Verlust von Vertrauen und Loyalität, verändertes Informationsverhalten und Möglichkeiten der Kundenbindung.
Vier Jahre nach dem Höhepunkt der Finanzkrise schwindet das Vertrauen der Deutschen in die Bankbranche weiter. Sorge bereitet Bankkunden hierzulande vor allem die labile gesamtwirtschaftliche Lage: Sie fürchten, dass die europäische Schuldenkrise auch auf die deutsche Wirtschaft und den deutschen Banken-Sektor durchschlagen könne. Zwar ist die gesamtwirtschaftliche Situation in Deutschland ungleich stabiler als in Krisenländern wie Griechenland, Spanien und Portugal. Dennoch sorgen sich auch die deutschen Kunden um die Sicherheit ihrer Einlagen – und schauen bei der Wahl von Bank- und Anlageprodukten mittlerweile sehr genau hin. Bankkunden kritisieren vor allem Bonuszahlungen an Manager der Kreditinstitute, die ihnen vor dem Hintergrund der massiven Finanzhilfen für den Finanzsektor unangemessen erscheinen. Aber auch mit der Qualität der Beratung und der angebotenen Finanzprodukte sind viele Bankkunden unzufrieden.
Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young. Bereits zum dritten Mal hat Ernst & Young Bankkunden auf der ganzen Welt gefragt, wie zufrieden sie mit der Bankbranche in ihrem Land sind. Der Ernst & Young Consumer Banking Survey basiert auf weltweit 28.521 Interviews, in Deutschland wurden 1.003 Bankkunden befragt.
Mehr als jeder zweite Bankkunde in Deutschland (58 Prozent) hat demnach heute weniger Vertrauen in die Bankenbranche als vor 12 Monaten. Als wichtigste Gründe für ihren Vertrauensverlust nennen die Kunden ihre Unzufriedenheit mit Art und Umfang der Bonuszahlungen ihrer Banken (56 Prozent) und makroökonomische Gründe (55 Prozent). Bei fast der Hälfte (42 Prozent) war zudem eine schlechte Beratungsqualität der Anlass für den Vertrauensverlust. „In vielen anderen europäischen Ländern ist das Vertrauen in die Banken zwar noch deutlich stärker gesunken als in Deutschland“, sagt Ulrich Trinkaus, für die Studie verantwortlicher Partner bei Ernst & Young. So haben etwa mehr als 80 Prozent der Griechen und 76 Prozent der Spanier ihr Vertrauen in den Bankensektor verloren. „Auffällig ist jedoch, dass sich auch in Deutschland relativ viele Bankkunden um die Sicherheit ihrer Bankeinlagen sorgen.“ Jeder fünfte Befragte gab in der Umfrage an, nur wenig Vertrauen in die Sicherheit von Bankeinlagen zu haben. „Die Bankkunden fürchten nicht nur einen Wertverlust ihrer Anlagen durch die unsichere gesamtwirtschaftliche Lage. Sie fürchten auch, bei ihrer Bank nicht das beste Angebot und die beste Beratung zu bekommen“, sagt Trinkaus.
Kunden übernehmen mehr Kontrolle über ihre Finanzgeschäfte
Immerhin: Im internationalen Vergleich zeigen deutsche Bankkunden noch immer eine hohe Loyalität zu ihrer Hausbank. Immer häufiger wollen sie sich allerdings nicht mehr allein auf deren Angebote und Beratung verlassen: Sie nutzen zusätzlich Angebote anderer Banken. „Die Auswahl mehrerer Bankpartner erfolgt dabei sehr gezielt“, erklärt Ernst & Young-Partner Trinkaus. Statt alle gewünschten Bankdienstleistungen und Produkte bei einem einzigen Bankhaus zu beziehen, suchen sich Kunden für jedes Produkt den passenden Anbieter. „Kunden wählen die Banken aus, die ihnen die besten Gebühren oder den besten Service für ein bestimmtes Produkt anbieten“, sagt Trinkaus.
