Seit der 7. Novelle der MaRisk ist klar: Finanzinstitute müssen den Einfluss von ESG-Risiken auf Kreditengagements berücksichtigen. Für die Banken eine echte Herausforderung. Eine aktuelle Umfrage gibt einen Überblick zum aktuellen Umsetzungsstand.

ESG-Risiken im Firmenkundenkreditgeschäft der Banken

Der Einbezug von ESG-Risiken in das Firmenkundenkreditgeschäft ist für Banken mit Herausforderungen verbunden.

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Aktuelle aufsichtsrechtliche Vorgaben verlangen eine stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei Banken und Sparkassen. Umwelt-, Sozial- und Governance-Gesichtspunkte, kurz ESG, sind künftig ein relevantes Entscheidungskriterium bei der Kreditvergabe. Doch wie lässt sich das im Kreditprozess für Firmenkunden abbilden und wie ist der aktuelle Umsetzungsstand?

Die 7. Novelle der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) fordert explizit die Berücksichtigung ESG-Faktoren im Rahmen der Kreditvergabe und -überwachung. In diesem Zuge müssen sich Banken und Sparkassen künftig hierbei mit dem Einfluss von ESG-Risiken auseinandersetzen.

Die Umsetzung dieser Vorgaben hat bei den Banken und Sparkassen bereits begonnen, aber wie weit sind sie? Dieser Frage ist die aktuelle Studie „Berücksichtigung von ESG-Kriterien im Kreditprozess für Firmenkunden“ nachgegangen. Das Hamburger Beratungs- und Softwarehaus PPI AG und die FH Münster haben Fach- und Führungskräfte aus dem Kreditbereich von 76 deutschen Finanzinstituten nach dem aktuellen Sachstand in ihrem Haus befragt. Im Fokus der Expertenbefragung standen primär die jeweiligen Herausforderungen sowie erste praktische Erfahrungen bei der Implementierung entsprechender Verfahren zur ESG-Risikobewertung.

Banken befinden sich größtenteils noch in der Planungsphase

Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass die Institute noch am Anfang des Umsetzungsprozesses stehen. Denn erst 38 Prozent der befragten Banken und Sparkassen berücksichtigen schon heute ESG-Risiken bei der Kreditentscheidung, bei der Kreditüberwachung sind es sogar nur knapp ein Viertel.

Immerhin planen mehr als die Hälfte der Teilnehmenden eine Einbeziehung von ESG-Faktoren auf sämtlichen Ebenen des Kreditprozesses, einschließlich der Bepreisung und der Bewertung von Sicherheiten. Drei Viertel der Institute beurteilt neben der ESG-Einstufung des Kreditnehmers auch die des zu finanzierenden Objekts.

Ob ein einzelnes Engagement überhaupt hinsichtlich der ESG-Faktoren untersucht wird, richtet sich häufig nach dessen spezifischen Risikogehalt oder der jeweiligen Branche. Alle Kreditanfragen, unabhängig von Risiko oder Sektor, prüfen lediglich 31 Prozent der Institute.

Eine ESG-Risikoanalyse führen mehr als zwei Drittel der Institute durch, allerdings sind die prüfauslösenden Kriterien sehr uneinheitlich.

Der Zeitraum, auf den sich die Risikobewertung bezieht, ist in der Regel entweder abhängig vom Anlass, etwa der Laufzeit des Darlehens (46 Prozent), oder ein Jahr (41 Prozent). Nur 13 Prozent der Institute vergeben die Bewertung für zwei Jahre oder länger.

Bewertungsmethoden im Aufbau

In welcher Form die Banken und Sparkassen die ESG-Risiken berücksichtigen, ist ihnen weitgehend selbst überlassen. Der Methodenaufbau dafür ist in jedem Fall noch nicht abgeschlossen. Aktuell dominieren Negativlisten, die bestimmte Branchen oder Geschäftsmodelle ausschließen, sowie qualitative Komponenten wie Geschäftsmodellanalysen.

Zahlreiche Anwendungen sind in Planung, sodass künftig auch die Berücksichtigung quantitativer Faktoren wie ESG-Scorings oder Cashflow-/Szenariomodelle zunehmen dürfte. Abzuwarten bleibt, ob sich in diesem Zusammenhang auch der sachliche Fokus ändern wird – derzeit wird den Umweltrisiken noch überproportional viel Bedeutung zugemessen, soziale und Governance-Aspekte treten dahinter deutlich zurück.

Vor allem harte Fakten werden zur Bewertung von Umweltrisiken herangezogen. Die Institute berücksichtigen grundsätzlich immer mehrere Aspekte zur Bewertung, im Durchschnitt drei.

