Vertriebssteuerung bei Banken richtig einsetzen

Pixelio.de / Gerd Altmann

Das allseits beliebte Banker-Bashing scheint nun auch in der Wissenschaft angekommen zu sein. In einer aktuellen, von der gewerkschaftseigenen Horst-Böckler-Stiftung unterstützen Studie stellen Betriebswirte der Universität Oldenburg die These auf, dass bei vielen Banken die Kundenbetreuung Züge von Fließbandarbeit annähme. Dazu wurden Angabe gemäß die Vertriebsstrategien von 127 Groß- und Volksbanken untersucht. Fazit der Studie: Eine vermeintlich rigide Vertriebssteuerung sei von den Banken als Folge der wahrgenommenen Ertragsprobleme aufgebaut worden und würde dazu führen, dass nicht Berater sondern IT-gestütztes Customer Relationship Management (CRM) die Kundenberatung steuere. Teilweise unsäglich gewordene Zielsysteme sorgten zudem dafür, dass die Kundenberater fast keine Spielräume bei ihrer Arbeit haben und die Kundenbetreuung in vielen Banken die Züge von Fließbandarbeit annähme.

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Ist diese Kritik gerechtfertigt?

Die Studie wird derzeit schnell und weitgehend unkritisch im Netz verbreitet: Das Thema ist „in“. Es lohnt sich aber vielleicht, doch noch mal auf den gewerkschaftlichen Hintergrund und die damit verbundene inhaltliche Interessenlage der Studie hinweisen. In dieselbe Linie passt eine Meldung von letzter Woche, wonach sich Verdi gegen Testkäufe in Banken wehrt.

Aufgrund meiner eigenen unmittelbarer Erfahrung in der Vertriebsführung in Banken und als jemand, der Banken bei der Erstellung von Vertriebssteuerungssystemen berät und begleitet, möchte ich einige zentrale Aussagen der Studie kritisch beleuchten.

Zunehmende Bedeutung von CRM-Systemen

Die Studie: „Beim IT-gestützten Customer Relationship Management (CRM) bildet eine Datenbank das Rückgrat der Vertriebsaktivitäten – nicht der einzelne Berater, der den Kunden und seine Lebensverhältnisse kennt. Sämtliche verfügbaren Informationen über die Kunden werden gespeichert, die Beschäftigten müssen ständig Daten eingeben.“

„Beim CRM rückt die Technik an die erste Stelle. Sehr viele Arbeitsabläufe sind bis ins Detail vorgegeben, die Beschäftigten und Betriebsräte sprechen von einem fremdbestimmten Arbeiten.“

Der Kundenberater einer Filiale „betreut“ i.d.R. zwischen 1.000 und 2.000 zugeordnete Kunden, der Kundenbetreuer in einem Beratungszentrum zwischen 250 und 400. Allein schon aus diesen Zahlen wird deutlich, dass ein Berater seine Kunden nicht mehr vollständig kennen kann. Ohne die Unterstützung durch geeignete IT-Systeme wären vorhandene Informationen über den Kunden weder systematisch noch aktuell. Eine kundenorientierte Beratung hätte Zufallscharakter, auch  eine Beratung im Vertretungsfall wäre kaum möglich.

Im sogenannten Wealth Management ist dies übrigens bei weitaus geringerer Kundenzahl pro Betreuer nie ein Thema gewesen. Hier wurde schon immer konsequent in den Ausbau der Vertriebsunterstützungs-IT investiert.

Zu Recht beklagt sich Stiftung Warentest alljährlich über schlechte Kundeberatung und fordert einheitliche Qualitätsstandards ein. Auch dies geht nur über einheitliche (IT-unterstütze) Beratungsprozesse, die entsprechend gesteuert und controlled werden.

