Digitalisierung im Finanzsektor

Digitale Technik bewirkt einen Wandel im Kundenverhalten und stellt Banken und Sparkassen vor neue strategische, organisatorische sowie operative Herausforderungen

Digitalisierung im Finanzsektor

Finanzinstitute weltweit werden sich strategisch, organisatorisch sowie operativ neu aufstellen müssen, wenn sie die Chancen der Digitalisierung erfolgreich nutzen wollen. Die beschreibt den Paradigmenwechsel im Kundenverhalten und zeigt auf, welche Themen jetzt angepackt werden müssen.

Angesichts verschärfter Regulierung, niedriger Zinsen und hohem Kostendruck vernachlässigen viele Banken weltweit eine entscheidende Herausforderung: Den wachsenden Wunsch ihrer Kunden nach einer raschen und weitreichenden Digitalisierung. Die aktuelle Bain-Studie „Retail-Banking: Die digitale Herausforderung“ belegt den enormen Handlungsbedarf im Finanzsektor und zeigt an Hand zahlreicher Beispiele aus der Branche, wie Banken den notwendigen Umbau ihrer Geschäftsmodelle bewältigen können.

Die Digitalisierung erreicht den Bankensektor mit voller Wucht, auch wenn viele Institute diese Entwicklung noch nicht wahrhaben. In anderen Branchen haben digitale Technologien, mobile Kommunikationsformen und pulsierende soziale Netzwerke, längst zu weitreichenden Umwälzungen geführt. Einstige Weltmarktführer wie Kodak versäumten den Anschluss an digitale Technologien und wurden in die Insolvenz gezwungen. Andere Unternehmen, wie Apple mit seinem Musik-Programm iTunes, wurden zum Branchenprimus in Industrien, in denen sie zuvor niemand auf der Rechnung hatte. Jetzt laufen auch die Banken Gefahr, dass branchenfremde Anbieter ihnen Schritt für Schritt einen wachsenden Teil ihres Kerngeschäfts abnehmen; so beispielsweise aktuell bei Bezahlsystemen im Internet. Einige branchenfremde Anbieter erfüllen die Kundenbedürfnisse einer mit digitalen Technologien aufgewachsenen Generation teilweise schon besser und kostengünstiger.

Jeder Dritte tätigt Bankgeschäfte bereits mobil

In welchem Maße Kunden auf neue, digitale Technologien setzen, dokumentieren die Ergebnisse der aktuellen Bain-Studie: Danach nutzen im Jahr 2012 bereits 36 Prozent der Befragten in den USA ein mobiles Endgerät für ihre Bankgeschäfte; im Jahr zuvor waren es erst 24 Prozent. Mobile-Banking ist in den USA bereits ein selbstverständlicher Bestandteil des Leistungsangebotes der Bank, ebenso wie die Filiale, das Internet oder das Call-Center. Dirk Vater, Partner bei Bain & Company in Frankfurt und weltweiter Leiter für Retail-Banking, erklärt: „Die Kunden unterscheiden zunehmend nicht mehr zwischen Online- und Offline-Angeboten, was viele Banken unter einen enormen Zugzwang bringt. Viele Institute betreiben das Filialgeschäft heute noch getrennt von ihren digitalen Aktivitäten und bieten damit dem Kunden kein integriertes Leistungsangebot.“.

Die Integration sämtlicher Vertriebskanäle in einem konsequenten Omni-Channel-Ansatz zählt, angesichts der digitalen Herausforderung, daher zu den vier entscheidenden strategischen Weichenstellungen im Finanzsektor. Hinzu kommen die Neugestaltung des Filialnetzes, die Modernisierung der Organisationsstrukturen und IT-Systeme sowie die Stärkung der Marke und der Alleinstellungsmerkmale einer Bank. Gemeinsam eröffnen diese Themen den Finanzinstituten neue Möglichkeiten, auf der einen Seite ihre Effizienz zu steigern und auf der anderen Seite, zusätzliches Ertragspotenzial zu erschließen.

