Finanzinstitute befinden sich inmitten einer digitalen Revolution, die durchaus disruptive Ausmaße annehmen kann. Im Rahmen einer Artikelserie nehmen Experten der wichtigsten Institute und Institutsgruppen Stellung zu diesem Trend. Lesen Sie heute das Statement von Georg Fahrenschon, Präsident des DSGV.

10 Experten über die zunehmende Digitalisierung der Finanzdienstleistung

Die Digitalisierung der Finanzdienstleistung ist auf dem Vormarsch. In einer kleinen Serie erläutern Bankexperten ihre Einschätzung
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Die Digitalisierung der Finanzdienstleistung und die daraus erwachsenden Herausforderungen für Banken und Sparkassen sind derzeit eines der beherrschenden Themen der Branche.

Um herauszufinden, wie hierzulande die wichtigsten Institute und Institutsgruppen diesen Trend einschätzen und ihm begegnen habe ich fünf Fragen formuliert und führende Vertreter des deutschen Bankwesens um ein Statement gebeten.

Fünf Antworten von Georg Fahrenschon, Präsident des DSGV

Lesen Sie nachfolgend die Ausführungen von Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV).

Georg Fahrenschon, Präsident Deutscher Sparkassen und Giroverband

Was bedeutet für Sie „Digitalisierung“ und worin sehen Sie für Ihre Institutsgruppe die besonderen Chancen und Risiken?

Georg Fahrenschon: Für die Sparkassen ist die Digitalisierung nicht zuerst eine Frage der Technik. Die Digitalisierung schafft Freiräume für die Menschen und ist immer mehr eine neue technologische Basis für die zwischenmenschliche Kommunikation. Deshalb ist die Digitalisierung auch als Katalysator für soziale Innovationen zu betrachten, die die Art und Weise, wie Menschen zusammenleben und -arbeiten, verändern wird. Die Chancen und Risiken der Digitalisierung haben deshalb mehr noch als mit der jeweils verfügbaren Technik mit unseren Mitarbeitern zu tun, und mit der Art, wie in unseren Instituten Wertschöpfung entsteht.

Welches sind die größten drei Herausforderungen für Ihre Institutsgruppe?

Georg Fahrenschon: Wir betrachten das Thema vor allem aus drei Perspektiven:

  1. In der Kundenperspektive geht es darum, das Vertrauen und die Nähe zu unseren Kunden aus der physischen Welt in die digitale Welt zu übertragen. Ein Alleinstellungsmerkmal der Sparkassen sollte deshalb auch in der digitalen Welt die Interaktion zwischen realen Menschen sein. Der Sparkassen-Finanzgruppe muss es gelingen, die Vertrauensbasis und die Alleinstellungsmerkmale aus der realen Welt in die digitale zu überführen – mit den erforderlichen Produkten, der passenden Infrastruktur und der Qualität in der Beratung.
  2. Dann gibt es die Prozess- und Infrastrukturperspektive: Mit einer besseren Betreuung der Kunden einher geht ein vielfältiges, aber auch transparentes, einfach zu beherrschendes und wettbewerbsfähiges Produktangebot. Damit der Zugang für Kunden dabei möglichst einfach wird, werden Sparkassen besonders im IT-Bereich in den nächsten Jahren stark investieren. Je mehr Service- und Vertriebsprozesse automatisiert und über mediale Kanäle zur Kundenselbstbedienung angeboten und genutzt werden, umso mehr stellt sich die Kapazitätsfrage in der bisher geschäftsnotwendigen Infrastruktur.
  3. Und nicht zuletzt sehen wir die Mitarbeiterperspektive. Dreh- und Angelpunkt in Sparkassen werden stets die Mitarbeiter sein: Ihr Engagement und ihre Loyalität sind entscheidend für den Erfolg in der digitalen Welt. Vermutlich werden in der gesamten Branche die Mitarbeiterzahlen in den nächsten Jahren eher zurückgehen. Für Sparkassen steht aber im Vordergrund, in die Mitarbeiter zu investieren und sie für die neuen Aufgaben zu qualifizieren. Denn ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal der Sparkassen sind die 244.000 Menschen, die für sie überall in Deutschland arbeiten.

