Die Finanzbranche könnte digitale Nachhilfe gebrauchen

Wo Innovationen im Finanzbereich zu kurz kommen, zeigt der Online-Handel, was möglich wäre

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FinTechs sorgen für frischen Wind – aber was ist mit Banken und Finanzdienstleistern? Schwindende Margen zwingen die Branche zu Innovationen. Wer sich am eCommerce orientiert, findet Inspiration in Sachen Kundenkommunikation und digitale Prozesse.

Banken, Sparkassen und E-Commerce

Was Banken und Sparkassen vom E-Commerce lernen könnten

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Die Bankenindustrie und Finanzdienstleister sind einem immer stärker werdenden Druck ausgesetzt. Zum einen durch höhere regulatorische Anforderungen an den Umgang mit am Kapitalmarkt etablierten Instrumenten, zum anderen reduziert das Niedrigzinsumfeld die erwirtschafteten Margen. Deshalb investieren Finanzdienstleister zunehmend Geld, Ressourcen und Aufwand, um regulatorische Anforderungen zu erfüllen und auf die aktuellen Marktgegebenheiten zu reagieren. Das führt dazu, dass einerseits Dienstleistungen und Produkte klassischer Finanzdienstleister für Kunden, insbesondere Retailkunden, unattraktiver werden und andererseits wesentliche Innovationskraft verloren geht. Betrachtet man den Markt, so stellt man fest, dass junge Unternehmen im E-Commerce und FinApp Bereich wie Amazon, Apple Pay, Ebay oder Google wesentlich dynamischer und pragmatischer auf Marktveränderungen reagieren. Sie sprechen Kunden durch individuelle Services an. Für die Zahlungsabwicklung bieten E-Commerce Plattformen verschiedene Möglichkeiten an, teilweise direkt mit dem privaten Girokonto verknüpft. Rechnungskonsolidierung oder Bezahlen per QR-Code gehören zum heutigen Standard der E-Commerce Welt. Anbieter wie Amazon und Co. bieten zudem ein kundenfreundliches Customer Relationship Management an. So gehört es zum Standard, Beschwerden oder Sachmängel über online Chats direkt, schnell und effizient abzuwickeln. Neue Trends werden schnell erkannt, evaluiert und gegebenenfalls auf kurzen Wegen umgesetzt. Banken und Finanzdienstleister hingegen sind gerade in Sachen Flexibilität und Dynamik bei der Umsetzung neuer Trends oft träge und zurückhaltend. Während E-Commerce Plattformen am Markt aktiv agieren, entsteht in Hinblick auf Banken und Finanzdienstleister der Eindruck eines trägen Reagierens und Abwartens.

Innovative Geschäftsmodelle durch neue Technologien

Neue Technologien etabliert durch FinApps und FinTechs nutzen gerade diese Entwicklungen, um durch innovative Geschäftsmodelle und Ansätze in den Markt der Finanzdienstleister einzutreten. Das führt dazu, dass junge Unternehmen Dienstleistungen wie biometrische Identifikationsverfahren zur Legitimation für Kontoverbindungen oder innovative Zahlungsverkehrsmethoden, basierend auf Technologien wie Blockchain oder Währungen wie Bitcoins am Markt etablieren. Dadurch sprechen sie gerade die junge Kundschaft von Finanzinstituten an und bewegen sie zu einem Wechsel. Kunden suchen zunehmend einfache und unkomplizierte, flexible online-basierte Prozesse, die sie von E-Commerce Plattformen gewohnt sind.

Die meisten Gründer solcher FinTechs und FinApps gehören, genau wie die Gründer der bekannten E-Commerce Plattformen, der Generation Y an und sind oftmals mit Smartphone und Internet großgeworden. Veränderungen und Dynamik bestimmen oftmals ihren Alltag und werden durch vereinfachte Prozesse und kurze Entscheidungswege gelebt.

Dadurch gelingt es solchen innovativen Unternehmen, einmal gewonnene Kunden stärker und nachhaltig an sich zu binden. Während Finanzdienstleister oftmals lange und ausgiebige Entscheidungsprozesse leben, die nicht selten erst nach Monaten auf eine Marktveränderung reagieren, reagieren innovative Nischenanbieter im E-Commerce-Bereich sehr schnell auf Marktänderung zum Beispiel durch Preisanpassungen. Das sorgt dafür, dass die von FinTech angegriffenen Geschäftssegmente, welche durch Finanzdienstleister oftmals als kostenintensiv und unprofitabel abgetan wurden, zu effizienten und profitablen Geschäftsbereichen werden.

