Der kleine Buchladen im Nachbarort musste vor kurzem schließen. Und der Aufschrei war groß. Auch immer mehr Bankfilialen werden schließen müssen, weil sie viele Gemeinsamkeiten mit dem kleinen Buchladen aufweisen.
Kennen Sie den romantischen Film „e-m@il für Dich“ aus dem Jahr 1998 mit dem Traumpaar Meg Ryan und Tom Hanks. Es geht darin um einen kleinen Buchladen, der zumachen muss, weil gegenüber die Filiale einer großen Buchkette aufmacht. Bei einer Neuverfilmung ginge es aktuell wohl eher um die Schließung der Buchkette aufgrund der Konkurrenz durch das Internet, wie die Probleme von Thalia, Weltbild & Co. zeigen.
Vor drei Jahren hatte ich in einem Vergleich der stationären Vertriebsstandorte unterschiedlicher Branchen Claudia Paul, Pressesprecherin beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V., mit den Worten zitiert „Wenn Sie heute eine neue Buchhandlung eröffnen wollen, benötigen Sie ein gutes Konzept, ein paar pfiffige innovative Ideen sowie einen klare Zielgruppendefinition. Dann aber haben sie gute Chancen auf Erfolg.“
Die Schließung des kleinen Buchladens von nebenan
In unserem Nachbarort hatten wie so eine Buchhandlung. Mit viel Liebe zum Detail, einer kompetenten Beratung, wie man sie nur noch selten antrifft, vielen Ideen und noch mehr Enthusiasmus haben die Inhaberin und ihre Mitarbeiterinnen lange Zeit dem Onlinehandel die Stirn geboten. Meine Tochter, von klein auf eine begeisterte Leseratte, hat dort ihr Schülerpraktikum gemacht und nicht nur viel Spaß gehabt sondern auch einiges gelernt.
Ende letzten Jahres musste der kleine Buchladen von nebenan schließen. Es hat sich schlichtweg nicht mehr gerechnet. Die Umsätze sind kontinuierlich zurückgegangen; die Kosten dagegen nicht. Der Besitzerin blieb nur, die Reißleine zu ziehen.
Der allgemeine Aufschrei des Entsetzens war groß: „Wie konnte das nur passieren?“, „Schon weder eine Buchhandlung weniger!“, „Die waren doch alle so kompetent und freundlich!“, „Ich habe immer gerne dort eingekauft.“, „Wo sollen wir denn jetzt unsere Bücher kaufen?“. Allerdings hielt er nicht lange an.
Kein Wunder, eine Schließung wäre leicht zu verhindern gewesen. Es hätte vermutlich schon ausgereicht, wenn nur die Hälfte derjenigen, die nach der Schließung aufgeschrien haben, regelmäßig ein oder zwei Bücher gekauft hätten… Haben sie aber nicht.
Auch Bankfilialen werden verschwinden
Aus genau diesem Grund werden auch immer mehr (und nicht nur kleine) Bankfilialen nach und nach verschwinden. Natürlich wünschen sich die Kunden eine Geschäftsstelle in nächster Umgebung, wie zahlreiche Umfragen unter Beweis stellen. Nur gehen sie nicht mehr hin (außer zum Geldabheben am Automaten).
Aber für viele Kunden ist es gut zu wissen, dass eine da ist, zu der man gehen könnte… wenn man denn wollte… oder wenn man sie bräuchte…
Es geht nicht (nur) um den Preis
Digitale Vertriebskanäle müssen nicht einmal billiger sein, wie das Beispiel Bücher beweist. Denn dort gilt hierzulande bekanntlich die gesetzliche Buchpreisbindung. Sie garantiert, dass Bücher im Internet nicht billiger angeboten werden dürfen.
Viele Bank- und Sparkassenvorstände träumen vermutlich von einem solchen Schutzmechanismus, aber Bankleistungen sind – zumindest aus Sicht des Gesetzgebers – (noch) kein schützenswertes Kulturgut. Was übrigens genauso – und sehr zum Verdruss der Branchenvertreter – auch auf Zinssätze zutrifft.
Bei Finanzdienstleistungen herrscht demzufolge ein Preiswettbewerb, den viele Filialbanken und Sparkassen auch noch kräftig befeuert haben, wie im Beitrag „Der richtige Preis fürs Girokonto“ ausführlich dargestellt. Dass nun Herr Fahrenschon für die Sparkassen das Ende des kostenlosen Girokontos angekündigt hat, wird zwar von anderen Filialbanken gerne aufgegriffen. Dies wird jedoch vor allem die Direktbanken freuen und das Sterben nicht nur der Sparkassenfilialen zusätzlich beschleunigen.
