Wohl keiner anderen Technologie ist in den letzten Jahren ein ähnlich großer Einfluss auf die Bankenbranche zugetraut worden wie der Cloud-Technologie. Acht Werthebel zeigen die hohe Bedeutung und Nutzen für Banken und Sparkassen.

Nutzen von Cloud-Technologie und Edge Computing im Banking

Relevanz und Nutzen von Cloud-Technologie und Edge Computing im Banking.

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Nach langen Jahren des Zögerns und Abwartens ist in den letzten achtzehn Monaten erheblich Bewegung in die Cloud-Initiativen der deutschen Kreditwirtschaft gekommen, und es ist sicher keine Übertreibung, in einigen Fällen von einer nahezu kompletten Kehrtwende in der strategischen Bewertung der Cloud zu sprechen. Grund genug, sich mit den wesentlichen Treibern hinter dieser Entwicklung im Allgemeinen und der Relevanz der Cloud-Technologie für Banken im Besonderen zu beschäftigen.

Cloud: Chancen überwiegen Risiken

Noch vor drei Jahren hörte man von CIOs und COOs der deutschen Kreditwirtschaft zum Thema Cloud Aussagen wie „aus regulatorischen Gründen unmöglich“ oder „doch nur ein anderes Wort für IT-Infrastruktur-Outsourcing“. Diese grundsätzlich ablehnende Sicht hat sich inzwischen überholt, wenngleich natürlich nach wie vor die regulatorischen Anforderungen insbesondere an relevante Auslagerungen gerade bei Cloud-Projekten zu beachten sind. Allerdings haben seitdem die beteiligten Parteien – Institute, Cloud-Anbieter und die Aufsicht – erhebliche Schritte unternommen, so dass inzwischen immer mehr Institute die Chancen der Cloud-Nutzung höher bewerten als die Risiken, die sie jedoch nach wie vor beherrschen und dies gegenüber der Aufsicht auch nachweisen müssen.

Zu Beginn der ernsthaften Auseinandersetzung mit der Cloud vor etwa einer Dekade stand in der Tat wie auch im o. g. Zitat ausgedrückt die Weiterentwicklung des IT-Infrastruktur-Outsourcings, also im Wesentlichen der Verlagerung bestehender Workloads in eine standardisierte, durch einen externen Anbieter betriebene Infrastrukturumgebung. Viele Häuser liebäugelten schon damals mit der Nutzung der ersten verfügbaren Public Cloud Services, schreckten jedoch in der Regel vor den regulatorischen Hürden sowie damals ungelösten Fragestellungen zu Datenschutz, Security und Service Management zurück. Zur Beherrschung der Risiken wurde häufig „Private Infrastructure-as-a-Service“ zurückgegriffen, das gegenüber herkömmlicher Auslagerung der Bestandsinfrastruktur an einen Betreiber einen höheren Standardisierungsgrad und ähnliche Skalierbarkeit wie Public Cloud versprach, aber im Gegensatz dazu in einer exklusiv für den Kunden reservierten und häufig sogar in dessen eigenen Rechenzentren befindlichen Umgebung ablief.

Herausforderung Standardisierung

Am Ende dieser Dekade fällt mein Fazit zu diesem Ansatz eher ernüchternd aus. In vielen Fällen hat mangelhafte Governance innerhalb der Institute sowie an der Providerschnittstelle dazu geführt, dass der angestrebte Grad an Standardisierung nicht ansatzweise erreicht wurde – vielmehr wurde die heterogene, individuelle Bestandsinfrastruktur mindestens fortgeschrieben oder durch Zusatzanforderungen, u. a. für Regulatorik und Digitalisierung, noch komplexer. Die Beauftragungsprozesse für Zusatzanforderungen unterscheiden sich in ihren Durchlaufzeiten kaum von denen des maßgeschneiderten Individual-Outsourcings und sind aufgrund des Kostendrucks häufig sogar noch schlechter geworden.

