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Facebook hat inzwischen mehr als eine halbe Milliarde aktive Nutzer, von denen die Hälfte jeden Tag aktiv ist. Eine bemerkenswerte Zahl. Erstens, betrachten wir die Kundenzahl als „Einwohner“, wäre Facebook das drittgrößte Land der Erde (hinter China und Indien). Zweitens sieht es nicht danach aus, als ob dieses Wachstum in absehbarer Zeit beendet sein könnte. Drittens, das weitere Wachstum wird nicht durch Liefer- oder Produktionsengpässe eingeschränkt. Facebook ist einfach überall dort, wo auch die Kunden sind.   

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Twitter berichtet inzwischen von 175 Millionen registrierten Nutzern und 95 Millionen Tweets pro Tag (im Juni waren es noch 65 Millionen Tweets pro Tag). Foursquare ist ein neuer Geolocation-Dienst, der schon 4 Millionen Nutzer hat und rd. 100.000 neue jede Woche hinzu gewinnt.   

Wann wird diese Entwicklung enden? Genauso gut könnte man fragen, wann es kein Internet oder keine Mobiltelefone mehr geben wird.   

Welche Auswirkungen ergeben sich für die Banken und Finanzwelt? Eine berechtigte Frage, zählen doch Banken nicht gerade zu den innovativen Branchen. So haben viele Bankmanager auch noch nicht realisiert, was Web 2.0 und soziale Medien konkret für sie bedeuten. Viele von ihnen befinden sich immer noch auf einer der folgenden fünf „Stufen des Leidens“:   

 Stufe 1: Totale Ignoranz   

Wenn eine neue Innovation herauskommt, ignorieren viele Bankmanager diese einfach. Warum auch nicht, „Banken gibt es ja schon seit Jahrhunderten und daran wird sich grundsätzlich auch nichts ändern …“   

 Stufe 2: „Es ist ja nur eine Modeerscheinung“   

„Visionäre sehen eine Zukunft für Telearbeit, interaktive Bibliotheken und Multimedia-Klassenzimmer… Wirtschaft und Handel werden von Büros und Einkaufszentren in Netzwerke und Modems verlagert… Unsinn. Haben unsere Computerexperten jeglichen gesunden Menschenverstand verloren? Die Wahrheit ist: keine Online-Datenbank wird Ihre Tageszeitung überflüssig machen, keine CD-ROM kann einen kompetenten Lehrer ersetzen und kein Computer-Netzwerk wird die Arbeit einer Regierung verändern… Doch Nicholas Negroponte, Direktor des MIT Media Lab, sagt voraus, dass wir bald Bücher und Zeitungen direkt über das Internet kaufen. Oh ja, sicher doch.“ (Clifford Stohl, Newsweek, 27. Februar 1995)   

Übersetzt für Bankmanager und Soziale Medien: “Ok, wir wissen, dass es Soziale Medien gibt, aber sie sind nur eine Modeerscheinung – die ganze Aufregung legt sich bald wieder“.   

 Stufe 3: „Wie soll man denn damit überhaupt Geld verdienen?“   

Infolge der Versäumnisse aus den Stufen 1 und 2 blicken Bankmanager ungläubig auf das enorme Wachstum von Facebook, Twitter und Co. und werfen dann einen Blick auf ihre Nachbarbanken. Da sich bei denen auch wenig tut, sagen sie sich: „Niemand verdient Geld damit, also lassen wir uns nicht weiter davon stören…“   

Wie Sie erkennen können, dass sich ihre Bank in dieser Stufe befindet? Sie ist in Facebook mit einer eigenen Seite vertreten, aber niemand managt diesen „Social-Media-Horchposten“ aktiv.   