Die Kompetenz der Mitarbeiter und deren persönlichen Beziehungen zu den Kunden mögen noch so gut sein. Es wird – wie bei der kleinen Buchhandlung nebenan – nichts nützen. Die digitalen Kanäle sind einfach bequemer, objektiver und mindestens genauso kompetent.
Jede Schließung tut weg! Oder doch nicht?
Aber glauben Sie mir: Der Aufschrei bei jeder Schließung wird groß sein. Und dann wird man wie bei der kleinen Buchhandlung von nebenan feststellen: Wenn nur die Hälfte derjenigen, die aufschreien, regelmäßig die Filiale in Anspruch genommen hätte, wäre eine Schließung zu verhindern gewesen…
6 Kommentare
Solange eine Bank in ihren Filialen Dienstleistungen anbietet, welche ähnlich anspruchslos sind wie ein Bücherkauf, wird sie das Schicksal der Schliessung erleiden.
Der Schlüssel zum Erfolg ist jedoch, eine Filialstrategie mit Dienstleistungen zu entwickeln, bei welchen das Finanzinstitut eine Alltagsrelevanz für ihre Kunden erreicht. Und das bedeutet eben mehr als nur als das Abwickeln von Routine-Transaktionen. Es gibt gute Beispiele dafür, wie das funktioniert und das Filialnetz sogar – rentabel – ausgebaut wurde.
Es ist letztlich eine Frage des Nutzens. Bringt die „Filiale“ das was ich brauche? Oder kann ich es auf anderem Wege „besser“ beschaffen?? Da wird es den Kreditinstituten nicht besser gehen als dem Buchhandel. Warum auch??
Volle Zustimmung!
Ob Bücherverkauf anspruchslos ist, darüber liesse sich streiten. Auch anspruchsvolle Leser wollen beraten werden.
Was die Alltagsrelevanz betrifft, gebe ich Ihnen recht. Allerdings sind mir keine Beispiele bekannt, in denen Bankfilialen Alltagsrelevanz aufweisen.
Um zu überleben, müssten Banken ein positives Image haben, was im großen und ganzen nicht mehr existiert. Aber wie wollen Banken denn ihr verlorenes Image wieder herbeizaubern?
Beraten wird nach Verkaufsvorgaben und aktive Kunden suchen schon lange im Internet nach den besten Konditionen. Der Kunde, der heute regelmäßig in die Filiale kommt, sucht einen Service, der sich nicht rechnet: Bargeldeinzahlungen bei Geschäftskunden oder Hilfe beim Alltagsbanking durch Rentner.
Dazu kommt, dass sogar die Fachkompetenz des anwesenden Personals immer weniger gut eingeschätzt wird und sich auch kein Kunde darauf verlassen kann, über längere Zeit denselben Betreuer zu haben.
Im Grunde genommen braucht fast niemand mehr eine Bankfiliale. Das wird sich durch zunehmende Digitalisierung noch weiter verschärfen. Wenn z.B. O2 sehr bald ihr mobiles Konto an die Telefonnummer koppeln, ist sogar das Girokonto immer dabei und kein lokaler Anbieter mehr nötig. Andere werden folgen, bzw. sind schon da, wie z.B. Number26.
Das Pferd, das die lokalen Banken also noch reiten, liegt in den letzten Zügen. Da nützt auch keine „gute Idee“ etwas. Wer überleben will, muss sich in manchen Bereichen unersetzlich machen. Diese Bereiche gibt es nicht, noch nicht einmal bei der Bargeldeinzahlung. Es gibt Einzahlautomaten und schon früher im Schwimmbad gab es Wechselautomaten, um Scheine in Kleingeld zu wechseln.
In Zukunft wird es eher kleine Automatenräume ohne Personal geben und nur für wichtige und große Dinge gibt es in der nächsten größeren Stadt eine Niederlassung mit echten Menschen.
Der Vertrieb wird sich an Vertriebsunternehmen verlagern, die jetzt schon ihre Kunden zuhause besuchen und dann eben Konten und Co. mit anbieten.
Danke für die interessanten Gedanken. Ob mobile Banking alleine ausreicht, wird die weitere Entwicklung zeigen. Noch scheint es viele Kunden zu geben, die auf Filialen nicht verzichten möchten