Der Nutzen für Fachbereiche und Anwendungsentwicklung ist nicht erkennbar, da die Anwendungen meistens „as-is“ verlagert wurden und – wenn überhaupt – Einsparungen ausschließlich in Infrastruktur und Produktion angefallen sind, so dass die zu Beginn ausgelobten Business Cases vielfach nicht erreicht wurden. Häuser, die nun denselben Ansatz mit Public IaaS z. B. bei AWS, Azure oder Google Cloud verfolgen wollen, werden aus meiner Sicht zwar kürzere Bereitstellungszeiten für Zusatzkapazitäten und Abfederungspotenziale für Spitzenlasten realisieren, sich jedoch ansonsten ähnlichen Herausforderungen wie bei Private IaaS gegenübersehen. Kurz: Ein reiner „Lift&Shift“-Ansatz bestehender Anwendungen in die Public Cloud springt für eine wirtschaftliche Nutzung der Vorteile der Public Cloud viel zu kurz.

Cloud-Strategie ist mehr als IT-Infrastruktur

Eine sinnvolle Cloud-Strategie macht also bei der IT-Infrastruktur nicht halt, sondern erweitert die Betrachtung auf den Nutzen, der an anderen Stellen innerhalb oder sogar außerhalb der IT generiert wird. Dies liefert interessanterweise nicht nur weitere Einsparungspotenziale wie etwa durch Cloud-native Modernisierung der Anwendungslandschaft, sondern auch interessante Hebel, z. B. zur Verkürzung von Lieferzyklen in der IT („from idea to production“) und Nutzung leistungsfähiger cloud-nativer Dienste insbesondere im Kontext Big Data und Künstliche Intelligenz (KI).

Auf Basis dieser neuen, dem Institut zur Verfügung stehenden Fähigkeiten lassen sich schnell und effizient innovative Lösungen zur Ertragssteigerung und letztendlich Marktdifferenzierung entwickeln, so dass die Cloud auf einmal eine Relevanz für alle Unternehmensbereiche und nicht nur für die IT erhält. In diesem Kontext sei exemplarisch auf die Partnerschaft der Deutschen Bank mit Google Cloud verwiesen, die exakt auf diese Werthebel abzielt – so sollen u. a. neue Services für das Liquiditätsmanagement für Firmenkunden, nutzungsbasierte Finanzierungen und das Risikomanagement entstehen.

8 Werthebel für die Nutzung der Cloud

Im Einzelnen lassen sich folgende acht Werthebel für die Nutzung von Cloud-Technologien zusammenfassen:

  1. Reduktion der Infrastrukturkosten,
  2. Reduktion des Risikos von Sicherheitslücken und Systemausfällen,
  3. Kostenreduktion und Zukunftssicherheit,
  4. Höhere Geschwindigkeit und Agilität,
  5. Zugriff auf Innovationen,
  6. Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen,
  7. Treiber für die agile Transformation sowie
  8. Höhere Attraktivität für kritische Nachwuchstalente.

1. Reduktion der Infrastrukturkosten

Die Reduktion der Infrastrukturkosten erfolgt über den Ersatz der Bestandsinfrastruktur durch Public IaaS. Der Einspareffekt hängt hierbei stark vom Volumen und Standardisierungsgrad des Bestandes sowie der Möglichkeit zur Verdichtung von Workloads und Abfederung von Spitzenlasten ab.

2. Reduktion des Risikos von Sicherheitslücken und Systemausfällen

Die einschlägigen Cloud-Anbieter bieten ein hohes Niveau an Ausfallsicherheit sowie in ihre Plattform integrierten Sicherheitsfeatures, durch das die aktuellen hohen Kosten für die Entwicklung und den Betrieb der entsprechenden Bestandslösungen bei den Banken erheblich reduziert werden können. Allerdings verändert sich durch die Verlagerung in die Cloud die Bedrohungslage des Instituts (wenngleich sie insgesamt nicht kritischer wird), so dass einmalig entsprechende Maßnahmen zu treffen sind.

