Deutsche FinTechs: Luftblase oder valides Geschäftsmodell?

Warum vermeintliche Gewinner keine Sieger sind

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Einige FinTech-Startups scheinen es geschafft zu haben. Doch den meisten fehlt ein überzeugendes Geschäftsmodell. Trennt sich in der deutschen FinTech-Szene demnächst die Spreu vom Weizen?

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FinTech ist immer noch in aller Munde. Kaum eine Woche, in der nicht auf einer Konferenz oder FinTech-Week die vermeintlich herausragenden Innovationsleistungen für die Finanzbranche und deren Kunden bejubelt werden. Der Satz von Bill Gates „Banking is necessary, Banks are not“ wurde vermutlich noch nie so häufig zitiert, wie in den letzten Monaten. Noch immer scheinen einige zu glauben, dass etablierte Banken und Sparkassen kurz vor dem Zusammenbruch stehen und die Übernahme deren Kunden durch FinTech-Startups unmittelbar bevorstehe.

Fünf FinTech-Bereiche in der Analyse

Heinz-Roger Dohms, Herausgeber des Newsletters Finanz-Szene.de hat vor kurzem eine lesenswerte Analyse des deutschen FinTech-Marktes vorgelegt. Darin hat er für die folgenden fünf Bereiche jeweils die Gewinner identifiziert:

  • Einlagenvermittlung: Raisin (Weltsparen) mit vier Mrd. Euro vermittelten Tages- und Festgeldern als Marktführer, gefolgt von Deposit Solutions („Zinspilot“) mit über zwei Mrd. Euro (Stand: Juni 2017).
  • Smartphone-Banking: N26 mit über 500.000 Kunden.
  • Robo-Advisory: Scalable Capital, die durch ihre kürzlich verkündete Kooperation mit der ING DiBa den Wettbewerbern weit enteilt sind, was das Volumen an Assets-under-Management betrifft.
  • Marketplace-Lending: Auxmoney die als Marktführer stetig wachsen und nach eigenen Angaben im ersten Halbjahr rund 135 Mio. Euro vermittelt haben.
  • Crowdinvesting: Exporo, auf die mehr als 60 Prozent des bislang in 2017 vermittelten Volumens entfielen.

Seine Schlussfolgerung: Die Szene ist dabei, sich zu einer „The Winner takes it all“-Branche zu entwickeln. Das Google-Phänomen des Internets lässt grüßen…

„Gewinner“ sind noch keine „Sieger“

Doch handelt es sich bei den „Gewinnern“ bereits um „Sieger“. Mitnichten! Um einige der Zahlen ins richtige Verhältnis zu setzen:

  • Die Deutschen haben 2,1 Billionen Euro in Tagesgeld, Spareinlagen und Festgeld angelegt. 4 Mrd. Euro von Raisin entsprechen 0,2 Prozent davon.
  • In Wertpapieren haben die Deutschen 900 Milliarden Euro angelegt. Das Volumen von Scalable Capital entspricht weniger als 0,1 Prozent davon.
  • Das in Deutschland ausgegebene Kreditvolumen an inländische Unternehmen und Privatpersonen betrug 2016 2.512 Milliarden Euro. Der Anteil von Auxmoney daran liegt bei 0.005 Prozent.
  • Auch Kundenzahlen wie die von N26 sagen wenig aus. Was nützen 500.000 Kunden, wenn der eine Teil davon passiv ist und mit dem aktiven Teil Geld verloren statt verdient wird.

Wie formulierte es der Gründer von Flixbus kürzlich in einem Interview:

„Es geht nicht darum, wie viel Geld ich einsammle oder was das Unternehmen auf dem Papier wert ist. Das ist kein Erfolg an sich.“

André Schwämmlein, Flixbus

Das scheinen viele FinTech-Gründer anders zu sehen. Was jedoch wirklich zählt, ist der Erfolg und nicht die produzierten Luftblasen.

Neigt sich die FinTech-Euphorie dem Ende entgegen?

Bereits vor über einem Jahr hat Reto Schnyder hier die Frage „Wann platzt die FinTech-Blase?“ gestellt und Parallelen zur Dotcom-Blase aufgezeigt. In letzter Zeit mehren sich vermehrt kritische Stimmen:

  • „Die erste Aufregung um FinTechs scheint etwas abgeklungen zu sein. (Andreas Dombret, Bundesbankvorstand im Bank Blog Interview.)
  • „90 Prozent der FinTechs werden scheitern“ (Christopher Flowers, Finanzinvestor im Handelsblatt.)
  • „Das große Fintech-Sterben wird kommen“ (Carola von Schmettow, Sprecherin des Vorstands HSBC Deutschland auf der Euro Finance Week.)
  • „Der disruptive Innovationsgrad von FinTechs, vor allem in Deutschland, ist bislang eher gering. Das meiste ist leicht kopierbar und ich sehe kurzfristig eine Bereinigungsphase auf den Markt zukommen.“ (Remigiusz Smolinski, Comdirect im Bank Blog Interview.)
  • „Ich bin überzeugt: So wie es bei den Banken ein Filialsterben gibt, wird es auch ein FinTech-Sterben geben. Ich schätze, dass von den derzeitigen Firmen 90 Prozent auf der Strecke bleiben und nur circa 20 dauerhaft erfolgreich sein werden, sei es eigenständig oder an eine Bank angedockt.“ (Carsten Maschmeyer, Gründer von AWD und FinTech-Investor im Manager Magazin.)

