unterscheiden, weil sie nicht nur eine Nische abdeckt, sondern ein breites Spektrum von Themen. Bei einem Schnupfen gehe ich auch besser in die Apotheke als zum Arzt, aber bei einer Lungenentzündung oder einem gebrochenen Knochen ist die Apotheke überfordert, und der Arzt der richtige Ansprechpartner. In diesem Fall wird er auch gewisse Medikamente direkt verabreichen. Selbst wenn diese beim Arzt etwas teurer sind als anderswo, wird sich niemand beschweren oder einen Tag warten, bis die Apotheke das gewünschte Medikament liefern kann. Genauso bei der Bank: für eine Überweisung oder ein Sparkonto brauche ich nicht notwendigerweise die teure Infrastruktur einer Bank. Wenn es aber um die Altersvorsorge für die nächsten 30 Jahre oder eine etwas kompliziertere Wohnbaufinanzierung geht oder sogar Erbschaftsthemen aufkommen, wird die Bank die beste Anlaufstelle sein. Dass ich dann auch Konten bei der Bank habe und Überweisungen bei dieser Bank tätige, ist normal, wenn die Konditionen angemessen sind. Aber der Mehrwert liegt primär in der persönlichen Beratung (und im Gesamtpacket). Das zeigen auch neuste Umfragen unter der Generation Y, die finanztechnisch nicht sehr viel weiter ist als die Generation davor und durchaus Interesse ausdrückt für sinnvolle Bankberatung.

Das erfordert jedoch, dass die Bank und ihre Kundenbetreuer sich wieder trauen müssen, konkrete Empfehlungen abzugeben, nach professioneller Einschätzung der individuellen Situation. Das erfordert gute Ausbildung, Augenmaß und saubere Prozesse. Diese Empfehlung aus Haftungsgründen jedoch zu verweigern, ist etwa so sinnvoll, wie wenn der Arzt Ihnen drei Medikamente zur Auswahl gibt, aber Sie selbst wählen müssten. Dass hier Fehler geschehen werden, liegt in der Natur der Sache. Beim Kreditgeschäft gilt es als normal, dass Forderungen ausfallen, trotz aller Bemühungen, keine schlechten Kredite zu bewilligen. Aber deswegen hört die Bank ja nicht auf, Kredite zu vergeben. Genauso sollte sie das Risiko mitkalkulieren, dass auch in der Beratung Fehler geschehen und dafür ein operationeller Risikopuffer zur Verfügung steht.

FinTech und Banken ergänzen sich

FinTech und Banken schließen einander nicht aus, wie das häufig suggeriert wird, sondern können sich gut ergänzen. Während FinTech Unternehmen ein sehr scharfes Profil aufweisen (und meist nur eine Sache wirklich gut können), stellen sich Banken immer noch häufig als Gemischtwarenladen dar. Hinsichtlich der Positionierung können sich Banken von FinTech noch einiges abschauen. Aber vielen FinTechs fehlt oft sowohl die breite Kundschaft wie auch die Profitabilität. Hier könnten Kooperationen mit Banken schnell zu Größenvorteilen genutzt werden und gleichzeitig die IT Kosten der Banken entlasten. Vielen Banken steht aber die tiefere Auseinandersetzung mit dem „Warum“ ihrer Existenz und der sauberen Positionierung noch bevor. Gerade junge Kunden und potentielle Mitarbeiter wollen heute wissen, wofür eine Bank steht – und bekommen oft nur dünne Antworten. Aber nur weil (zu) viele Banken ihren Sinn noch nicht neu definiert haben, bereits von deren Verschwinden zu reden, wäre reichlich übertrieben. Auch wenn die Popularität und Begeisterung von Banken zu wünschen übriglässt, wäre jedes Land viel ärmer, wenn es keine Banken mehr gäbe. Oder möchten Sie in einem Land ohne Ärzte wohnen?

Über den Autor

Lucas Gnehm

Lucas Gnehm ist Partner bei Freibanker, einem Beratungsunternehmen, das auf Finanzinstitutionen spezialisiert ist. Davor war er bis 2016 bei der BNP Paribas in London als Managing Director und Mitglied des Executive Committees CEE zuständig für die Betreuung von Finanzinstitutionen in Zentral- und Osteuropa. Vor seiner Rückkehr 2013 nach London betreute er seit 2009 bei BNP Paribas in Wien österreichische Banken und Versicherungen. Davor leitete er ab 1998 bei Paribas in London das deutschsprachige Debt Capital Markets Origination Team. Lucas Gnehm begann seine Berufstätigkeit beim Schweizerischen Bankverein in Zürich und war ab 1996 in London im Bereich DCM Origination tätig. Er besitzt einen Abschluss in Volkswirtschaftslehre der Universität St. Gallen.

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