Jeder zweite Bankkunde in Deutschland hat bereits einmal seine Hausbank gewechselt (45 Prozent) oder plant einen Wechsel (sechs Prozent). Mehr als die Hälfte (62 Prozent) der Bankkunden unterhält Geschäftsbeziehungen zu mehr als einer Bank. Der häufigste Grund sind der Studie zufolge zu hohe Gebühren des bisherigen Bankpartners. „Neben der Suche nach dem attraktivsten Angebot spielen allerdings auch Sicherheitserwägungen eine wichtige Rolle“, erklärt Trinkaus. 13 Prozent der Befragten verteilen ihre Geldeinlage auf mehrere Banken, um Risiken zu reduzieren. Zehn Prozent der wechselwilligen Bankkunden wollen eine neue Bank zudem erst einmal durch den Kauf einzelner Produkte testen, bevor sie dem Institut ihre gesamten Einlagen anvertrauen. „Bankkunden übernehmen immer mehr Kontrolle, wann, wo und mit wem sie welche ihrer Bankgeschäfte tätigen. Das verändert die Beziehungen zwischen Bank und Kunde grundlegend“, sagt Trinkaus.
Bankberater ist nicht mehr die wichtigste Informationsquelle
Der Trend zum Multi-Banking führt dabei dazu, dass der Informationsbedarf der Bankkunden steigt. Während sie sich früher vor allem auf die Empfehlungen des eigenen Beraters bei der Hausbank verließen, suchen sie sich mittlerweile Informationsquellen bevorzugt außerhalb des Bankensektors. „Immer mehr Kunden informieren sich über neue Bankprodukte zuerst über Online-Vergleichsportale und in ihren sozialen Netzwerken“, erklärt Trinkaus. „Für die Banken bedeutet das, dass viele Kunden ihre Kaufentscheidung schon vor dem ersten Kontakt zu einem Bankberater getroffen haben.“ 69 Prozent der Bankkunden in Deutschland bewerten die Ratschläge von Familienmitgliedern, Freunden oder Kollegen als die wichtigste Entscheidungsgrundlage. 56 Prozent informieren sich über Online-Finanzportale, 49 Prozent verfolgen aufmerksam die Berichte der Medien über Anlageprodukte. Banken selbst hingegen werden lediglich von 44 Prozent der Kunden in Deutschland als bevorzugte Informationsquelle bei der Entscheidung für ein Bankprodukt genannt. Auch Online-Netzwerke wie Facebook und Werbeanzeigen der Banken gelten deutschen Bankkunden als relativ wichtige Informationsquellen.
Individuelle Angebote sind gefragt
„Bankkunden wollen sich heute zu jeder Zeit flexibel für ein Bankprodukt entscheiden können, das zu ihrer individuellen Situation und zu aktuellen Veränderungen auf den Märkten passt“, sagt Trinkaus. „Für die Banken hat das zur Folge, dass sie ihren Kunden regelmäßig individuell zugeschnittene Angebote machen müssen.“ Dabei haben offenbar viele Institute noch Nachholbedarf: Knapp jeder zweite Kunde in Deutschland findet, dass die Hausbank ihre Angebote an Produkten und Dienstleistungen nicht ausreichend an die eigenen finanziellen Bedürfnisse anpasse. „Für die Banken in Deutschland ergeben sich aus der Nachfrage nach individuellen Produkten neue Möglichkeiten, die Kundenbeziehung zu gestalten“, so Trinkaus. Denn mehr als die Hälfte der Bankkunden ist bereit, ihrer Bank genauere Informationen über sich und ihre Familien zur Verfügung zu stellen – wenn die Bank ihnen im Gegenzug Angebote macht, die zu ihrer persönlichen Lebenssituation passen. Für eine individuelle Beratung sind Bankkunden zudem auch bereit, einen Termin mit einem Bankberater vor Ort zu vereinbaren, statt sich online zu informieren. Jeder fünfte Bankkunde wünscht sich von seiner Bank außerdem Loyalitätsprogramme, die treue Kunden mit individuellen Vergünstigungen wie etwa Preisnachlässen belohnen. „Wenn Banken auf dieses Bedürfnis nach individuellen Angeboten eingehen, können sie eine engere Beziehung zu ihren Kunden aufbauen“, ist Trinkaus sicher. „Womöglich können sie dadurch auch einen Wechsel der Bestandskunden zur Konkurrenz vermeiden, Neukunden gewinnen und verlorenes Vertrauen wieder aufbauen.“
Quelle: Ernst & Young
Die vollständige Studie „Global Consumer Banking Survey 2012 – The Customer takes Control“ kann hier als PDF herunter geladen werden. Eine deutschsprachige Zusammenfassung wichtiger Ergebnisse gibt es hier.