Corona – quo vadis?

Denk-Anstöße: Interessantes, Merkwürdiges und Nachdenkliches

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Während die Optimisten das Ende der Pandemie herbeisehnen, befürchten die Pessimisten eine zweite Infektionswelle. In diesem Spannungsfeld wird die strategische Unternehmensplanung immer mehr zur Rechnung mit vielen Unbekannten.

Die Corona-Krise verändert Unternehmensstrategien

Die Corona-Krise hat vielfältige Auswirkungen auf Wirtschaft und Unternehmen.

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Düsteres Szenario

Die wirtschaftlichen Folgen  der Corona-Krise sind verheerend. Im zweiten Quartal 2020 ist das BIP saisonbereinigt um 10,1  Prozent abgestürzt. Der Rückgang übertraf den Einbruch während der Finanzkrise (4,7  Prozent) um mehr als das Doppelte. Im Horror-Monat April brachen die Auftragseingänge der Industrie gegenüber dem Vormonat um 25,8  Prozent, die Produktion um 17,9  Prozent und der Export um 31  Prozent ein.

Nicht nur Pessimisten fühlen sich vor diesem Hintergrund an die große Depression Anfang der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts erinnert. Im Krisenjahr 1930 war die Wirtschaftsleistung um 6,7  Prozent gesunken. In den nächsten beiden Jahren folgten deutlich massivere Rückgänge um 16,4 bzw. 17,6  Prozent. Derzeit spricht vieles dafür, dass sich diese historische Katastrophe in der noch anhaltenden Pandemie nicht wiederholen wird. So erwartet das ifo-Institut schon für das laufende dritte Quartal 2020  einen BIP-Anstieg um 6,3  Prozent.

„Keine Panik“

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW sieht „keinen Anlass zur Panik“. Die deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik habe mit ihren Liquiditätshilfen und dem Konjunkturprogramm vom Juni 2020 insgesamt klug und angemessen reagiert und betreibe eine erfolgreiche Schadensbegrenzung. Auch beim ifo-Geschäftsklimaindex stehen die Zeichen mittlerweile wieder auf Erholung. Das Vorkrisenniveau werde aber erst wieder Ende 2021 oder sogar 2022 erreicht werden – falls nicht eine zweite Ausbreitung der Pandemie zu neuen staatlich verordneten Einschränkungen führe.

Auch der Arbeitsmarkt erweist sich bisher als relativ stabil. Die Arbeitslosigkeit stagnierte im Juli bei 6,4  Prozent. Im Mai befanden sich immer noch 6,7 Mio. Menschen, also 15  Prozent aller Erwerbstätigen, in Kurzarbeit. Die Zahl der Firmenpleiten ist trotz der schweren Wirtschaftskrise statistisch sogar gesunken. Dieser Überraschungseffekt ist allerdings auf die vorübergehende Aussetzung des Insolvenzrechts zurückzuführen. Falls diese Regelung nicht von der Bundesregierung verlängert werden sollte, ist ab Oktober mit einer vehementen Pleitewelle zu rechnen, die auch die Arbeitslosenquote deutlich ansteigen lassen dürfte.

„Gelungener Neustart“

Als „gelungenen Neustart im Mittelstand“ beschreibt das KfW-ifo-Mittelstandsbarometer die Lage. Gleichwohl führe noch ein langer Weg zum Vorkrisenniveau. Die aktuelle Geschäftslage liege noch fast 30 Saldenpunkte unter dem Monat Februar. Die Geschäftserwartungen haben sich schon weiter erholt als die Lagebewertungen. Über die Hälfte der befragten Unternehmen ist allerdings noch nicht von einer Besserung im zweiten Halbjahr überzeugt. Als größtes Sorgenkind erweist sich derzeit noch die Industrie, die den Tiefpunkt ihrer Branchenkrise erst im Juni durchschritten hat. Weitgehend unbeschadet habe das mittelständische Bauhauptgewerbe den Sturm überstanden. Hier zeige sich die Stimmung schon wieder leicht überdurchschnittlich, was auf hohe Auftragsbestände und stabile Wohnungsbaunachfrage zurückzuführen sei.

Zweiter Lockdown?

