Hohe Unsicherheit wird uns weiter begleiten

Herausforderungen für das Risikomanagement der Banken in 2019

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Die geopolitischen Unsicherheiten und Fragen über künftige Entwicklungen in Europa stellen das Risikomanagement der Banken auch 2019 vor große Herausforderungen. Hinzu kommen branchen- und länderspezifische Themen, die bei einer möglichen Krise die negative Dynamik beschleunigen können.

Banken und Sparkassen 2019

Was erwartet Banken und Sparkassen im Jahr 2019?

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Wir leben in bewegten Zeiten: Die Handelsspannungen nehmen spürbar zu, der Ton in den internationalen Handelsstreitigkeiten ist rauer geworden. Das hat nicht zuletzt die Festnahme der Huawei-Managerin Meng Wanzhou gezeigt. Zudem zeigen sich mittlerweile erste Wolken am Konjunktur-Ho­ri­zont. Eine weitere Zuspitzung der Handelskonflikte träfe vor allem Deutschland überproportional, da unser exportorientiertes Wirtschaftsmodell bekanntermaßen stark abhängig von offenen Grenzen und freiem Welthandel ist.

US-Sanktionen  und Handelszölle

Daher ist die schwer einzuschätzende Handels- und Außenpolitik der USA ein echtes Risiko – und  eine weitere Verschärfung von US-Wirtschaftssanktionen oder Handelszöllen wäre mit Sorge zu betrachten.

Zwei Beispiele verdeutlichen dies:

  1. US-Sanktionen gegen Russland und
  2. Einführung von Zöllen.

1. US-Sanktionen gegen Russland.

Würden die US-Sanktionen gegen Russland weiter verschärft, sähen wir hier so etwas wie die Umkehr des Transferrisikos. Was das heißt? Als Risikomanager mache ich mir in der Regel Gedanken, ob wir zum Beispiel im Fall eines Zahlungsmoratoriums die harte Fremdwährung irgendwann einmal nicht mehr aus einem Land herausbekommen. Doch aktuell erleben wir das Gegenteil. Obwohl das Geld und die Zahlungsbereitschaft bei russischen Unternehmen und dem Staat vorhanden sind, kann es bald unmöglich sein, das Geld in Empfang zu nehmen. Insgesamt ist das keine gute Ausgangslage für neue, langfristige Geschäftspartnerschaften.

2. Einführung von Zöllen

Die durchaus möglich erscheinende Einführung von Zöllen würde zu noch wesentlich größeren, globaleren Risiken führen. Denn die Wertschöpfungsketten sind heute weitaus komplexer als sie das in früheren Handelskriegen waren. Früher war die Einführung von Zöllen eindimensional. Die zu importierenden bzw. zu exportierenden Güter waren klar definiert. (Straf-)Zölle, Steuern und Co. waren eindeutig kalkulierbar.

Das Wesen des Welthandels hat sich aber  grundlegend gewandelt. Heute werden nicht mehr einfach Güter und Dienstleistungen rund um die Welt gehandelt, sondern immer mehr fragmentierte Komponenten. Dies führt zu immer stärker differenzierten und aufeinander abgestimmten globalen Wertschöpfungsketten (bei denen sich jeder Standort auf seine Stärken konzentriert). Dieser Effekt wird durch die Digitalisierung nochmals verstärkt. Unerwartete Zölle wirken hier vielschichtig und entfachen ein ‚Störfeuer‘ mit massiven Auswirkungen, zum Beispiel von signifikanten Überkapazitäten oder Engpässen in den Lieferketten bis hin zu Insolvenzen von Zulieferern. Kurzum: Durch die mehrdimensionale Abhängigkeit kann man das Risiko von Zöllen nicht mehr preisen.

Quo vadis Europa?