FinTechs als E-Commerce Plattform für den Bankensektor

Folgt man einer Statista-Expertenumfrage aus dem Jahr 2016, bei der verschiedene Aspekte wie Transparenz oder Vertrauenswürdigkeit eher deutschen FinTechs oder klassischen Finanzdienstleistern und Banken zugeordnet werden sollten, stellt man fest, dass zum Zeitpunkt der Erhebung etwa 15 Prozent der befragten Branchenexperten deutsche FinTechs als nachhaltig einschätzen. Bei den klassischen Finanzdienstleistern und Banken waren ca. 73 Prozent der Experten dieser Meinung. Hierbei sticht besonders das Ergebnis in Hinblick auf das Preis-Leistungs-Verhältnis heraus.* Kunden und Experten sind sich darüber einig, dass dieses Verhältnis bei innovativen Finanzdienstleistern wie FinTechs grundsätzlich besser ist, obwohl es sich um eine im Ergebnis identische Dienstleistung handelt.

Bereits 59,9 Mio. Girokonten in Deutschland sind Onlinekonten. Dabei geht das Statistische Bundesamt davon aus, dass 46% aller heutigen 18-29 Jährigen in Zukunft das Smartphone, FinApps und FinTechs nutzen werden, um ihr tägliches Bankgeschäft zu erledigen. Dieses Klientel ist dynamisch und Preissensitiv und erwartet Flexibilität und entsprechend schnelle Reaktionen auf Marktbewegungen. Betrachtet man E-Commerce Anbieter wie Amazon, lässt sich feststellen, dass mit Blick auf den Kundenzuwachs eine außergewöhnliche Marktdurchdringung vorliegt. Von den in Deutschland aktiven 51,6 Mio. E-Commerce Nutzern erreicht Amazon mit 44 Mio. regelmäßig einkaufenden und online bezahlenden Kunden ca. 85 Prozent dieses Marktes. E-Commerce Anbieter, deren Geschäftsmodell nahezu vollständig online abgewickelt wird, sind durch schlanke Entscheidungshierarchien und hohe Adaptionsfähigkeit in der Lage, auf Kundenbedürfnisse schnell und effizient zu reagieren.

Konsequenz für Banken und Finanzdienstleister

Das zeigt deutlich, dass Banken und klassische Finanzdienstleister signifikante Defizite in diesen Bereichen aufweisen und entsprechend ihre Organisationsstruktur als auch Prozessstruktur erheblich verschlanken müssen, um künftige weiter wettbewerbsfähig zu bleiben und die Bedürfnisse der neuen Kundengeneration befriedigen zu können. Ein Ansatz ist sicher, wie durch E-Commerce Plattformen erfolgreich vorgelebt, Entscheidungshierarchien zu verflachen und effizienter zu gestalten, um schneller und nachhaltiger auf Marktanpassungen und Veränderungen reagieren zu können. Des Weiteren ist es von essentieller Bedeutung neben der Erfüllung von regulatorischen Herausforderungen insbesondere Ressourcen und Aufwand für die Erschließung des Innovationspotentials des Kerngeschäftes bereit zu stellen. Kunden erwarten von Banken dieselben unkomplizierten und dynamischen Prozesse, wie sie sie im täglichen Leben von E-Commerce Plattformen, wie Amazon und Co gewohnt sind.

Für Banken und Finanzdienstleister, für die es aufgrund historisch gewachsener Prozesse zu lange dauert eine Verschlankung in diesen Bereichen zu erzielen, bieten sich auch Kooperationen in diesen Segmenten an. Zugang zu möglichen Kooperationspartnern lässt sich zum Beispiel durch Messen wie Finovate oder FinTech Week in Hamburg etablieren.

Klar ist, dass Banken und klassische Finanzdienstleister jetzt reagieren müssen, um einen Rückgang der Nachfrage nach etablierten Dienstleistungen zu vermeiden. Konkret bedeutet dies, Banken und Finanzdienstleister müssen ihre vorhandene IT-Infrastruktur verschlanken und für neue Zahlungsverkehrsmedien zugänglich machen. Hierbei sollten genau wie bei E-Commerce Anbietern der Kunde und dessen Bedürfnisse im Vordergrund stehen. Technologie die dem Kunden das Leben leichter macht, wie zum Beispiel das Bezahlen per Foto, oder auch die schnelle und unkomplizierte Lösung von Problemen zum Beispiel online per Chat sind einige Handlungsfelder für Banken und Finanzdienstleister. Um dem Markt nicht hinterherzulaufen bedarf es zudem der Verschlankung und Standardisierung von Prozessen, Verflachung von Hierarchien und Optimierung der Kostenstruktur/-transparenz.

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Der Beitrag ist Teil einer Serie in der namhafte Experten aus Wissenschaft und Praxis einen Blick über die Grenzen des Finanzsektors werfen und zeigen, wie Banken und Sparkassen davon profitieren könnten.

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Über den Autor

Alexander Schroff

Alexander Schroff ist Senior Manager im Bereich Capital Markets bei Deloitte und in Deutschland verantwortlich für den Bereich Front- und Middle Office. Vor seiner Tätigkeit bei Deloitte beschäftigte er sich im Rahmen einer der größten europäischen Direktbank hauptsächlich mit den Themen Position Keeping, Risiko Management, Hedge Accounting, Reporting, Bewertung und Settlement von derivativen- und fixed income Instrumenten beschäftigt sowie der strategischen Kapitalmarktausrichtung.

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