Besteht die Firma der Zukunft aus Code?

Distributed Ledger Technology (DLT) könnte längerfristig einiges verändern

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Liebling, ich habe die Firma hochgeladen! Heute geht es beim Thema Blockchain in erster Linie um das Automatisieren von Zahlungen. Die ausgereifte Technologie könnte in der Zukunft über Smarte Verträge aber auch komplett neue Geschäftsmodelle und Organisationsformen ermöglichen.

Digitale Disruption durch Blockchain-Technologie

Blockchain-Technologie hat das Potential, das Bankgeschäft disruptiv zu verändern
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Die Einführung neuer Technologien funktioniert oftmals ungefähr nach dem folgenden Muster: Bestehende Unternehmen in einer tangierten Branche applizieren ihr bestehendes Geschäftsmodell und ihre bestehenden Geschäftsprozesse auf die neue Technologie. Die meisten Hotel, Taxi oder Medienunternehmen dürften etwa schon in den 90er oder spätestens den 00er Jahren erkannt haben, dass das Internet für Ihre Branche relevant ist und zumindest eine eigene Website erstellt haben. Allerdings betrachteten sie es wohl in erster Linie als zusätzlichen Werbe- und Absatzkanal für ihr bestehendes Geschäftsmodell.

Heute, wie Tom Goodwin von TechCrunch feststellte, ist die grösste Hotelkette der Welt Airbnb, ein Unternehmen welches keine Hotels besitzt. Das grösste Taxiunternehmen der Welt, Uber, besitzt seine Taxis nicht selbst. Das grösste Medienunternehmen der Welt, Facebook, produziert keine eigenen journalistischen Inhalte. Dass Facebook und nicht etwa der Spiegel die heutige Medienwelt dominiert, liegt nicht daran, dass die Geschäftsleitung des letzteren technophob gewesen wäre. Im Gegenteil, Spiegel Online wurde bereits 1994, als Mark Zuckerberg gerade einmal zehn Jahre alt war, gegründet. Die Herausforderung für bestehende Unternehmen liegt darin, dass es einfacher ist bestehende Geschäftsprozesse leicht zu modifizieren als zu antizipieren, welche neuen wertvollen Geschäftsmodelle durch eine Technologie ermöglicht werden.

Smarte Verträge können mehr

Die Blockchain-Technologie oder, etwas allgemeiner, Distributed Ledger Technology (DLT) ist noch ein junges Feld. Banken interessieren sich heute vor allem an der neuen Technologie, um die teils relativ antiquierten Zahlungsprozesse zu automatisieren. In der Tat ist das Potenzial um Transaktionskosten und -dauer zu senken vielerorts sehr hoch. Nichtsdestotrotz, sind diese Effizienzsteigerungen nur der Anfang. Wir überschätzen die Auswirkungen der meisten Technologien auf kurze Sicht und unterschätzen ihre Auswirkungen auf lange Sicht. Diese auch als “Amara’s Gesetz” bekannte Daumenregel, könnte auch auf DLT zuzutreffen. Die wirklich interessante Frage ist nicht, welche bestehenden Prozesse wir automatisieren können, sondern welche neuen Nutzungsmöglichkeiten und Modelle DLT in den nächsten 10 oder 20 Jahren eröffnen wird.

Vor allem Smarte Verträge, welche Regeln in Form von Code fest- und einhalten können, könnten, dezentral auf Computern verteilt, neue Möglichkeiten eröffnen. Anstatt Geld nur vom Sender X zum Empfänger Y zu bewegen, könnten Smarte Verträge dem Sender in der Zukunft unter Anderem eine gewisse Kontrolle über die weitere Verwendung des Geldes geben. Anstatt blind zu Vertrauen, dass eine Spende auch tatsächlich wie beworben eingesetzt wird. Könnte der Vertrag, das Geld oder einen Teil davon zum Beispiel nur freigeben, wenn es für ein Produkt, welches in einer bestimmten Kategorie registriert ist, eingesetzt wird oder wenn sich der Verkaufspunkt innerhalb oder ausserhalb von einem bestimmten geografischen Gebiet befindet. Das Geld wird somit “programmierbar” und kann nach den Intentionen des Senders handeln. Wenn eine Bank die Vertragsbausteine im Hintergrund in eine Zahlungsapp integriert, braucht ein Vater der Geld an seine Tochter sendet, beispielsweise nur auszuwählen, dass es für die Kategorie “Schulbücher” vorgesehen ist und er nicht verwendetes Geld im Vertrag jederzeit wieder abziehen kann.

Braucht es in Zukunft noch eine Generalversammlung?