Dass die Fakten und Prognosen mittlerweile auch die Stimmung der Deutschen beeinträchtigen, kann nicht überraschen. Einer neuen Befragung zufolge glauben 61  Prozent der Bundesbürger, dass sich die wirtschaftliche Lage in den kommenden Jahren verschlechtern wird. Sorgen bereitet derzeit offenbar vor allem die Gefahr eines erneuten Lockdowns infolge einer zweiten Infektionswelle, deren Auswirkungen sich als dramatisch erweisen könnten. Sollte sich diese negative Erwartungshaltung festigen oder sogar verstärken, dürfte dies auch zu kontraproduktiven Belastungen des Konsumverhaltens führen. Der Ernst der Lage zeigt sich auch daran, dass bereits 60 Großunternehmen Interesse an einer Unterstützung aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) angemeldet haben, den die Bundesregierung Ende März mit 600 Mrd. Euro ausgestattet hat. 14 Konzerne sollen ausdrücklich Bedarf an einer großvolumigen Rekapitalisierung mit Steuergeldern angezeigt haben.

Gefahr einer Stagflation

Der Ökonom Clemens Fuest hat die Befürchtung geäußert, dass das milliardenschwere Konjunkturpaket der Bundesregierung seine Ziele verfehlen werde. Statt einer Ankurbelung der Corona-geschädigten Wirtschaft könne das Programm zur Stagflation, also zu steigenden Preisen bei konjunkturellem Stillstand und hoher Arbeitslosigkeit führen. Außerdem verweist Fuest auf das Problem sinkender Unternehmensproduktivität, das aus unterbrochenen Lieferketten und unzureichender Kapazitätsauslastung resultiere. Das Phänomen der Stagflation hatte zuletzt Ende der 70er Jahre für Diskussionen gesorgt. Der gleichzeitige Anstieg von Arbeitslosigkeit und Preisen galt damals als Widerspruch zur gängigen Volkswirtschaftslehre. Auch die Notenbanken standen seinerzeit vor einem Dilemma: Sie konnten zwar die Zinsen anheben, um den Preisanstieg zu dämpfen. Damit verbunden war jedoch das Risiko, die Wirtschaft abzuwürgen. Andererseits bestand die Gefahr, durch eine Lockerung der Geldpolitik die Inflation anzuheizen.

„Endgültiger Bruch“

Mit dem größten Finanzpaket ihrer Geschichte will die EU dem einzigartigen Wirtschaftseinbruch infolge der Corona-Krise begegnen. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sieht darin allerdings einen „historischen Paradigmenwechsel“. Die „sparsamen Vier“ hätten nicht verhindern können, dass die EU erstmals selbst Schulden aufnehmen und Zuwendungen von 390 Mrd. Euro ohne strenge Auflagen verteile. Jürgen Stark , der 2012 aus Protest von seinem Amt als EZB-Chefvolkswirt zurückgetreten war, sieht sich in seiner Kritik an der Geldpolitik bestätigt. Die EZB treibe die „schleichende Änderung unseres Wirtschaftssystems“ voran und mache sich von den Euro-Regierungen abhängig: „Sie kann nicht ohne weiteres aus diesen Programmen aussteigen, sonst führt das zu stark steigenden Zinsen und endet in einer Staatsschuldenkrise gigantischen Ausmaßes. Die EZB ist – ich sage das bewusst so hart – zur Mittäterin geworden, die Staaten mit verfehlter Finanz- und Wirtschaftspolitik das finanzielle Überleben erleichtert.“

Laut Stark hat die EZB schon lange die Grenzen ihres Mandats überschritten. Für ebenso überzogen hält der ehemalige Notenbanker das milliardenschwere Hilfsprogramm, welches die EU-Regierungschefs kürzlich beschlossen haben. „In Wahrheit geht es doch dabei gar nicht um den Wiederaufbau nach Corona. Was ist denn wiederaufzubauen? Es ist doch gar nichts zerstört worden! Wie erleben stattdessen eine gigantische Schuldenaufnahme der EU, für die es keine rechtliche Basis gibt.“ Der unausgeglichene Haushalt verkörpere einen „erneuten Tabu- und Rechtsbruch“. Stark weiter: „Geht es hier wirklich um Solidarität? Oder hat man den Erpressungsversuchen der Nehmerländer nachgegeben, weil einige Euro-Mitglieder wie Italien schon vor Beginn der Pandemie bis zur Halskrause verschuldet waren?“

Das alles führe letztlich in die Schuldenunion. „Durch die Hintertür haben wir jetzt eine Transfer- und auch eine Haftungsgemeinschaft. Auch das entspricht nicht dem Geist der Europäischen Verträge“. Festgehalten sei in den Verträgen nämlich die Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten. Damit sei es nun vorbei: „Was wir gerade erleben, ist der endgültige Bruch mit diesem Prinzip.“

Über den Autor

Dietrich W. Thielenhaus

Der Unternehmer Dietrich W. Thielenhaus, der vor seinem Studium Bankerfahrung gesammelt hat, kommentiert aktuelle Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und Geldanlage.

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