Auch innerhalb der Umweltrisiken ist der jeweilige Bedeutungsgrad ungleich verteilt. Energieeffizienz, Ressourcenverbrauch und Treibhausgasemissionen fließen überproportional häufig in die ESG-Bewertungen ein.

Abfallvermeidung, Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und nachhaltige Landnutzung spielen dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Akute physische Risiken, ausgelöst durch Stürme, Fluten oder Extremtemperaturen, sind aus Sicht der Befragten für ein Engagement deutlich relevanter als chronische Risiken wie Erderwärmung und Wassermangel.

Die transitorischen Risiken werden in der Reihenfolge regulatorische, Markt-, Reputations- und technologische Risiken genannt, mit allerdings sehr ähnlicher Bedeutung. Die jeweiligen Angaben dazu holen sich die Institute meist gleich vom Kreditnehmer selbst, 78 Prozent fragen die Informationen dort ab. Aus Geschäftsberichten oder anderen öffentlichen Angaben bedienen sich immerhin noch 63 Prozent der Befragten, nur etwas mehr als ein Drittel nutzt Daten externer Dienstleister. ESG-Informationen werden durchschnittlich aus mindestens zwei Quellen bezogen.

Erhöhter Zeitbedarf im Kreditprozess

Bereits diese Ergebnisse der Studie lassen erkennen, dass die Einbeziehung der ESG-Faktoren in den Kreditprozess mit einigem Mehraufwand verbunden ist. 44 Prozent der teilnehmenden Banken und Sparkassen geben eine Erhöhung des Zeitaufwands für den Kreditanalyseprozess um fünf Prozent und mehr an, lediglich sechs Prozent sehen keinen spürbaren Mehraufwand. Über ein Drittel der Institute können hierzu noch keine gesicherten Angaben liefern.

Entsprechend ist die Meinung bezüglich der ökonomischen Angemessenheit der aufsichtlichen Anforderungen zur ESG-Berücksichtigung geteilt – jeweils rund 40 Prozent stufen diese als „eher zu hoch“ oder als „angemessen“ ein. Eindeutig ist dagegen die Haltung zur Frage, wie klar die Aufsicht ihre Erwartungen erläutert. Über die Hälfte der Befragten meint, diese seien unverständlich und nicht ausreichend kommuniziert.

Um aufsichtliche Vorgaben umzusetzen, müssen die Institute diese natürlich kennen. Im Bereich der ESG-Risiken mangelt es aber offensichtlich noch an der notwendigen Bestimmtheit.

Viel Arbeit und Geschäftspotenzial

Für die nahe Zukunft haben die Banken und Sparkassen recht klare Vorstellungen, an welcher Stelle sie Optimierungen vornehmen müssen. Vor allem die Datenerhebung und die Weiterqualifizierung der Mitarbeitenden stehen auf der Agenda, aber auch die Datenverarbeitung ist verbesserungsbedürftig. Bei Letzterem ist vorrangig an Systemschnittstellen, Texterkennung und den verstärkten Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zu denken.

Bei allem Mehraufwand gehen einzelne Antworten bereits auf die Chancen ein, die die Berücksichtigung von ESG-Risiken im Kreditprozess bietet. Denn es eröffnen sich hier neue Möglichkeiten, den Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft mitzugestalten und auf diese Weise zum Gemeinwohl beizutragen. Hierbei wäre unter anderem an die Finanzierung ganz neuer Branchen, etwa im Bereich Umwelttechnik, an nachhaltige Finanzierungsobjekte oder bislang nichtexistierende ökologische Geschäftsmodelle zu denken.

Ohne jede Frage steht den Banken und Sparkassen noch eine Menge Arbeit ins Haus, von der aber vor allem diejenigen Institute profitieren können, die sich frühzeitig entsprechend aufstellen und – gegebenenfalls in enger Abstimmung mit der Aufsicht – erste Maßstäbe setzen.


Die Studie „Der gewerbliche Kreditprozess – digital und nachhaltig?“ kann auf der Website der PPI AG kostenfrei angefordert werden.

 


Michael Wiemker

Michael Wiemker ist Koautor des Beitrags. Er ist Senior Consultant bei der PPI AG dem Schwerpunkt Kreditgeschäft und Kreditprozesse. Zuvor war der Betriebswirt Inhouse Consultant bei der Aareal Bank.

 

 

Prof. Dr. Ulrich Balz

Prof. Dr. Ulrich Balz lehrt an der FH Münster Betriebswirtschaft mit den Schwerunkten Finanzwirtschaft und Finanzdienstleistungen und leitet ein internationales Studienprogramm. Als Berater bei McKinsey & Co. und Mitglied der Financial Institutions Group hatte er zuvor in verschiedenen Projekten für Banken und Versicherer gearbeitet.