Doch es geht 2019 natürlich nicht nur um die USA und Spannungen im Welthandel. Die Themen in Europa sind ebenfalls groß. Der drohende Brexit und der aktuelle Kurs und Krise der Wirtschaft in der Türkei sind nur zwei Beispiele.

Doch bleiben wir in der EU: Es ist aktuell ziemlich unsicher, wohin sich Europa im kommenden Jahr mit der Wahl zum EU-Parlament entwickeln wird. Eine mögliche Stärkung der anti-europäischen und nationalistischen Parteien könnten die Komplexität im Europäischen Parlament erhöhen, Abstimmungen und Entscheidungsprozesse erschweren und so zu weiteren Spannungen und Streitigkeiten in einer zunehmend gespaltenen EU führen. Vor allem über die nationale Politik in den Mitgliedstaaten dürften populistische Parteien die Europapolitik beeinflussen.

Die derzeitigen Diskussionen zwischen Rom und Brüssel über Italiens Haushaltspläne machen klar, wie schwer es ist, gemeinsame Regeln einzuhalten. Eine Verschärfung der Lage würde das Vertrauen in eine regelbasierte E(W)U-Politik weiter schwächen und an den Grundfesten des EU Stabilitäts- und Wachstumspakts rütteln. Falls die politischen Gespräche aus dem Ruder laufen, dürfte zweifellos der Druck der Märkte zunehmen. Denkbar wären Szenarien, in denen zunächst Banken und dann auch der italienische Staat Schwierigkeiten haben, sich am Markt zu (re)finanzieren. Die politischen Konsequenzen aus den Demonstrationen der Gelbwesten in Frankreich stärken ebenfalls nicht unbedingt die Grundfesten des EU Paktes.

Branchen- und länderspezifische Risiken

Doch nicht nur das: Branchen- und länderspezifische Risiken können die negative Dynamik noch beschleunigen. Auch hier zwei Beispiele:

  1. Non-Performing Loans und
  2. Digitalisierung.

1. Non-Performing Loans wieder auf der Tagesordnung?

Erstens die Non Performing Loans: Die meisten Banken haben das Zins- und Konjunkturumfeld der letzten Jahre zum Abbau von notleidenden Krediten genutzt. Allein die von der EZB beaufsichtigten Institute haben das Volumen zwischen 2015 und Mitte 2018 um rund 300 Milliarden Euro auf etwa 650 Milliarden Euro reduziert.  Das ist durchaus gutes vorrausschauendes Risikomanagement und schafft Spielraum in einer möglichen Krise. Leider sind in einigen Mitgliedsstaaten die NPL-Bestände nach wie vor sehr hoch. Das größte Risiko für Europas Bankensystem dabei ist jedoch die ungleiche Verteilung dieses Volumens. Von den rund 650 Milliarden Euro notleidender Kredite entfallen fast 75% auf Institute aus Italien, Frankreich, Spanien und Griechenland. Der Anteil der deutschen Banken liegt bei weniger als 50 Milliarden Euro.

Dieses Thema wird bei einer konjunkturellen Abschwächung sehr schnell wieder weit oben auf die Tagesordnung kommen. Die EU-Kommission erarbeitet aktuell Maßnahmen, um Banken nachhaltig wetterfest zu machen. Grundsätzlich gehen die Vorschläge in die richtige Richtung. Insbesondere was die Bevorsorgung neuer Risikokredite anbelangt. Kritisch sehen wir jedoch, dass die EU Kommission mit der Regel Anreize schafft, notleidende Kredite schneller zu verkaufen, statt Kunden durch die Krise zu begleiten. Durch den Schnellverkauf der NPL umgeht ein Finanzinstitut zwar eine drohende Kapitalbelastung. Allerdings: Als Käufer von NPLs stehen in der Regel renditeorientierte Hedge-Fonds zur Verfügung. Während die Banken bisher viel Aufwand in die Sanierung des Kunden gesteckt haben, steht dann möglicherweise die schnelle Verwertung der Kredite im Mittelpunkt, welche zum Beispiel durch Zerschlagung der Firmenwerte zu einem zusätzlichen Abbau von Arbeitsplätzen führen könnte. Das Hausbank-Prinzip würde damit in Frage gestellt.

