Finanzmarktregulierung auf dem Holzweg: Viel Papier und wenig Wirkung!

Bündnis 90/Die Grünen zur Bundestagswahl 2017

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Seit der Krise wurden mehrere zehntausend Seiten an Regulierung verfasst. Diese stellt sich als wenig wirksam und teilweise kontraproduktiv heraus, insbesondere für kleinere Banken. Die entstandene komplexe Regulierung muss durch einfache, aber harte Regeln ersetzt werden.

Parteien zur Bundestagswahl 2017

Die finanzpolitischen Sprecher der im Bundestag vertretenen Parteien wurden eingeladen, den Lesern des Bank Blog die für die Finanzdienstleistungsbranche relevanten Inhalte ihres Programms zur Bundestagswahl 2017 vorzustellen. Im folgenden finden Sie den Beitrag von Bündnis90/Die Grünen.

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Ein Grüner Gegenvorschlag für funktionierende Regulierung und zur Entlastung der Banken

Kleine und mittelgroße, lokale, private und genossenschaftlich organisierte Banken und Sparkassen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. In der Krise haben sie sich als verlässlicher Partner*innen der Unternehmen gezeigt und diese weiter zuverlässig mit Krediten versorgt. Sie haben so einen erheblichen Anteil zur Stabilisierung während der Krise beigetragen.

Seit der Krise wurden mehrere zehntausend Seiten an Regulierung verfasst und verabschiedet. Das Problem mit diesem hochkomplexen Regelwerk ist: Es löst die Probleme, die uns in die letzte Krise geführt haben, nicht. Es schafft einen Wettbewerbsvorteil für Großbanken und es schwächt die Teile des Finanzsystems, die während der letzten Krise gut funktioniert haben, indem es sie in Bürokratie ersticken lässt.

Nehmen wir als Beispiel das „too-big-to fail“ Problem. Investor*innen wissen, dass der Staat eine für die Stabilität des globalen Finanzsystems relevante Großbank mit Steuergeld retten muss, wenn sie in Schieflage gerät. Daher genießt die Bank eine implizite Staatsgarantie und kann sich am Kapitalmarkt günstiger refinanzieren. Laut Weltwährungsfonds summierte sich der jährliche Finanzierungsvorteil noch immer auf über 60 Milliarden US-Dollar für elf Großbanken. Der Ansatz der G20 war leider nie, die Banken kleiner zu machen. Stattdessen konzentrierte man sich auf Kapitalzuschläge und Verfahren zur Abwicklung maroder Banken.

Die Bilanzsummen der großen US-Banken sind seit dem großen Crash weiter gewachsen; im Fall von Wells Fargo und J. P. Morgan auf den gewaltigen Betrag von 2,4 Billionen US-Dollar. Die Deutsche Bank reduzierte zwar ihre Bilanzsumme ein wenig, sie beträgt jedoch immer noch rund 1,7 Billionen Euro. Die subventionierten Großbanken stehen im Wettbewerb mit den kleinen Banken, die den Nachteil davontragen.

Die deutsche Bundesregierung gibt sich in der Öffentlichkeit gerne als ambitioniert in der Finanzmarktregulierung. Im Zweifel sind es immer die anderen, die weitergehende Lösungen blockieren. Aber es waren Angela Merkel und Wolfgang Schäuble, die verhinderten, dass die internen Modelle der Großbanken, mit denen diese ihre Risiken kleinrechnen, durch straffere, internationale Standards ersetzt werden. Je kleiner die Großbanken ihre Risiken rechnen, desto kleiner ihr Eigenkapitalbedarf und desto größer das Risiko für die Steuerzahler*innen und der Wettbewerbsvorteil gegenüber kleineren Finanzmarktakteur*innen.

Während die erlassenen Regeln die Probleme bei den Großbanken nicht lösen, verursachen sie bei den kleinen Banken neue. Denn Regeln, die für international tätige große Institute gedacht sind, sind für eine mittelgroße Bank, deren Kernaktivität das originäre Einlagen- und Kreditgeschäft ist, schlicht ungeeignet und oftmals überflüssig.

Unsere Regulierungsvorschläge zielen darauf ab, die weiterhin bestehenden Gefahren für das Finanzsystem endlich nachhaltig zu adressieren und die Schieflage in der Regulierung, die großen Banken gegenüber kleinen Instituten einen Vorteil verschafft, anzugehen.