Längerfristig bieten Smarte Verträge auch einen Rahmen für eine kontinuierliche dezentrale Entscheidungsfindung. Statt einmal im Jahr eine Generalversammlung zu haben, könnten dezentrale Organisationen Quorum und Zeitraum für Abstimmungen vertraglich festlegen, so dass die Anteilsinhaber viel direkter und zeitnaher in den Entscheidungsprozess eingebunden werden. Wobei es für Banken interessant sein könnte das Aufsetzen eines solchen Vertrages ähnlich wie heute eine IPO zu begleiten.

Dezentralisierte Autonome Organisationen

Das Ganze kann jedoch noch viel weiter auf die Spitze getrieben werden. Grundsätzlich könnte man die ganze Firma auf die Blockchain “hochladen”, so dass die von den Anteilsinhabern getroffenen Entscheidungen direkt umgesetzt würden. Der Code steht im Zentrum der Firma und beschreibt das Geschäftsmodell, nach welchen Kriterien Dienstleistungen und Produkte eingekauft, verarbeitet und verkauft werden. Die Menschen sind am Rand der Firma und können mit ihr Verträge eingehen.

Die Flexibilität und Komplexität solcher Firmen dürfte zwar zunächst sicherlich eingeschränkt sein, verspricht dafür tiefere Fixkosten. Das Uber der Zukunft sähe vielleicht so aus, dass es selbstfahrende Autos von Autobesitzern mietet, automatisch Preise berechnet und mit Kunden über eine App oder Gesichtserkennung Smarte Verträge abschliesst. Für Reparaturen, Marketing etc. könnte die Firma automatisch Verträge mit externen Anbietern abschliessen. Natürlich muss jemand solche Firmen erst einmal codieren, was wiederum Startkapital voraussetzt. Man könnte eine Firma aber auch so programmieren, dass die Inhaberanteile mit einem Gewinn für Investoren nach einer gewissen Zeit wieder zurückgekauft werden, so dass die Firma effektiv nicht mehr von Menschen kontrolliert wird und dementsprechend keinen Gewinn erwirtschaften müsste, was wiederum tiefere Preise ermöglichen würde.

Der Wald auf der Blockchain

Es geht aber noch verrückter. Science Fiction Autor Karl Schroeder hat etwa vorgeschlagen, dass man Gemeinschaftsgüter wie etwa einen Wald in der Zukunft auf die Blockchain laden könnte. Solche “Deodanden”, benannt nach einem mittelalterlichen Konzept, welches Objekten eine legale Persönlichkeit zusprach, könnten staatlich dazu programmiert werden, ihre eigenen Interessen zu vertreten. Jene welche den Wald, anhand von GPS oder anderen Daten bestimmt, betreten, zahlen dem Wald mittels einem smarten Vertrag automatisch eine Entschädigung. Der Wald wiederum könnte diese Einnahmen einsetzen, um Förster zu engagieren.

Natürlich gibt es noch etliche technologische und vor allem legale Hürden, welche zwischen uns und so einer Zukunft stehen. Dennoch lohnt es sich, sich frühzeitig mit längerfristigen Möglichkeiten, Chancen und Gefahren von neuen Technologien zu beschäftigen, bevor man dann eines Tages plötzlich vor Tatsachen gestellt wird. DLT ist immer noch ein sehr junges Feld und die Taxiregulierungen der 90er haben Uber auf jeden Fall nicht verhindert.

 


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UBS Y, ist ein 2014 von der UBS gegründeter Think Tank

UBS Y, ist ein 2014 von der UBS gegründeter Think Tank, welcher Szenarien und Visionen für die Zukunft entwirft: Wie kann unsere Welt in 30 Jahren aussehen? Wie werden wir arbeiten? Was bedeuten Geld und Reichtum, Identität und Kultur? Was wäre, wenn Fachwissen nicht mehr in Experten, sondern in Informationssystemen mit kognitiven Fähigkeiten oder Robotern stecken würde und diese unsere Arbeit erledigen würden? Was bedeutet dies für die Banken?

UBS Y fokussiert sich nicht auf das Vorhersagen der Zukunft sondern auf das Erarbeiten von Visionen. Am Anfang der Methodologie stehen “Was wäre wenn”-Szenarien in ferner Zukunft, mit deren Hilfe versucht wird sich in der Zeit zurückzuarbeiten, um zu ergründen, ob und wie solche Szenarien erreichbar werden könnten.

Über den Autor

Kevin Kohler

Kevin Kohler hat Internationale Beziehungen an der Universität St. Gallen (HSG) studiert und ist Societal Researcher beim UBS Y Think Tank mit den Fokusthemen Künstliche Intelligenz und Digitale Identität.

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