Zunehmender Wettbewerbsdruck im Privatkundengeschäft

Steigernder Wettbewerbsdruck für Banken und Sparkassen zwingt zur klaren strategischen Positionierung

Retail Banking Revenue Pools 2012

Wettbewerbsdruck im Retail Banking steigt, Banken benötigen eine klare Positionierung

Die Aussichten der Ertragsentwicklung im deutschen Retailbanking haben sich weiter verschlechtert. In den nächsten Jahren steht eine Phase ohne Wachstumsimpulse bevor. Die BCG-Experten rechnen mit einer Stagnation der Erträge – bei einer moderaten Inflation heißt das: mit einem faktischen Rückgang. Erst ab 2015 ist eine leichte Erholung zu erwarten – eine Rückkehr zum Ertragsniveau aus Vorkrisenzeiten rückt damit in weite Ferne. Im Jahr 2011 belief sich der Ertrag des gesamten deutschen Retailbanking-Marktes auf 61,8 Milliarden Euro; mit 63,9 Milliarden Euro liegt die Prognose für 2016 nur um 2,1 Milliarden Euro höher – und fast fünf Milliarden Euro unter dem historischen Hoch von 2007. Dies entspricht einem jährlichen Durchschnittswachstum von 0,7 Prozent – bis 2015 sogar noch etwas darunter. Zu diesen Ergebnissen kommt The Boston Consulting Group (BCG) in der aktuellen Ausgabe ihrer „Retail Banking Revenue Pools“ für das Jahr 2012. Die jährlich veröffentlichte Studie prognostiziert die Ertrags- und Volumenentwicklung im Retailbanking.

Niedrige Zinsen und Wettbewerbsdruck schmälern die Margen, Volumenzuwächse werden überkompensiert

Veränderte Kundenpräferenzen werden sich zugunsten der Einlageprodukte niederschlagen. Die Studie rechnet mit hohen Volumenzuwächsen vor allem bei Tagesgeld (2011 – 2016: +7,6 Prozent jährlich) und Festgeldern (2011 – 2016: +4,2 Prozent jährlich). Das Volumenwachstum resultiert jedoch nur begrenzt in Mehrerträgen – vor allem niedrige Zinsen, aber auch der anhaltende Wettbewerbsdruck bei diesen für Kunden und Banken attraktiven Produkten werden die Margen in den nächsten Jahren schmälern. Die Erträge im Einlagengeschäft werden daher bis 2016 lediglich um 1,5 Prozent pro Jahr ansteigen.

Der Kreditmarkt hingegen stagniert. Ein historisch günstiger Kundenzinssatz sorgt zwar für weiteres Volumen, die Margen im hochvolumigen Baufinanzierungsgeschäft sinken jedoch sukzessive mit dem Auslaufen der Kredite, die vor der Krise noch mit hohen Zinssätzen abgeschlossen wurden. Gleichzeitig müssen die Banken steigende Kosten für Eigenkapitalbereitstellung infolge neuer Regulierungen in Kauf nehmen. Im Ergebnis ist ein jährliches Ertragswachstum von 1,2 Prozent bis 2016 zu erwarten. Der Markt für Konsumentenkredite verliert seinen Wachstumsschwung (in den vergangenen Jahren z. B. gefördert durch die Abwrackprämie und andere konjunkturelle Besonderheiten) und leidet ebenfalls zunehmend unter Margendruck. Die Erträge wachsen nur noch um jährlich 0,7 Prozent (bei einem Volumenzuwachs von 2,5 Prozent).

Auch in den kommenden Jahren wird das Wertpapiergeschäft von großer Volatilität betroffen sein. Die BCG-Studie prognostiziert eine jährliche Ertragssteigerungsrate von weniger als einem Prozent. Zwar erhöht die starke Volatilität die Provisionserträge aus vermehrter Handelsaktivität – diese fallen jedoch gering aus im Vergleich zu den negativen Folgen des zerstörten Vertrauens in die Kapitalmärkte.