Derzeit entstehen zahlreiche sogenannte FinTech Startups, die insbesondere im Privatkundengeschäft versuchen, mit innovativen, kundenorientierten digitalen Angeboten den etablierten Banken Konkurrenz zu machen? Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus diesem Trend für Ihre Institutsgruppe?

Georg Fahrenschon: Natürlich müssen Sparkassen innovative Technik beherrschen, bei den Banking-Apps sind sie mit großem Abstand Marktführer in Deutschland, ebenso bei kontaktlosen Bezahlsystemen. Gerade im Bereich Finanzdienstleistungen ist aber das Vertrauen der Kunden entscheidend. Wir prüfen sorgfältig, was zu unserem Selbstverständnis und zu unserem Geschäftsmodell passt. Nicht alles, was die jetzt schon über 3.500 FinTechs heute entwickeln, wird mittelfristig Bestand haben. Aber vieles, was gut ist und den Kunden nützt, werden Sie schon bald in unserem Angebot wiederfinden. Mit unseren 416 unabhängigen Instituten haben wir auch besser als jeder Konzern die Chance, neue Dinge einfach einmal auszuprobieren.

Den großen Internetunternehmen Amazon, Apple, Facebook und Google wird immer mal wieder ein Einstieg in den Bereich Finanzdienstleistung unterstellt. Im Zahlungsverkehr ist dieser ja bereits vollzogen. Wie beurteilen Sie diese neuen Wettbewerber und wie bereiten Sie sich darauf vor?

Georg Fahrenschon: Ein Marktführer kann selten der Technologietreiber oder der „first mover“ sein. Das ist wahrscheinlich auch gar nicht nötig. Aber für den Marktführer ist es entscheidend, als Erster Innovationen in Form ausgereifter Produkte in die Breite des Marktes zu bringen. Für Sparkassen bedeutet dies, dass sie als erste neue Anwendungen und Funktionen auch in der digitalen Welt für die breite Bevölkerung erschließen müssen. Im Branchenvergleich sind Sparkassen aktuell auf Augenhöhe. Allerdings müssen sie jetzt schnell und konsequent die Chancen aus der Digitalisierung nutzen. Deshalb stehen die Sparkassen auch unter einem enormen Innovationsdruck. Innovationen dürfen aber kein Selbstzweck sein. Sie müssen von den Kunden gewünscht und honoriert werden. Dazu braucht es eine neue Innovationskultur und ein maßgeschneidertes Innovationsmanagement.

Wieviel investiert Ihre Institutsgruppe in den kommenden fünf Jahren in die Digitalisierung, wie groß sind dabei die Anteile für „Run the Bank“ und „Change the Bank“ und welche Bereiche sind die von Ihnen priorisierten?

Georg Fahrenschon: Hier gibt es keine einfachen Zahlen, weil wir eine dezentrale Organisation sind. Aber Sparkassen werden investieren. 150 Millionen Euro allein in den nächsten Jahren für die Entwicklung einer Wallet und neuer Payment-Verfahren. Auf Dauer wird dies aber nicht reichen. Die Sparkassen werden eine neue Innovationskultur entwickeln und sich auch in der Gruppe neu aufstellen und die Arbeitsteilung verbessern. So konzentriert sich der DSGV künftig klar auf die strategische Führung. Verbundunternehmen wie etwa dem Deutschen Sparkassenverlag (DSV) oder der Finanz Informatik (FI) kommt dann bei der Umsetzung eine Schlüsselrolle zu. Zudem wird im DSGV eine Innovationseinheit eingerichtet, die interdisziplinär besetzt Ideen generiert und auch von Sparkassen aufnimmt und diese dann zu Konzepten weiterentwickelt.


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