3. Kostenreduktion und Zukunftssicherheit

Durch Modernisierung der Anwendungslandschaft können Kostenreduktion und Zukunftssicherheit verbessert werden. Zum einen bieten Software-as-a-Service-Lösungen quasi schlüsselfertige, komplett gewartete und betriebene Lösungen zur Bedienung ganzer Prozessgruppen (so etwa Einkauf oder Personalwirtschaft, aber auch bankfachliche Prozesse wie Kredit), zum anderen erlauben leistungsfähige Platform-as-a-Service-Anbieter wie AWS, Azure oder Google Cloud die schnelle und kostengünstige Entwicklung zeitgemäßer, cloud-nativer Individualanwendungen für das Institut zur Ablösung des veralteten und kostenintensiven Bestands. Die Erweiterung der architektonischen Betrachtung auf Edge Computing, also die gezielte Nutzung der Rechenleistung dezentraler Geräte für Spezialaufgaben, führt zu weiterer Kostenreduktion und ermöglicht weitere interessante Anwendungsfälle, z. B. die Analyse verdächtiger Transaktionen direkt auf dem Mobiltelefon oder das digitale Angebot interaktiver Beratungsleistungen außerhalb der Filiale.

4. Höhere Geschwindigkeit und Agilität

Wie bereits ausgeführt können Zusatzkapazitäten bis hin zu kompletten Umgebungen in kürzester Zeit und nutzbarer Form bereitgestellt werden, was die IT-Bereitstellungszyklen massiv verkürzt.

5. Zugriff auf Innovationen

Für Innovationen zusammengestellte agile Teams sind unmittelbar arbeitsfähig und können auf eine Fülle von bereits vorhandenen Bausteinen und Werkzeugen zurückgreifen, die bisher erst selbst entwickelt werden müssen. Bankfachliche Daten können sicher in der Cloud mit dort gesammelten und öffentlich verfügbaren Daten kombiniert und für Analysen genutzt werden, etwa zur Betrugs- und Geldwäschebekämpfung oder zum Querverkauf zusätzlicher Leistungen.

6. Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen

Cloud-Services können u. a. durch hohe Verdichtung der Workloads, proprietäre Technologien und leichtgewichtige Anwendungsarchitekturen die IT-bedingten CO2-Emissionen eines Unternehmens um bis zu 98% reduzieren.

7. Treiber für die agile Transformation

Cloud, Microservices, Agile, und DevOps gehören eng zusammen, treiben sich gegenseitig und bewirken eine fundamentale Änderung der Bereitstellungs- und Betriebsprozesse sowie der Zusammenarbeit mit der Fachseite. Institute wie die ING oder die Commerzbank haben früh eine agile Arbeitsweise im Gesamtunternehmen etabliert, welche durch die durchgängige Nutzung der Cloud als Technologieplattform stark unterstützt wird.

8. Höhere Attraktivität für kritische Nachwuchstalente

Hochschulabsolventen gerade in den MINT-Fächern sind heute eng mit Cloud-Services verschiedenster Art vertraut und erwarten die gewohnten Vorteile auch von ihrem Arbeitgeber. So ist etwa das Vorhandensein zeitgemäßer, cloud-basierter Arbeitsplätze ein entscheidendes Kriterium für hochqualifizierte Entwickler bei der Wahl ihres Arbeitsplatzes.

Deutsche Kreditwirtschaft arbeitet an Cloud-Strategien

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die deutsche Kreditwirtschaft aktuell aus den genannten Gründen flächendeckend an Cloud-Strategien arbeitet bzw. diese bereits umsetzt. Wenngleich die aktuelle geopolitische Lage wieder Skepsis und Zurückhaltung fördert, so hat die COVID-19-Pandemie den Nutzen von Cloud-Services nahezu zeitgleich eindrucksvoll unterstrichen und den Digitalisierungsbedarf nicht nur in der Kreditwirtschaft, sondern auch in der öffentlichen Verwaltung schonungslos offengelegt. Die Frage ist also nicht mehr das „ob“, sondern das „wie“ – u. a. werden mit der Gaia-X-Initiative Wege gesucht, europäischen Instituten mehr Wahlmöglichkeiten zu schaffen, um die Vorteile der Cloud nachhaltig und planungssicher umsetzen zu können.

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