Deutliche Reduzierung des Filialnetzes möglich

Effizienzsteigerungen lassen sich insbesondere in nachgelagerten Bereichen sowie dem Fi-lialnetz realisieren. Bei der Analyse der deutschen Retail-Bankenlandschaft fand Bain & Company heraus, dass sich durch einen Umbau in Richtung eines sternförmigen Netzwerkes mit großen Niederlassungen („Flagship Stores“) und kleineren Satelliten-Filialen mindestens ein Viertel der Standorte schließen ließen. Bankenexperte Dirk Vater warnt allerdings vor voreiligen Schlüssen: „Bei einer Digitalisierungsstrategie geht es nicht darum, immer mehr Kunden dazu zu motivieren, immer mehr Bankgeschäfte online zu tätigen. Vielmehr ermöglicht sie dem Kunden, künftig selbst zu entscheiden, wann, wie und wo er mit seinem Institut in Kontakt treten möchte. Bankfilialen sind und bleiben eine wichtige Option.“ Allerdings ist die Zeit gleichförmiger Filialen in der Fläche vorbei: Die Zukunft gehört auf der einen Seite großen Niederlassungen in Lagen mit hohem (Kunden-)Verkehrsaufkommen, sowie mit einem umfassenden Beratungsangebot. Auf der anderen Seite sind kleinere, zum Teil automatisierte, Filialen in der Peripherie wichtig. Vater betont aber: „Ein wesentliches Differenzierungsmerkmal im digitalen Zeitalter bleibt bei Banken die Qualität der Mitarbeiter vor Ort und ihre Fähigkeit, eine hochwertige Beratung sowie einen unverwechselbaren Service zu gewährleisten.“ Den zentralen Stellenwert der persönlichen Betreuung hatte im Sommer diesen Jahres eine weitere Bain-Umfrage unter mehr als 2.500 privaten Kunden von Retail-Banken in Deutschland herausgearbeitet: Danach spielt der persönliche Berater für 72 Prozent der Kunden auch künftig eine wichtige, oder sogar sehr wichtige Rolle. Allerdings zeigten vertiefende Gespräche, dass die Kunden Beratung nicht mehr unbedingt in der zuständigen Filiale, sondern bei Bedarf auch per Video-Chat, über soziale Netzwerke oder bei sich zu Hause erwarten.

Erfolgsfaktoren Transparenz, Anpassungsfähigkeit, Schnelligkeit und klarer Kundenfokus

Auf dem Weg zu einer digitalen Bank stehen die Institute vor einem tiefgreifenden Kulturwandel. Erfolgreiche Institute zeichnen sich künftig vor allem durch vier Eigenschaften aus: Transparenz, Anpassungsfähigkeit des Geschäftsmodells, Innovationsgeschwindigkeit und einen klaren Kundenfokus. Bain-Partner Dirk Vater: „Banken müssen schneller, flexibler und transparenter werden und sich viel stärker auf die Bedürfnisse und Wünsche ihrer Kunden einlassen. Daran führt kein Weg vorbei. Wer die Digitalisierung unter diesen Prämissen vorantreibt und die Zufriedenheit der Kunden steigert, kann gleich mehrfach profitieren: Die besten Banken werden ihren Vorsprung gegenüber ihren Wettbewerbern ausbauen, die Kundenbindung vertiefen, sich neue Ertragspotenziale erschließen und ihre Profitabilität steigern. Angesichts des branchenweiten Kosten- und Regulierungsdrucks sollte sich kein Institut diese Chance entgehen lassen.“

Über die Studie

Diese globale Studie basiert auf der umfangreichen, jahrzehntelangen Expertise von Bain & Company im Finanzsektor, im Bereich der Konsumgüter, der Telekommunikation und der IT sowie aktuell auf ausführlichen Gesprächen mit mehr als 20 Top-Managern von 15 Finanzdienstleistern weltweit.

Quelle: Bain & Company

Hier gibt es die deutsche Version der Studie unter dem Titel „Retail Banking: Die digitale Herausforderung“.

Hier kann die englische Version der Studie „The digital Challenge to Retail Banks“ heruntergeladen werden.

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