Hierfür brauchen wir einfache, aber harte Regeln, damit große, kleine und mittlere Banken miteinander im fairen Wettbewerb stehen und sich ergänzen können. Wir Grünen fordern daher die Schuldenbremse für Banken, also eine harte Eigenkapitalquote von 10%, damit sie selbst und nicht die Steuerzahler*innen für Verluste einstehen können. Außerdem müssen die unfairen Wettbewerbsvorteile der Großbanken durch implizite Staatsgarantien beendet werden. Großbanken müssen schrumpfen und in manchen Fällen entflochten werden.

Wir wollen kleine, regional tätige Banken bei der Regulierung entlasten. Sie sollen keine Privilegien erhalten, aber eben passgenaue Regulierungsvorgaben, die sich nicht an den komplexen Risikomodellen großer Banken orientieren, sondern dem traditionellen Kredit- und Einlagengeschäft kleiner Institute entsprechen. Hierdurch können diese Institute von wesentlichen bürokratischen und administrativen Lasten befreit werden.

Aber nicht nur die Regeln, auch die Aufsichtspraxis muss reformiert werden. Heute wenden die Aufsichtsbehörden viel mehr Zeit für kleine als für große Banken auf. Sie sollten unbedingt den Prüfungsaufwand stärker den Risiken für das Finanzsystem angleichen. Die intensive Prüfung der vielen kleinen Sparkassen und Genossenschaftsbanken ist auch deshalb unverständlich, weil jedes einzelne Institut intensiv von der jeweiligen Institutssicherung überwacht wird.

Essentiell für ein stabileres Finanzsystem ist unserer Meinung nach die Vollendung der Bankenunion. Hierbei gilt es zunächst, dass die bestehenden Regeln, insbesondere des Abwicklungsmechanismus, konsequent angewendet werden. Beim letzten Schritt, der Ergänzung der Union um ein Einlagensicherungssystem, sind wir der Meinung, dass die Europäische Kommission einen Fehler macht, wenn sie die schrittweise Vergemeinschaftung der Einlagensicherung fordert. Wir denken, dass es klüger wäre eine europäische Rückversicherung der nationalen Töpfe, die nur im Falle einer nationalen Überlastung greift, zu schaffen. Denn dies erlaubt es, die bewährte Institutssicherung von Sparkassen und Genossenschaftsbanken beizubehalten und schützt diese gleichzeitig gegen eine systemische Krise. Auch hier muss bei den Beiträgen gelten: Wer das riskantere Geschäft betreibt, muss mehr zahlen.

Der bisherige Regulierungsansatz, die Banken mit immer mehr und komplexeren Regeln zu überziehen, war ein Holzweg. Großbanken leisten sich ein Heer von hochbezahlten Mitarbeiter*innen, deren einzige Aufgabe es ist, die Regeln auf legale Weise zu umgehen. Kleine Banken hingegen ersticken unter der Last der Bürokratie. Wir Grünen wollen deshalb einen differenzierten Regulierungsansatz, der auf klare, einfache, aber harte Regeln setzt.


Der Beitrag ist Teil einer Serie „Parteien zur Bundestagswahl 2017“. Dazu wurden die finanzpolitischen Sprecher aller im Bundestag vertretenen Parteien eingeladen, einen Gastbeitrag für den Bank Blog zu verfassen. Ziel soll es sein, zu präsentieren und zu erläutern, was Banken, Sparkassen und FinTechs sowie deren Kunden von den jeweiligen Parteien – im Fall einer Regierungsbeteiligung – zu erwarten haben. Dies betrifft regulatorische Themenstellungen ebenso wie volkswirtschaftliche und ordnungspolitische Rahmenbedingungen mit entsprechender Relevanz.

Die Serie ist als Beitrag zur Meinungsbildung gedacht.

Gehen Sie am 24. September wählen oder nutzen Sie die Möglichkeit zur Briefwahl!

Über den Autor

Gerhard Schick

Gerhard Schick ist geschäftsführender Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende. Von 2005 bis 2018 war er Mitglied des deutschen Bundestags und zuletzt finanzpolitischer Sprecher für die Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen.

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