Mich erstaunt diese banktypische Diskussion um sogenannte „individuelle beraterspezifische“ Beratung immer wieder aufs Neue. Man stelle sich ein Symphonieorchester vor, in dem die Geiger eine andere individuelle Beethoven Interpretation spielen wollen als die Blechbläser…

Zielvorgaben statt Zielvereinbarungen

Die Studie: „Die Wahrnehmung der meisten Befragten ist: Die Ziele werden von oben nach unten „ohne jeden Anflug von partizipativer Öffnung vorgegeben“. Was in den Filialen ankommt, kann man unumwunden als Zieldiktat bezeichnen.“


Ein reines Zieldiktat ist sicher nicht der richtige Weg. Führungskräfte müssen in den Planungs- und Zielfindungsprozess einbezogen sein und Mitarbeiter müssen mitgenommen werden. Ziele sollten zudem individuelle Stärken und Schwächen berücksichtigen und letztlich auch zum Erfolg motivieren.

Aber: Zielvereinbarungen können auch keine demokratischen Mehrheitsentscheidungen sein. Sie sind aus den Unternehmenszielen abzuleiten und damit nur bedingt diskutabel.

Hier wurden und werden zweifelsohne vielerorts Kommunikationsfehler begangen, die den Mitarbeitern suggerierten, dass es sich um einen bottom-up statt um einen top-down  Prozess handele. Insofern sollten Bankvorstände die Dinge ehrlich und beim Namen nennen, dann entstehen auch keine falschen Erwartungshaltungen.

Falsche Ziele und übertriebene Zielerreichungskontrolle

Die Studie beklagt: „Die Aktivitäten eines Beraters werden meistens einmal je Woche kontrolliert, und zwar anhand zählbarer Indikatoren: Kundenanrufe, Zahl der Gespräche und Verkäufe, Einhaltung von Terminen. Die Qualität der Beratung, das Erreichen von guten Zwischenlösungen und Zwischenständen spielt keine Rolle.“

Output ist (meistens) eine Folge von Input. Vertriebserfolg ist eine direkte Folge aus geführten Beratungsgesprächen, diese sind eine Folge von Terminen, die wiederum eine Folge von Ansprachen sind.

Ein guter Verkäufer benötigt 5 Ansprachen, um zu der für seine Abschlüsse notwendigen Anzahl von Gesprächen zu kommen, ein schlechter benötigt 20. Insofern hat selbstverständlich die Qualität des Verkaufsprozesses eine hohe Bedeutung. Es liegt sowohl im Interesse der Bank, als auch im Interesse von Mitarbeitern und Kunden, im Verkauf effizient zu sein. Oder möchten Sie zehn Mal auf ein Thema angesprochen werden, das Sie nicht interessiert?

Hier setzt auch eine wesentliche Aufgabe der Bankführungskräfte an, nämlich durch ein geeignetes Vertriebs-Coaching die Mitarbeiter dabei zu unterstützen, ihre Ziele stressfrei zu erreichen.

Schubkraft statt Druck erzeugen

Die Studie sagt: „Fast überall spielen Kennzahlen bis auf die Teamebene eine bedeutende Rolle, in 85 Prozent der Filialen sogar für einzelne Beschäftigte. Die unteren Führungskräfte haben kaum Spielräume, sondern sind um der eigenen Ziele willen „genötigt, für Zielerreichung zu sorgen“.

„Dieses Regime übt massiv zunehmenden Leistungsdruck“ aus… Auf lange Sicht kann man so keine erfolgreiche Dienstleistungsarbeit von frustrierten, unter Dauerdruck gehaltenen und in Rankings betriebsöffentlich abgewerteten Beschäftigten erwarten.“

Dazu muss man wissen, dass hierzulande Einzelziele und deren personenbezogene Überprüfung nur dann zulässig sind, wenn der jeweilige Betriebsrat dem zustimmt. Letztlich sind Einzelziele aber auch kein Teufelswerk, vielmehr wird nur durch Einzelziele eine Mitarbeiterindividuelle Führung möglich. Auch eine leistungsorientierte Vergütung macht nur dann Sinn, wenn Leistung auch gemessen wird. Und die meisten Bankmitarbeiter die ich kenne fordern zumindest ein, dass klar kommuniziert wird, wie die Leistung aussieht, die von ihnen verlangt wird.

Dass Ranglisten auch motivieren können, weiß dagegen jeder, der Sport betreibt oder sich dafür interessiert. Oder würde etwa eine Bundesliga ohne Tabelle einen Sinn ergeben geschweige denn Spaß machen?