Der Verkauf von Schuldscheinen oder anderen kapitalmarktnahen Strukturen ohne Eingriffsmöglichkeiten befeuern den NPL-Schnellverkauf noch weiter. Schuldscheindarlehen kennen grundsätzlich kein Mehrheitsstimmrecht. Das heißt ein einzelner Gläubiger kann dann den sogenannten „Stand Still“, Sanierungen und Restrukturierungen blockieren und auf vollständige Ablösung seines Kredites bestehen. Das wiederum werden die anderen Gläubiger nicht tolerieren. Das kann letztendlich zur Beschleunigung von Insolvenzen führen.

2. Wir brauchen ein Level Playing Field für die digitale Welt

Zweitens geht es um die Digitalisierung. Aufgrund starker Vernetzung, entstehen neue Risiken wie: Cyberangriffe, Datenmanipulation, Datendiebstahl.  Banken müssen die Daten der Kunden schützen und das Bankgeheimnis wahren.

Nicht alle, die Finanzdienstleistungen anbieten, haben diesbezüglich dasselbe gesetzliche Rahmenwerk und vor allem  (Werte)Verständnis.

Doch es geht nicht nur darum, möglichst effizient Kundendaten zu managen. Banken müssen auch die gesellschaftliche Pflicht übernehmen, Terrorismusfinanzierungs-  und Geldwäscheverdachtsfällen zu erkennen und aufzudecken. Terrorismus findet heute über hochkomplexe Geldströme statt, daher ist dessen Bekämpfung im Zahlungsverkehr ein zentrales Thema. Etwa 40 Prozent der Verdachtsfälle, die unsere Compliance-Abteilung prüft, stammen aus der automatisierten, maschinellen Überwachung. 60 Prozent der Verdachtsfälle stammen aus der Filiale und werden durch unsere geschulten (Vertriebs-) Mitarbeiter gemeldet. Davon wird nahezu jeder zweite Fall als erhärteter Verdacht an die zuständige Behörde übermittelt. Von den maschinell geprüften Verdachtsfällen erhärten sich nur etwa 10 Prozent .   Die direkte Interaktion mit den Kunden stellt also ein zentrales Element in der Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung dar.

Die zentrale Frage lautet: Gewährleistet ein rein automatisiertes Verfahren Risiken besser erkennen und ausreichend Schutz für die Gesellschaft bieten? Voll automatische Prozesse im Zahlungsverkehr sollten vom Regulator kritisch geprüft werden. Erst durch die Kombination aus selbstlernenden Modellen und Spezialisten in den Filialen erreichen wir eine viel höhere Erkennungsrate und können sehr viel schneller agieren als bei rein automatisierten Systemen.

Fazit: Auch 2019 ist ein wachsames Risikomanagement erforderlich

Das alles zeigt: Wir müssen uns auf eine Fülle von Herausforderungen und Risiken vorbereiten (und tun das auch!) –  einige wohl bekannte und manche neue. Jedes Risiko hat für sich genommen schon das Potential, schwerwiegendere Probleme zu verursachen. Unsere Aufgabe ist auch 2019, früh zu erkennen, ob und wann eine Gefahrenschwelle erreicht wird und schnell zu handeln.


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Über den Autor

Dr. Marcus Chromik

Dr. Marcus Chromik ist Mitglied des Vorstands der Commerzbank und verantwortlich für das Risikomanagement des Konzerns. Der promovierte Kernphysiker war zuvor u.a. Chief Market Risk Officer bei der Postbank. Seine berufliche Laufbahn begann er bei McKinsey, wo er vor allem Unternehmen der Finanzbranche im Risikomanagement beriet.

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