Das klingt alles sehr skeptisch…

Vielen FinTechs fehlt ein valides Geschäftsmodell

Wie schon vor einiger Zeit geschrieben: FinTech ist keine Zauberei und viele FinTechs definieren sich noch immer vom Frontend aus. Doch gerade dies ist leicht kopierbar und ermöglicht auf Dauer wenig Differenzierung. So sehr man die an einigen Stellen antiquierte IT-Architektur der etablierten Banken und Sparkassen (zu Recht) kritisiert; es wird übersehen, dass auch einige FinTechs auf dem Weg vom Kunden zur Fabrik noch Medienbrüche aufweisen. Das durchdigitalisierte Unternehmen ist selbst dort eine Ausnahme.

Vielen FinTechs mangelt es an kritischer Größe und es ist nicht absehbar, dass sie diese in einem angemessenen Zeitraum erreichen werden, um einen Return auf das eingesetzte Kapital zu erzielen. „Too big to fail“ mag für manche Banken zutreffen, für FinTechs sicherlich nicht.

Die von einigen angetretene Expansion ins Ausland erscheint eher als Flucht. Sie erhöht nur die Komplexität und die Kosten. Nicht ohne Grund lernen BWL-Studenten spätestens im ersten Semester ihres Masterstudiums, dass Basis einer Internationalisierungsstrategie immer der Erfolg im Heimatmarkt sein sollte…

Zum Erfolg gehört es, Erträge zu erzielen, welche die Kosten übersteigen (Erstes Semester BWL, Bachelorstudium!). Was den meisten FinTechs fehlt, ist ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell, das dies nachhaltig sicherstellt. Also genau das, was die Szene an vielen Stellen den etablierten Finanzinstituten zum Vorwurf macht.

Über den Autor

Dr. Hansjörg Leichsenring

Dr. Hansjörg Leichsenring ist Herausgeber des Bank Blogs und der Finanzbranche seit über 30 Jahren beruflich verbunden. Nach Banklehre und Studium arbeitete er in verschiedenen Positionen, u.a. als Direktor bei der Deutschen Bank, als Vorstand einer Sparkasse und als Geschäftsführer eines Online Brokers. Als Experte für Strategien in den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Vertrieb ist er gefragter Referent und Moderator bei internen und externen Veranstaltungen im In- und Ausland.

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2 Kommentare

  1. Avatar

    Der Artikel erinnert mich an eine frühere Prophezeiung des Autors zur Zukunft von Banking Apps (https://www.der-bank-blog.de/bank-apps-trend/online-banking/46/). Dort kam er unter „großzügigen“ Annahmen „rein rechnerisch auf zwei Prozent der Bevölkerung als potentielle Nutzer“, doch „dürfte die Zahl der tatsächlich in Frage kommenden Nutzer doch deutlich geringer ausfallen.“ Und er hatte „allen Umfragen zum Trotz noch niemand getroffen, der echte Bankgeschäfte über sein Handy tätigen will, geschweige denn dies tun will.“
    Die von Fintechs angestoßenen Entwicklungen werden bleiben. Aber natürlich wird es eine Marktbereinigung geben. In den USA gab es 1908 über 250 Automobilproduzenten. Rund 20 Jahre später waren mehr als 80% und bis heute 99% davon verschwunden (wenn wir die Zulieferindustrie außer Acht lassen). Nicht aber verschwunden ist die Technologie.

  2. Avatar

    Danke für den Blick ins Archiv. Hin und wieder lernt man im Leben dazu, immerhin stammt der zitierte Beitrag aus dem Jahr 2010.

    Die Anzahl der Nutzer ist sicherlich gestiegen. Allerdings ist die damals aufgestellte These, dass „Echte Bankgeschäfte nicht übers Handy getätigt werden“ unverändert korrekt. Die Apps dienen überwiegend zur Information und nicht zu Transaktionen. Nutzer von Apps fragen ganz überwiegend Kontostände ab. Selbst Überweisungen werden kaum per Smartphone getätigt. Geschweige denn anspruchsvollere Finanzgeschäfte.
    Dass die Technologien bleiben, habe ich übrigens nie bezweifelt.

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