 Stufe 4: Der Überschall-Knall   

Internet-Banking, Mobile Banking, Social Media: Für viele Banker gibt es da keine wirklichen Unterschiede. Es ist, als ob sie einem Düsenjet beim langsamen Vorbeiflug zuzusehen und sich beim Hören des Überschall-Knalls anfangen zu wundern, wie schnell er davon fliegen kann. Dann ist es aber bereits zu spät. Wenn die aktiven Wettbewerber mit Mach 1 oder Mach 2 Fahrt aufgenommen haben, sind sie bereits weit, weit vor ihnen.  Spätestens dann ist Schluss mit der Ignoranz. Es hat „BOOM“ gemacht.   

Dies ist die Stufe, auf der die meisten Banken heute stehen.   

Woran Sie erkennen, dass Ihre Bank sich auf dieser Stufe befindet? Es wurde gerade eine neue Position „Leitung Soziale Medien“ geschaffen.   

Soziale Medien treffen viele Banken wie ein Überschallknall

Stufe 5: Hektik und Betriebsamkeit breiten sich aus   

Jetzt ist es endlich soweit: Die Bankmanager erkennen ihre Versäumnisse der letzten vier Jahre. Ihre mangelhafte Vorbereitung auf die neuen Herausforderungen macht den Kunden und Mitarbeitern, ja der ganzen Welt wieder einmal deutlich, wie gering die Verbundenheit der Banken mit dem aktuellen Geschehen um sie herum manchmal ist.   

Zumindest das PR-Desaster soll nun so schnell wie möglich bereinigt werden. Überall in der Bank werden jetzt plötzlich Initiativen und Projekte aufgesetzt, mit denen das Versäumte schnell nachgeholt werden soll.   

Woran Sie erkennen, dass Ihre Bank sich in dieser Stufe befindet?  Der Vorstand hält Reden und Vorträge über Soziale Medien und erklärt, wie sehr sich die Bank bemüht, Kunden mit diesem Medium besser zu erreichen.   
 

Vorne dabei sein?!   

Wie aber kann meine Bank diese Stufen überspringen? Was kann meine Bank tun, um im Wettbewerb vorne dabei zu sein?   

Das Erste, was Banker tun müssen, ist, ihre Organisationsstrukturen und –prozesse rund um Kunden zu überdenken.  Soziale Medien sind Werkzeuge, um Kunden besser zu erreichen, vor allem aber, um sie zu beteiligen. Investitionen in soziale Medien sind genauso wichtig, wie Investitionen in Filialen oder in Call Center aber mehr als diese können sie helfen, das Geschäftssystem auch intern neu zu strukturieren. Um die Organisation dazu zu bringen, im Zeitalter von digitalen und sozialen Medien nah am Kunden zu sein, muss man losgelöst von  Vertriebskanälen denken.   

Es wird viel über Multikanal-Banking gesprochen, aber die neuen sozialen Medien eröffnen neue, schnell wachsende Möglichkeiten und Wege, mit Kunden ins Geschäft zu kommen. Was wird nach dem Web 2.0 kommen? Irgendetwas auf jeden Fall. Entscheidend ist, dass die Komplexität von Vertriebskanälen weiter ansteigt und zukünftig wird kein Kanal für sich genommen mehr eine herausgehobene Bedeutung haben. Aus Kundensicht werden Filialen nicht wichtiger sein als das Internet, Mobile Banking nicht wichtiger als soziale Medien und Call Center nicht wichtiger als Geldausgabeautomaten. Dies alles sind Zugangswege für die Kunden und Banken müssen lernen, immer dort zu sein, wo ihre Kunden gerade sind. Dazu gilt es, festgefahrene Strukturen und das Denken in Vertriebssilos aufzubrechen: „Denken mit dem Auge des Kunden“ lautet die Devise.  

„Total-Channel“ statt „Multi-Channel“ und das energische und schnelle Vorantreiben der Nutzung sozialer Medien sind konkrete Ansatzpunkte. Wer jetzt nicht schnell handelt, hört sonst vielleicht nur noch das „BOOM“ der Überschallgeschwindigkeit, mit der der Wettbewerb gerade enteilt.