Innovation bedeutet etwas Neues. Etwas Neues bedeutet Veränderung. Und Veränderung bedeutet immer ein Verlassen der Komfortzone und ist mit Risiken verbunden. Die Lösung des scheinbaren Problems ist einfach.
Die Finanzbranche steht seit Jahren unter dem Einfluss tiefgreifender Veränderungen, die vor allem durch technologische Entwicklungen, regulatorische Anpassungen und sich wandelnde Kundenerwartungen getrieben werden. Im Zentrum dieser Transformationen stehen notwendige Innovationen.
Doch Banken und Sparkassen tun sich erfahrungsgemäß schwer mit Innovationen. Zwar besteht ein massiver Druck, neue Ideen zu entwickeln, die das Geschäft vorantreiben und neue Ertragsquellen erschließen. Gleichzeitig gibt es vielerorts noch immer Widerstand gegen Ideen, die tatsächlich einen Durchbruch bedeuten können.
Inkrementelle versus disruptive Innovationen
Bei Innovationen lassen sich inkrementelle und disruptive Innovationen unterscheiden. Beide Innovationsarten prägen die strategische Ausrichtung von Banken maßgeblich, unterscheiden sich jedoch grundlegend in Ziel, Wirkung und Umsetzung.
Inkrementelle Innovation: Evolutionäre Verbesserung
Inkrementelle Innovationen zielen auf die kontinuierliche Verbesserung bestehender Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse. Diese Art der Innovation ist risikoarm, da sie auf vorhandene Strukturen und Kundenbedürfnisse aufsetzt. Typische Beispiele im Banking sind die Einführung neuer Funktionen in Mobile-Banking-Apps, Prozessautomatisierung durch Robotic Process Automation (RPA) oder die Optimierung von Kreditentscheidungsprozessen durch Data Analytics.
Der Vorteil inkrementeller Innovationen liegt in ihrer Planbarkeit und in der Möglichkeit, kurzfristig Effizienzgewinne zu realisieren. Sie ermöglichen es Banken, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und die Kundenzufriedenheit durch bessere Servicequalität zu steigern. Dabei bleibt das zugrundeliegende Geschäftsmodell meist unverändert. Gerade in stark regulierten Bereichen wie dem Retail- oder Firmenkundengeschäft ist diese Form der Innovation häufig das Mittel der Wahl.
Allerdings kann eine zu starke Fokussierung auf inkrementelle Verbesserungen dazu führen, dass Banken grundlegende Marktveränderungen zu spät erkennen und sich gegenüber neuen Wettbewerbern – insbesondere FinTechs oder BigTechs – nicht ausreichend differenzieren können.
Inkrementelle Innovationen sind wichtig, können aber disruptive Innovationen nicht ersetzen. Verzichtet man auf sie, besteht die Gefahr, in der Verbesserung vorhandener Lösungen „stecken zu bleiben“.
Disruptive Innovation: Radikaler Wandel
Disruptive Innovationen können nachhaltige Vorteile im Wettbewerb hervorbringen. Sie brechen mit etablierten Strukturen und Geschäftsmodellen. Sie entstehen oft außerhalb traditioneller Marktakteure und richten sich an bisher unterversorgte Kundengruppen oder schaffen völlig neue Märkte.
Im Finanzwesen zeigen sich disruptive Ansätze etwa in der Entstehung digitaler Ökosysteme, der Einführung von Blockchain-Technologie oder im Aufstieg von Plattformmodellen wie Peer-to-Peer-Lending oder Embedded Finance.
Disruptive Innovationen verändern nicht nur Produkte und Prozesse, sondern oft auch die Rollenverteilung im Markt. So agieren FinTechs heute nicht mehr nur als Wettbewerber, sondern zunehmend als Enabler für Banken, indem sie technologische Infrastruktur oder spezialisierte Services bereitstellen. Gleichzeitig stellen BigTech-Unternehmen mit hoher Kundenreichweite und technologischer Exzellenz eine ernsthafte Bedrohung traditioneller Bankenmodelle dar – sei es durch eigene Bezahllösungen, Kreditangebote oder Investmentplattformen.
Der Reiz disruptiver Innovationen liegt im Potenzial hoher Skalierung und Marktdurchdringung. Für etablierte Banken sind solche Innovationen jedoch mit hohen Risiken verbunden, insbesondere im Hinblick auf Regulierung, Kundenvertrauen und Legacy-Systeme. Dennoch erkennen viele Institute die Notwendigkeit, über Innovation Labs, Venture-Partnerschaften oder gezielte Beteiligungen an Start-ups disruptive Entwicklungen proaktiv mitzugestalten.
Komplementarität statt Gegensatz
Inkrementelle und disruptive Innovationen sind nicht zwangsläufig Gegensätze, sondern können sich strategisch ergänzen. Eine Bank, die ihre Prozesse effizient und kundenorientiert weiterentwickelt, schafft gleichzeitig die Voraussetzungen, um disruptive Ansätze erfolgreich zu implementieren oder mit Partnern umzusetzen. Erfolgreiche Banken zeichnen sich durch Innovationsportfolios aus, die kurzfristige Optimierungen mit langfristiger Transformation kombinieren.
Ein gutes Beispiel für diese Balance ist die zunehmende Integration von Künstlicher Intelligenz. Während inkrementelle Anwendungen – etwa Chatbots im Kundenservice oder automatisierte Betrugserkennung – bereits breite Anwendung finden, bergen generative KI-Modelle das Potenzial, die Interaktion mit Kunden grundlegend zu verändern und neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen.
Erfolg und Risiko von Innovationen
Die Unterscheidung zwischen inkrementellen und disruptiven Innovationen ist für Banken von hoher strategischer Relevanz. Während inkrementelle Innovationen notwendig sind, um das operative Geschäft effizient und kundenorientiert zu gestalten, sind disruptive Innovationen entscheidend, um in einem zunehmend digitalen und wettbewerbsintensiven Umfeld zukunftsfähig zu bleiben. Der langfristige Erfolg liegt in der Fähigkeit, beide Innovationsarten gezielt zu steuern und miteinander zu verbinden – sowohl intern als auch über Kooperationen mit externen Partnern. Nur so lässt sich das Innovationspotenzial der Branche voll ausschöpfen.
Jeder (echten) Innovation wohnt das Risiko des Scheiterns inne. Banken und Sparkassen müssen lernen, damit umzugehen und dies als etwas Normales zu begreifen. Nicht weniger, sondern mehr Innovation muss die Konsequenz sein, um mit den überlebenden Ideen am Markt erfolgreich zu sein.
Risiken lassen sich bewerten und Kreditinstitute sollten eigentlich besser als andere Branchen (vielleicht mit Ausnahme der Versicherungen) dazu in der Lage sein. Risikovermeidung ist keine Alternative, bedeutet sie in diesem Fall doch auch die Innovationsvermeidung. Und das Risiko, ein Risiko nicht einzugehen ist oft größer, kann es doch die Verdrängung aus dem Markt bedeuten. Insofern ist „auf Nummer Sicher gehen“ das riskanteste Risiko von allen.