Segment der hochvermögenden Kunden verspricht Ertragswachstum – schwierige Zeiten im Mengengeschäft

Die einzelnen Kundensegmente entwickeln sich sehr unterschiedlich: Während insbesondere das Mengengeschäft der Retailbanken jährlich um fünf Prozent schrumpft, ist im oberen Vermögenssegment der Privatkunden („Affluent“) eine Steigerung von ca. fünf Prozent pro Jahr realisierbar – im hochvermögenden Segment („HNWI“) sind immerhin noch 3,5 Prozent Wachstum jährlich zu erwarten. Das rückläufige Mengengeschäft wird insbesondere die Sparkassen und Volksbanken betreffen, die in diesem Segment bisher ihre Stärken ausspielen konnten – aber auch die großen Institute müssen in ihren Retail-Divisionen klare Schritte einleiten, um sich auf die neuen Realitäten einzustellen. Ab 2014 wird das Segment der hochvermögenden Kunden sogar den größten Anteil an den Ertragstöpfen stellen – und dann insgesamt 17,3 Milliarden Euro Erträge erwirtschaften. Gleichzeitig wird bis 2016 das Mengengeschäft mit Privatkunden von 17,5 auf 15,1 Milliarden Euro zurückgehen.

In diesem Jahr wurde die BCG-Studie um die sogenannten „Switching Pools“ erweitert. Diese zeigen, welche Ertragsteile aus Bestandsvolumina stammen und welche Ertragspools tatsächlich zwischen den Retailbanken neu verteilt werden. 78 Prozent der Erträge im Retailbanking kommen aus dem Bestandsgeschäft; das heißt, nur rund ein Fünftel der Retailbanking-Erträge steht in diesem Jahr für Vertriebsmaßnahmen zur Verfügung.

„Eine differenzierte Planung und Steuerung des Produktmix ist für eine nachhaltige Ertrags- und Vertriebsplanung der Banken unerlässlich“, sagt Dr. Reinhard Messenböck, Partner und Retailbanking-Experte bei BCG. „Durch Vertriebsmaßnahmen für kurzläufige Produkte wie Tagesgeld oder Konsumentenkredite lassen sich die Erträge kurzfristig steigern. Gleichzeitig können Vertriebsmaßnahmen für langläufige Produkte wie Baufinanzierung und Girokonten die Bestandserträge für die nächsten Jahre sichern.“

Gewinn von Marktanteilen möglich, klare Positionierung erforderlich

Bisher haben die meisten Retailbanken auf sinkende Erträge mit einer Reduktion der Kosten reagiert. Die BCG-Studie verdeutlicht aber, dass sich die Retailbanken langfristig auf einen stagnierenden Markt einstellen müssen. Die Zeiten des Wachstums „mit dem Markt“ sind endgültig vorbei und werden auf absehbare Zeit auch nicht zurückkehren. Wachstum kann daher nur durch den Gewinn von Marktanteilen, das heißt zulasten anderer Wettbewerber, erreicht werden. Dies bedeutet eine grundlegende Veränderung für den Markt und die Wettbewerbssituation im Retailbanking.

„Als Gewinner werden diejenigen Banken hervorgehen, die sich neben niedrigen Kosten durch einen klar erlebbaren Mehrwert für den Kunden vom Wettbewerb absetzen können“, erläutert Til Klein, Mitautor der Studie und Retailbanking-Experte bei BCG. „Bei sehr vergleichbaren Produkten und Preisen ist diese Differenzierung vor allem über Service und Kundennähe realisierbar. Dafür ist die detaillierte Kenntnis der Kundenbedürfnisse eine wesentliche Voraussetzung.“

Die BCG Retail Banking Revenue Pools basieren auf einer proprietären Datenbank, die es ermöglicht, Ertragspotenziale mit hoher Granularität nach Kundensegmenten, Produkten und Regionen zu analysieren und zu prognostizieren. Neben bewährten öffentlichen Quellen basiert die Datenbank vor allem auf umfangreichen Benchmarkings und Expertenwissen zu Produktmargen und deren Entwicklungen. Damit ermöglichen die BCG Retail Banking Revenue Pools die Entwicklung und Umsetzung von zielgenauen Vertriebs-, Marketing- und Produktstrategien für Mikrosegmente, wie sie im hart umkämpften Privatkundengeschäft in den nächsten Jahren für ein profitables Wachstum unabdingbar sein werden.

Quelle: Boston Consulting Group

Die Studie „Retail Banking Revenue Pools 2012“ kann hier direkt heruntergeladen werden.

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