In der Tat neigen aber viele Vorgesetzte dazu, nicht nur ihre direkten Mitarbeiter sondern auch die Stufe darunter zu kontrollieren. Es gibt auch Institute, in denen sich der Vorstand regelmäßig Einzelmitarbeiterergebnisse vorlegen lässt. Damit  werden die Führungskräfte jedoch eines wesentlichen Teils ihrer Führungsverantwortung beraubt. Außerdem führt dies zu einer Verstärkung des mitunter ohnehin schon heftigen Sandwicheffekts, dem sich mittlere Führungskräfte ausgesetzt fühlen: Gleichzeitiger Druck von oben und unten.

Wir reden hier aber nicht über ein spezifisches Bankthema sondern über die Frage der richtigen Mitarbeiterführung, über gute und starke Führungskräfte und über weniger gute und schwache Führungskräfte.

Gute Führungskräfte unterstützen ihre Mitarbeiter, federn Druck von oben ab und wandeln diesen in Schubkraft um. Zudem lassen sie den ihnen unterstellten Führungskräften ausreichend Freiraum, um den Weg der Zielerreichung selbst mitbestimmen zu können. Allerdings: längere Zügel müssen auch durch Erfolg gerechtfertigt sein.

Vom Verkäufermarkt zum Kaufermarkt

Früher galt vornehme Zurückhaltung, der Kunde ist in die Bank gekommen und bat um eine Beratung oder beantragte einen Kredit. Heute lässt der Wettbewerb diese passive Haltung nicht mehr zu: Die Bank muss mit ihren Angeboten auf den Kunden zugehen, der fast immer zwischen mehreren Alternativen auswählen kann. Aus einem Verkäufermarkt ist ein Käufermarkt geworden!

Wollen Banken bestehen, müssen sie sich darauf einstellen. Die Bankkunden erwarten dies jedenfalls. Damit ergibt sich auch für Bankmitarbeiter ein verändertes Berufsbild: Vom Bankberater zum Bankverkäufer.

Vertrieb bedeutet aktiv auf Kunden zu gehen

Vertrieb ist keine Erfindung der Banken. Was Banken heute tun, wird in anderen Branchen seit 100 Jahren gemacht. Zugegebenermaßen hat sich die Bankenlandschaft in puncto Vertriebsausrichtung in den letzten 30 Jahren deutlicher und nachhaltiger verändert als bei anderen Branchen im gleichen Zeitraum. Wurden früher Versicherungsvertreter von Bankmitarbeitern oft mit einem abschätzigen Blick als „Drücker-Kolonnen“ verspottet, so wird heute auch von Bankmitarbeitern erwartet, dass sie initiativ sind und aktiv auf Kunden zugehen, um das zu tun, was andere Berufszweige schon lange tun: „Verkaufen“.

Das stand vor 20-30 Jahren noch nicht  in den Stellenbeschreibungen von Bankmitarbeitern und wurde bei der Personalauswahl auch nicht so wie heute abgeprüft.

Insofern habe ich großes Verständnis dafür, dass sich viele Bankmitarbeiter im vermeintlich besten Alter und mit langjähriger qualifizierter Erfahrung in der heutigen Wirklichkeit unwohl fühlen. Aber auch hier sehe ich vor allem die Führung gefordert, den Veränderungsprozess aktiv zu gebleiten und zu unterstützen.

Banken müssen gewinnorientiert arbeiten

Ergebnisorientierung ist unabhängig von US-amerikanischen Vorbildern. Es ist eine Notwendigkeit, die sich aus der Gesetzgebung und den Aufgaben der Banken ergibt. Insbesondere die Pflicht zur erhöhten Eigenmittelunterlegung zwingt die Banken, auch ihren Gewinnanspruch auszuweiten, wollen sie ihren volkswirtschaftlichen Verpflichtungen bei der Kreditvergabe nachkommen. Dies gilt besonders für Sparkassen und Volksbanken, die sich nicht mal eben am Kapitalmarkt refinanzieren können. Und dass starke Banken gut für unser Land und für unsere Volkswirtschaft sind, sollte insbesondere die Finanzkrise deutlich gemacht haben.

Erfolgreicher Vertrieb ist eine Voraussetzung für den Erfolg von Banken. Dazu sind geeignete Vertriebssteuerungssysteme nicht nur hilfreich, sondern notwendig.